Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Naturforschung; Naturgas; Naturgeschichte; Naturgesetz; Naturgrenze; Naturheilkunde

203

Naturforschung - Naturheilkunde

statt. Von den Veröffentlichungen der Gesellschaft bestehen das Tageblatt, die wissenschaftlichen Verhandlungen sowie die Berichte des Vorstandes. – Vgl. Geschäftsbericht des Vorstandes der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte (Lpz. 1893).

Naturforschung, ein Begriff, der im Altertum mit dem der Naturphilosophie zusammenfiel, von dem er sich bei fortschreitender Erkenntnis der Natur immer weiter getrennt hat. Unter den Philosophen des Altertums sind es Aristoteles sowie Demokrit und die seinen Grundsätzen folgenden Epikureer, welche die gegenwärtige N. angebahnt haben, teils durch ihr Bestreben, die Wissenschaft ganz auf Beobachtung und Experiment zu gründen, teils durch ihre Verwerfung aller Erklärung aus Zweckursachen. Einen engern Zusammenhang hat unsere N. mit ihren Anfängen bei Demokrit beibehalten durch ihre Atomlehre (s. Atom).

Die heutige N., die durch Herausbildung einer verfeinerten Untersuchungstechnik gegen die Forschung der Alten einen unermeßlichen Vorsprung gewonnen hat, unterscheidet sich von der Naturphilosophie dadurch, daß sie sich auf eine möglichst breite Grundlage von Beobachtungen und Experimenten (s. d.) verläßt und alle Demonstrationen aus kosmologischen Grundsätzen und aprioristischen Annahmen ausschließt; ferner dadurch, daß sie sich auf die mechan. Erklärung aus Bewegungsursachen, wie Anziehung und Abstoßung, Ausdehnung und Zusammenziehung , Trennung und Verbindung unter den kleinsten Körperteilchen, beschränkt und daher alle geistigen und moralischen Wissensgebiete ausschließt. Weil die heutige N. sich überall auf den mathem. Kalkul der Mechanik zu stützen strebt, so sind die Begriffe einer nach mathem. Methode verfahrenden und einer exakten oder genauen Wissenschaft bei unsern Naturforschern identisch geworden.

Naturgas, das in verschiedenen Erdölbezirken aus dem Boden ausströmende Gas, das durch natürliche Gasentwicklung aus den unterirdischen Petroleumlagern entsteht und an einigen Stellen der Erde massenweise zu Tage tritt. In Amerika bestanden im J. 1890 in den Vereinigten Staaten 804 Gesellschaften, welche dieses Gas zu verschiedenen Zwecken verwerteten. Das größte Auftreten von N. findet bei Pittsburg in Pennsylvanien und in Ohio statt; man schätzt den jährlichen Verbrauch an N. in all diesen Distrikten auf 1290 Mill. cbm. Das N. besteht hauptsächlich aus Methan, Äthan und Wasserstoff und eignet sich in erster Linie zu Heizzwecken, wird aber auch durch Carburieren für Beleuchtungszwecke brauchbar. Da das N. in manchen Bezirken, wie z. B. in Marion (Indiana), mit 20‒30 Atmosphären Druck ausströmt, so wird dort die Expansionskraft des Gases zur Eisbereitung benutzt, ehe es zur weitern Verwendung gebracht wird. Ein mittlerer Gasbrunnen von täglich 46500 cbm Gasausbeute kann bei 20 Atmosphären Druck täglich 50 t Eis erzeugen.

Naturgeschichte, der zusammenfassende Ausdruck für die sog. beschreibenden Naturwissenschaften, d. h. die Lehre von den den Erdkörper zusammensetzenden Stoffen und den darauf lebenden Wesen. Jene bilden das unorganische, diese das organische Reich. Die unorganischen Körper bilden das Mineralreich, die organischen Körper zwei große Reiche, das Pflanzenreich und das Tierreich.

Mit dem Mineralreich befassen sich die Mineralogie, die die einzelnen Mineralkörper nach ihren physik. und chem. Eigenschaften kennen lehrt, und die Geognosie und Geologie, welche die Art und Weise darstellt, wie diese verschiedenen Körper zur Bildung der Erdrinde mitwirken. Mit dem Pflanzenreich beschäftigt sich die Botanik, mit dem Tierreich die Zoologie. Die Anatomie lehrt als Zootomie die Struktur des Tier- und als Phytotomie die des Pflanzenleibes, der einzelnen Organe und der sie zusammensetzenden Gewebteile kennen, als vergleichende Anatomie sucht sie nach den übereinstimmenden und unterscheidenden Verhältnissen im Bau der einzelnen Organe und Organgruppen des tierischen Leibes, als mikroskopische Anatomie oder Histologie untersucht sie den feinern und feinsten Bau der Organismen. Die Embryologie, Ontogenie oder Entwicklungsgeschichte (s. d.) verfolgt die Entstehung der organischen Individuen von dem Keime an bis zur vollendeten Ausbildung. Die Paläontologie oder Versteinerungskunde erforscht die organischen Körper, Pflanzen und Tiere, deren Spuren in den Schichten der Erde gefunden werden. Ihr letztes Ziel ist die Phylogenie oder Stammeskunde, die Erkenntnis der Formenreihen, die sich im Laufe der Erdgeschichte aus den Anfängen des organischen Lebens hervorgebildet haben. Die Physiologie macht uns mit den Funktionen des Gesamtorganismus, der einzelnen Organe und Gewebteile bekannt. Für die genannten Zweige braucht man auch in neuerer Zeit oft den gemeinsamen Ausdruck Biologie. Die beschreibende N. gipfelt in der Klassifikation, die den Zweck hat, die näher verwandten Individuen in größere und kleinere Gruppen (Kreise, Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen, Arten) zusammenzustellen und diese zu charakterisieren. Alle diese Wissenschaftszweige werden, so weit sie den Menschen vorzugsweise behandeln, auch unter dem Namen der Anthropologie zusammengefaßt.

Das Gebiet der N. ist demnach außerordentlich umfassend, und je mehr die Kenntnisse zugenommen haben, desto unmöglicher ist es für den Einzelnen geworden, alle Zweige zu beherrschen. Im Altertum glänzt in ihr fast nur ein einziger umfassender Geist, Aristoteles; Plinius war nur ein kritikloser Kompilator. Das Mittelalter beschäftigte sich fast nur mit Erläuterung des Aristoteles; die Renaissance mußte gegen die Fesseln ankämpfen, die theol. Fanatismus der Wissenschaft anlegte. Erst von der Mitte des 18. Jahrh. an datieren die Fortschritte, die aus den zerstreuten Kenntnissen wahrhafte, gegliederte Wissenschaften hervorgehen ließen. Die wahren Fundamente der Wissenschaft, auf denen alle Spätern fortbauten, legten für die Mineralogie Hauy und Mohs; für die Geologie Werner, Leopold von Buch und Lyell; für die Paläontologie Cuvier; für die Botanik Linné und die beiden Jussieu; für die Zoologie Linné, Cuvier, Geoffroy Saint-Hilaire und Darwin; für die Entwicklungsgeschichte Karl Ernst von Baer; für die Physiologie Harvey, Haller und Johannes Müller.

Naturgesetz, s. Gesetz.

Naturgrenze, s. Grenze.

Naturheilkunde, ein Heilsystem, welches sämtliche Krankheiten nur durch diätetische Behandlung und die methodische Anwendung des kalten Wassers zu heilen sucht. Unter den einseitigen Richtungen der Medizin hat die N. in neuerer Zeit insofern eine hervorragende Bedeutung gewonnen, als sie sich infolge eifriger Agitation durch Wort