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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Niederländische Sprache und Litteratur

B. H. Lulofs und Bilderdijks Schüler und Lobredner: Isaak da Costa. Eine Bereicherung brachte Jac. van Lennep der niederländ. Litteratur, indem er, angeregt durch Byron und Walter Scott, die Romantik einführte und den falschen franz. Klassicismus durch seine vaterländischen Dichtungen zurückdrängte. Am nächsten stehen ihm A. Bogaers («De Togt van Heemskerk naar Gibraltar», 1837; «Balladen en Romancen», 1846 u. s. w.), H. A. Meyer («De Boekanier», 1840 u. s. w.), B. ter Haar («De St. Paulus Rots», 1847 u. s.w.), N. Beets («José», «Guy de Vlaming» u. a.). Sonst haben sich in der poet. Erzählung und als Lyriker ausgezeichnet: Ten Kate, Potgieter, De Bull, Hofdijk, Alberdingk Thijm und Schaepman. Höchst originell sind die hauptsächlich epigrammatischen Gedichte De Genestets. Im Volks- und Kinderliede leisteten Heije und Goeverneur Vortreffliches. Im Drama haben sich Bilderdijk, Loosjes, Feith und in neuerer Zeit P. T. H. van den Bergh, Schimmel, Hofdijk, Jac. van Lennep, D. Dekker, van Heyst, Emants, van Maurik u. a. versucht. Seit 1880 ist für die niederländ. Poesie eine neue Ära angebrochen. Nachdem die feinsinnige, hoch begabte Hélène Swarth, der früh gestorbene Jacques Perk mit seinen meisterhaften Sonetten und J. Winkler Prins mit seinen Naturschilderungen mit dem Konventionellen gebrochen hatten, wurde von einigen jungen Amsterdamern, wie Kloos, Verwey, Van Eden, Gorter u. s. w., eine neue Zeitschrift «De Nieuwe Gids» gegründet, die sich an die Spitze der neuen Bewegung stellte. Sie suchen neue Bilder, neue Gedanken, neue Worte und haben schon Treffliches geleistet.

Die Prosa wurde zuerst wieder erhoben durch Justus van Effen (gest. 1735) in seinem «Hollandsche Spectator» (1731‒35), einer belehrenden Wochenschrift nach dem Muster des engl. «Spectator». Gegen Ende des 18. Jahrh. zeichneten sich auf dem Gebiete des Romans aus: Elisabeth Bekker und Agathe Deken, die in ihren Sittenschilderungen viel Talent bekundeten. Der Humorist Arend Fokke Simons (gest. 1812) verspottete im «Modernen Helikon» geistreich die Sentimentalität und parodierte in seiner «Boertige reis door Europa» und in «Het hoekje van den haard» witzig die Geschichte von Frankreich und England. Anfang des 19. Jahrh. machten sich außer manchen der bereits genannten Geschichtschreiber besonders van der Palm, Borger und Siegenbeek um die Prosa verdient. Doch vermochte sich der Stil von einer gewissen schulmäßigen Rhetorik nicht eher loszumachen, bis der freisinnige Humanist Geel ihm zu größerer Freiheit verhalf und van Lennep seine Romane in einer Sprache schrieb, die gebildet und volksmäßig zugleich ist. Letzterm stehen als Romanschriftsteller am nächsten: Oltmans (pseudonym van den Hage, gest. 1854), der Verfasser von «Het slot Loevenstein» und «De schaapherder», die begabte Bosboom-Toussaint («Het huis Lauernesse», «Leycester in Nederland», «Het huis te Honselaarsdijk», «Graaf Pepoli» u. a.), L. Mulder («Jan Faessen») und Adele Opzoomer (pseudonym A. S. C. Wallis), Verfasserin von «In dagen van strijd», «Vorstengunst». Der Dichter N. Beets (pseudonym Hildebrand) lieferte in seiner von Humor und Witz sprudelnden «Camera obscura» (1839) eine Reihe von Skizzen und Erzählungen aus dem holländ. Leben. Unter seinen Nachahmern sind bemerkenswert: van Koetsveld («Schetsen nit de pastory te Mastland») und Cremer durch seine «Betuwsche Novellen». Als Humoristen haben sich van Limburg-Brouwer, der, außer seinen Romanen aus dem altgriech. Leben, «Het leesgezelschap te Diepenbeek», ein satirisch-humoristisches Werk, hinterließ, M. P. Lindo (pseudonym De oude Heer Smits) und Vitringa bewährt. Eine nicht unwichtige Abteilung der neuern niederländ. Litteratur bilden die Skizzen aus dem Leben und den Zuständen in Ostindien, die Reiseberichte u. s. w., unter denen «Max Havelaar» von E. D. Dekker (Multatuli) hervorragt. Neben ihm haben Rühmenswertes geleistet: der heitere Erzähler W. A. van Rees («Herinneringen uit de loopbaan van een Indisch officier», 1863 u. s. w.), J. ten Brink, Heering u. a. Sonst haben sich als Prosaisten noch C. W. Opzoomer, S. Gorter, C. Busken Huet, Vosmaer, Vissering, Veth, A. Pierson, G. Keller, der Dichter ter Haar, Knoop und J. Bosscha ausgezeichnet. ^[Spaltenwechsel]

Seit 1880 hat «Jung Holland» sich auch der Prosa bemächtigt und ihr neue Wege eröffnet. Frans Netscher, Alberdingk Thijm (pseudonym L. van Deyssel), J. van Looy, van Groeningen und zumal Louis Couperus haben sich, Zola zum Vorbild nehmend, dem Alltagsleben zugewandt und in malerischem Stil Stimmungsbilder oder psychol. Studien geliefert, die zu dem Besten der neuern niederländ. Litteratur gehören. Zu ihnen rechnet man auch Nouhuys, dessen Dramen jetzt ins Deutsche übersetzt werden (z. B. «Goldfischchen»).

Besonders erfolgreich war schon frühzeitig die Thätigkeit der Niederländer auf mehrern Gebieten der wissenschaftlichen Litteratur. Die älteste Schule und für die nördl. Niederlande lange Zeit die einzige von Bedeutung, schloß sich an den Bischofssitz zu Utrecht. In den südl. Niederlanden zeichnete sich im 9. Jahrh. vornehmlich aus die Klosterschule zu St.Amand oder Elno in Flandern, wo Hucbald (gest. 930), der vermeintliche Verfasser des «Ludwigsliedes», die Harmonie für die mehrstimmige Musik begründete. Die Kathedralschule St. Lamberti zu Lüttich erhob sich besonders nach der Mitte des 11. Jahrh. unter den Bischöfen Ratherius (953‒956), Everallus (959‒972), Notker und Wako (1042‒48) zu hoher Blüte. Neben der Kathedralschule blühten zu Lüttich noch die Klosterschulen zu St. Jakob, St. Laurentius und St. Bartholomäus. Überhaupt herrschte während des 11. Jahrh. das regste geistige Leben in den südniederländ. Klosterschulen, wie namentlich zu Laubes oder Lobbes in der Diöcese Cambrai, zu Andain in den Ardennen, zu Stablo unfern Lüttich und zu Gembloux in Brabant. Im 12. Jahrh. blühten noch die Klosterschulen von St. Bertin zu St. Omer und St. Martin zu Tournai, obschon im allgemeinen um diese Zeit Zucht und Schulwesen in den Klöstern bereits verfallen waren. Seit dieser Zeit wurden die Klosterschulen mehr und mehr verdrängt von den Domschulen, die überdies auch den Laien zugänglich waren und besonders vom Adel stark besucht wurden; so die zu Mecheln und die zu Doornik.

Die berühmtesten ausländischen Bildungsanstalten wurden so stark besucht, daß die Flanderer eine eigene Nation bildeten an der Rechtsschule zu Bologna und ebenso die Flanderer und Brabanter an der Universität zu Paris. Ende des 13. Jahrh. ging nun aus der Bürgerschaft eine Reaktion hervor. Die flandr. Städte zuerst erkämpften sich das Patronatsrecht über die Schulen, das bisher allein in den Händen der Geistlichkeit gelegen hatte, und ehe- ^[folgende Seite]