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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Niederländische Sprache und Litteratur

lose Leute, meist aus dem Handwerkerstande, traten zu besondern religiösen, halb klösterlichen Vereinen zusammen unter dem Namen der Begharden und Beghinen (s. d.), die sich auch dem bis dahin so gut wie nicht vorhandenen Elementarschulwesen widmeten. In dieser letztern Bestrebung begegneten ihnen die neu entstandenen Bettelorden. Noch bedeutendern Einfluß erlangten in dieser Beziehung seit dem 14. Jahrh. die Brüder des gemeinsamen Lebens (s. d.), die ebensowohl für die Bedürfnisse der Armen, für den Elementarunterricht der Jugend wie für die gelehrte Bildung sorgten. Eine Reihe der bedeutendsten Gelehrten (wie Rud. Agricola und Erasmus von Rotterdam) gingen aus diesen Schulen hervor, verpflanzten das in Italien eben erwachte Studium der klassischen Litteratur über die Alpen herüber und bahnten der Reformation die Wege. (Vgl. Cramer, Geschichte der Erziehung und des Unterrichts in den Niederlanden während des Mittelalters, Strals. 1843.) Seit dem Reformationszeitalter knüpfte sich auch in den Niederlanden der Fortschritt der Wissenschaften wesentlich an die Universitäten, unter denen die zu Löwen und zu Leiden den obersten Rang behaupteten. Die Universität zu Löwen zeichnete sich aus durch Pflege der klassischen Litteratur und durch starres Festhalten an den Satzungen der kath. Kirche. Die Universität zu Leiden dagegen (gestiftet 8. Febr. 1575) teilte mit der Löwener nur die rege Förderung der klassischen Studien, während sie sonst als Vertreterin des holländ.-prot. Geistes zu ihr im schroffsten Gegensatz stand.

Die Geschichtschreibung fand in den Niederlanden eifrige, aber fast ausschließlich auf die Heimat beschränkte Pflege. Der chronikartigen Aufzeichnung entwuchs sie erst mit den Freiheitskriegen. Noch der Übergangszeit gehören an die umfänglichen Werke von Aubertus Miräus (La Mire), Sanders, Butkens, Pontus de Heuter (Heuterus, 1535‒1602), van der Haer (Haräus, gest. 1632) u. a., sämtlich vom kath. oder auch span. Standpunkte aus geschrieben. Höher schon erhebt sich durch Unparteilichkeit und gewandtere Darstellung Burgundius. In den nördl. Provinzen gingen drei bedeutende Sammler vorauf: Bor, van Meteren und van Reyd. Auf diese Vorarbeiten und eigene Forschungen baute Hoost seine «Nederlandsche historien» (1640), ein noch jetzt als klassisch geltendes Werk. Diesem zunächst stehen des Hugo Grotius «Annales et historiae de rebus Belgicis» (1657) und die histor. Werke des bedeutendsten Geschichtsforschers der Friesen, Ubbo Emmius. In gefälligem, aber auch breitem Stile schrieb dann Brandt seine «Geschichte der niederländ. Reformation» (4 Bde., Amsterd. 1671‒74), eine Lebensbeschreibung des Admirals de Ruyter (1687) und zwei ausführliche Biographien von Hooft und Vondel. Valckeniers «Verwirrtes Europa» erzählt in breitester Ausführlichkeit die Ereignisse der J. 1672‒74, und der Friese Lieuwe van Aitzema füllte mit der Beschreibung des Zeitraums 1621‒68 gar 14 Quartanten. Ebenfalls nur wenig bedeutende Forscher waren van Loon, der Begründer der niederländ. Münzkunde, van Mieris, Jean Le Clercq (Clericus), dessen Sohn Peter und der Belgier van der Vynckt. Erst Wagenaar lieferte wiederum ein achtungswertes Geschichtswerk: «Vaderlandsche Historie» (21 Bde., 1750 fg.), ward jedoch noch weit übertroffen durch Stijl, der zuerst mit Glück eine philos. Behandlung der Geschichte versuchte in seinem «Oopkomst en bloei der Vereenigde Nederlanden» (1774). Einzelne Abschnitte der vaterländischen Geschichte bearbeiteten ferner te Water, Meermann, Engelbert und Scheltema. Kluit schrieb außer der gelehrten «Historia critica comitatus Hollandiae et Zeelandiae» (4 Bde., 1777) auch eine tief in die innern Verhältnisse dringende «Historie der Hollandsche staatsregeering» (5 Bde., 1802‒5). Van Kampen erzählte die vaterländische Geschichte in gefälliger Form, Bilderdijk beschrieb sie einseitig, aber selbständig. Inzwischen hatte der Reichsarchivar H. van Wijn durch seine gründlichen kritischen Forschungen über das mittelalterliche Leben einen neuen Anstoß gegeben, welcher besonders in den mehrfachen, seitdem erschienenen Urkundensammlungen und auf Urkundenforschung gestützten Werken eines J. C. de Jonge, Nijhoff, van den Bergh, Sloet u.a. zu Tage tritt. Besondere Hervorhebung verdient Groen van Prinsterers «Archives, ou correspondance inédite de la maison d’Orange-Naussau» (15 Bde., Leid. und Utr. 1835‒62). Ein Meister der histor. Kritik war der ebenso gründliche wie vielseitige Reichsarchivar Bakhuizen van den Brink. Ausgezeichnet als Forscher ist R. Fruin, dessen Hauptwerk «Tien jaren uit den Tachtigjarigen Oorlog» (4. Aufl., Haag 1889) auch in der Darstellung als musterhaft anerkannt wird. Neben ihm verdienen genannt zu werden Petrus Johannes Blok, Theod. Jorissen, dessen «Historische Bladen» (4 Bde.) nach seinem Tode (1889) außerordentlichen Erfolg hatten, Nuijens, der Verfasser einer vaterländischen Geschichte vom kath. Standpunkte, und D. C. Nijhoff, der die erste polit. Geschichte der Niederlande verfaßte (2 Bde., Zütphen 1891 fg.). Das bedeutendste Werk über die Niederländer in den Kolonien ist J. K. J. de Jonges «Opkomst van het Nederlandsch gezag in Oost-Indië» (10 Bde., Amsterd. 1862‒78). Stuart schrieb eine röm. Geschichte bis auf Konstantin d. Gr. (30 Bde., Utr. und Amsterd. 1792 fg.), Dozy eine vortreffliche «Histoire des musulmans d’Espagne» (4 Bde., Leid. 1861), Ysbrand van Hamelsveld eine von Ypey fortgesetzte allgemeine Kirchengeschichte (26 Bde., Haarl. 1799‒1816), und die Professoren Kist und Royaards begründeten 1829 eine gehaltvolle kirchenhistor. Zeitschrift («Archief voor kerkelijke geschiedenis»). In neuerer Zeit haben sich W. Moll und de Hoop Scheffer in Amsterdam, wie auch Acquoy und Wijbrands in Leiden als treffliche Kirchenhistoriker bekundet.

Auch auf dem Gebiete der Biographie und Litteraturgeschichte haben die Niederländer Tüchtiges geleistet, wie schon die Werke von G. J. Voß und das noch heute wertvolle biogr. Lexikon «Onomaticon literarium» (8 Bde., Utr. 1775‒1803) von Saxe zeigen. Auf die Heimat beschränkten sich Andreas («Bibliotheca Belgica», Löwen 1623‒43), Sweerts «Athenae Belgicae», Antw. 1628), Foppens («Bibliotheca Belgica», 2 Bde., Brüss. 1739), Paquot («Mémoires pour servir à l’histoire littéraire des Pays-Bas, de la principauté de Liége et de quelques contrées voisines», 3 Bde., Löwen 1763‒70), Witsen Geysbeek («Biographisch en critisch woordenboek van Nederlandsche dichters», 6 Bde., Amsterd. 1821‒27), van der Aa («Nieuw biografisch en critisch woordenboek van Nederlandsche dichters», 3 Bde., ebd. 1844, nebst dem trefflichen «Biographisch woordenboek der Nederlanden», 21 Bde., Haarl. 1851‒78) und das «Biographische woordenboek der Noord- en