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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Militärstand - Militärstrafverfahren

bildung des Offiziers oder Unteroffiziers in bestimmten Fächern seines Berufs bezwecken. Die Grenzen zwischen diesen drei Klassen sind nicht immer scharf ausgesprochen. Zu 1 gehören: in Deutschland die Kadettenkorps und die Unteroffiziervorschulen; in Österreich-Ungarn die Militärrealschulen und in gewissem Sinne die Theresianische Militärakademie zu Wiener-Neustadt und die Kadettenschulen; in Frankreich das Prytanée militaire zu La Flèche, die École spéciale de Saint Cyr, die Polytechnische Schule zu Paris (teilweise) und die auf das System der Soldatenkinder gegründeten militär. Vorbereitungsschulen; in Rußland die Kadettencorps; in Italien die Militärkollegien und Nationalkonvikte. Zu 2 gehören: in Deutschland die Kriegsschulen (s. d.), die Selekta der Haupt-Kadettenanstalt und die Unteroffizierschulen; in Österreich-Ungarn die bereits unter 1 genannte Militärakademie und die Kadettenschulen, ferner (für die ungar. Landwehr) die Ludovika-Akademie und die Landwehroffizier-Aspirantenschulen; in Frankreich die Infanterieschule von St. Maixent, die Kavallerieschule von Saumur und die Artillerie- und Genieschule zu Versailles; in Rußland die Kriegsschulen und Junkerschulen sowie das Unteroffizier-Lehrbataillon; in Italien die Militärakademie zu Turin, die Militärschule zu Modena und die Unteroffizierschule zu Caserta; in England die Militärakademie zu Woolwick und das Militärkollegium (Royal Military College) zu Sandhurst; über die M. in der Türkei s. Osmanisches Reich, Heerwesen. (S. Kriegsschule.)

Die M. der dritten Klasse sind entweder Spezialschulen und bezwecken die Ausbildung einer bestimmten technischen Sonderrichtung oder die höhere Gesamtausbildung des Offiziers für die Verwendung in bevorzugten Stellungen, namentlich im Generalstab, weshalb Schulen dieser Art meist allgemein Generalstabsschulen genannt werden. Zu den Specialschulen gehören: in Deutschland die Infanterieschießschule, die Feld- und die Fußartillerieschießschule, die Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule, das Militärreitinstitut, die Militärturnanstalt, Oberfeuerwerkerschule, Festungsbauschule, Militärroßarztschule, Militärtelegraphenschule und die Lehrschmieden; in Österreich-Ungarn die Armeeschießschule zu Bruck an der Leitha, die Brigadeoffiziersschulen der Kavallerie, das Reitlehrerinstitut, der Fecht- und Turnlehrerkurs, Stabsoffizierkurs, Intendanzkurs, höhere Artillerie- und höhere Geniekurs; in Frankreich die Normalschießschule im Lager von Châlons und drei Regionalschießschulen in den Lagern von Châlons, Le Ruchard und La Valbonne, die Turn- und Fechtschule zu Joinville-le-Pont, die Offizierabteilung der Kavallerieschule von Saumur, die 1807 zu Metz errichtete, 1871 nach Fontainebleau verlegte Applikationsschule für Artillerie und Genie; in Rußland die Offizierschießschule, die Offizier-Artillerieschießschule, die Offizier-Kavallerieschule, die Michael-Artillerieakademie, die Nikolaus-Ingenieurakademie; in Italien die Infanterie-Centralschießschule zu Varma, die Artillerie-Centralschießschule zu Nettuno, die Kavallerieschule zu Pinerolo, die Artillerie- und Genieapplikationsschule in Turin und die Militärfechtschule zu Rom; in England das Department of Artillery Studies zu Woolwick für Artillerieoffiziere und die School of Military Engineering zu Chatham für Ingenieuroffiziere.

Über die Generalstabsschulen als die Spitze der militär. Fachschulen s. Generalstabsschulen. Über Garnisonschulen s. d. - An Marinebildungsanstalten sind zu nennen, für Deutschland: die Marineakademie (s. d.), Marineschule (s. d.) und Deckoffizierschule (s. d.); für Österreich-Ungarn: die Marineakademie in Fiume und Marineunterrealschule in Pola; für England: das königl. Marinecollege in Greenwich, die Marineakademie in Portsmouth und die Marineschule in Chiselhurst; für Italien: die Marineakademie in Livorno; für Frankreich: die Marineakademie in Brest; für Rußland: die Marineakademie in Petersburg und Marinejunkerschule in Nikolajew.

Militärstand, s. Militär.

Militärsteuer, s. Wehrsteuer.

Militärstrafgesetzbuch, das Gesetzbuch, welches über den Thatbestand der Militärverbrechen (s. d.), der militär. Vergehen und Disciplinarvergehen und die darauf gesetzten Strafen Bestimmungen trifft. Das jetzt im Deutschen Reich geltende datiert vom 20. Juni 1872 und hat Gesetzeskraft seit 1. Okt. 1872. Kommentare des M. von Bender (Cass. 1872), Harseim (Lpz. 1872), Hecker (Berl. 1877), Keller (2. Aufl., ebd. 1873), Koppmann, (2. Aufl., Nördl. 1885), Solms (3. Aufl., Berl. 1892), Weissenbach (Cass. 1873).

Militärstrafverfahren. Nach der Deutschen Reichsverfassung und dem Bündnisvertrag mit Bayern sowie der Konvention mit Württemberg vom 21. bis 25. Nov. 1870 ist der Rechtszustand in Deutschland betreffend das M. der, daß 1) in Württemberg die Militärstrafgerichtsordnung vom 20. Juli 1818, 2) in Bayern die Militärstrafgerichtsordnung vom 28. April und 27. Sept. 1872, ergänzt durch das Gesetz vom 18. Aug. 1879, 3) in den andern Staaten die preuß. Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845 und in Sachsen die fast ganz damit übereinstimmende Militärstrafgerichtsordnung vom 4. Nov. 1867 gilt. Die Militärstrafgerichte werden überall für jeden Fall besonders gebildet. Das Verfahren des im größern Teile Deutschlands herrschenden preußischen Militärstrafprozesses ist folgendes: die Militärgerichtsbarkeit zerfällt in eine höhere für höhere Straffällung als Gefängnis oder Arrest (Kriegsgerichte) und eine niedere (Standgerichte). Nach der Voruntersuchung ordnet der Gerichtsherr (bei Untersuchungen gegen Generale, Brigade- und Regimentscommandeure der König, für Korps-, Divisions- und Regimentsgerichte [s. die Einzelartikel] die betreffenden Commandeure) auf den Vortrag der Auditeure an, ob die förmliche Untersuchung zu eröffnen ist. Danach ist eine Einstellung des Verfahrens nicht mehr zulässig. Die Bestellung eines Verteidigers ist nur bei kriegsgerichtlichen Untersuchungssachen zulässig. Dem Verteidiger ist die Einsicht der Akten und die Unterredung mit dem Angeschuldigten in Gegenwart des Inquirenten gestattet. Die Verteidigung erfolgt schriftlich, die Verhandlung ist nicht öffentlich. Die Erkenntnisse der Kriegs- und Standgerichte bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Bestätigung des kompetenten Befehlshabers, d. h. je nach Verschiedenheit der Fälle des Kriegsministers, der kommandierenden Generale, Divisionscommandeure, in manchen Fällen auch des Königs. Der bestätigende Befehlshaber hat das Milderungsrecht, welches indessen weder bis zum Erlaß erkannter Strafen oder bis zur Umwandlung erkannter Strafen in andere ausgedehnt werden darf.