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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Osmanisches Reich (Geschichte)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Osmanisches Reich (Geschichte)'

zu einem neuen Krieg mit Österreich. Suleiman machte ganz Ungarn bis gegen Ofen, Stuhlweißenburg und Gran zur türk. Provinz. Die Kämpfe 1551–62 wurden um den Besitz Siebenbürgens geführt, das Suleiman unterworfen blieb. Nicht minder erfolgreich waren seine sonstigen Unternehmungen. 1522 entriß er den Johanniterrittern das heldenmütig verteidigte Rhodus, seine Admirale Cheir eddin und Horuk erwarben ihm die Oberherrschaft über die Barbareskenstaaten und eroberten mehrere Seefestungen der Venetianer im Archipel. Die Raubzüge türk. Flotten verbreiteten Schrecken an allen Küsten des Mittelmeers bis nach Spanien, nicht minder ostwärts im Indischen Ocean. Nur Korfu und Malta, jenes von den Venetianern, dieses von den Johanniterrittern verteidigt, widerstanden siegreich allen Angriffen. Suleiman starb 1566 auf einer Expedition nach Ungarn vor dem von Zrinyi (s. d.) heldenmütig verteidigten Sziget. Seine Regierung bezeichnet neben der höchsten Blüte den Wendepunkt in der osman. Geschichte, denn von ihm an datiert die Abschließung der Prinzen vom Verkehr mit der Außenwelt, infolge deren es ihnen später an Kenntnissen und Einfluß fehlt. Um so mehr aber steigt die Macht der Großwesire; Günstlings- und Haremswirtschaft nehmen überhand, und die Thronfolge wird immer mehr von der Willkür der Ulemas und Janitscharen abhängig. Sein Sohn, Selim II. (1566–74), war ein energieloser Weichling, der zwar den Venetianern Cypern entriß und das Herzogtum Naxos (s. d.) eroberte, aber auch in der Schlacht von Lepanto (s. d.) 7. Okt. 1571 durch Don Juan d'Austria die erste große Niederlage erlitt, die den Ruf der Unbesieglichkeit der türk. Waffen erschütterte. Der eigentliche Regent des Reichs war sowohl unter ihm als auch während der ersten Zeit der Regierung seines Sohnes Murad III. (1574–95) der Großwesir Mohammed Sokolli, der die Geschäfte mit großer Kraft und Gewandtheit führte, bis er 1579 ermordet wurde. Die nach seinem Tode gegen Österreich und Persien geführten Kriege verliefen freilich noch im allgemeinen günstig, indem Kars, Eriwan und Aserbeidschan erobert wurden, im Innern nahm jedoch die Zuchtlosigkeit der Janitscharen schon einen bedenklichen Charakter an. Auf Murad folgte sein Sohn, Mohammed III. (1595–1603), der 1596 selbst an der Spitze seines Heers nach Ungarn zog, wo er Erlau und Stuhlweißenburg zwar eroberte, aber einen weit hartnäckigern Widerstand fand als seine Vorgänger. Auch im Osten waren die Verhältnisse schwieriger geworden. Die Perser erhoben sich unter dem gewaltigen Schah Abbâs I. (s. d.) und suchten die verlorenen Provinzen zurückzuerobern. Mohammeds Sohn und Nachfolger, Achmed I. (1603–17), bestieg den Thron 15 J. alt und schloß mit Österreich 1606 den ungünstigen Frieden von Sitvatörök, um gegen Persien freie Hand zu gewinnen. Aber auch hier mußte er im Frieden von 1612 mehrere Landstriche zurückgeben. Nach Achmeds Tode bestieg 1617 sein blödsinniger Bruder, Mustapha I., den Thron, der kaum nach Jahresfrist wieder abgesetzt wurde, worauf Achmeds ältester Sohn, Osman II. (1618–22), 12 J. alt, anfangs unter der Leitung des Diwan, nach zwei Jahren aber selbständig die Regierung übernahm. Volk und Janitscharen waren gleich unzufrieden mit ihm, Aufstände brachen aus, und nach vierjähriger Regierung wurde er ermordet. Nachdem der blödsinnige Mustapha auf ein paar Monate wieder auf den Thron ↔ gesetzt war, folgte Osmans zwölfjähriger Bruder, Murad IV. (1623–40), anfangs unter der Vormundschaft seiner Mutter, aber schon nach drei Jahren selbständig. Unter seiner tüchtigen, aber grausamen Herrschaft hob sich der Glanz der türk. Waffen wieder; er unternahm zwei Feldzüge gegen die Perser, die Georgien, Armenien und Bagdad erobert hatten, und nahm ihnen Bagdad wieder ab. Er starb kinderlos 29 J. alt. Ihm folgte sein Bruder, Ibrahim I. (1640–48), der 1645 einen Krieg gegen die Venetianer um den Besitz von Kreta begann, dessen Ausgang er nicht mehr erlebte, da er 1648 von den Janitscharen abgesetzt und hingerichtet wurde.

Unter traurigen Verhältnissen bestieg Ibrahims siebenjähriger Sohn, Mohammed IV. (1648–87), den Thron. Seine Großmutter Mahpeiker Kössem, die Mutter dreier Sultane, und seine Mutter Tarchan stritten sich um den Einfluß, während die Venetianer (1656) vor den Dardanellen erschienen und über die großherrliche Flotte einen glänzenden Sieg (6. Juli) davontrugen. In dieser bedrängten Lage ergriff der 75jährige Mehemed Kjöprili (s. d.) die Leitung der Regierung, und eine Reihe von bedeutenden Großwesiren folgte ihm, die den Verfall des O. R.s noch für einige Zeit aufhielten. Kjöprili vertrieb die Flotte der Venetianer vom Hellespont und stellte mit rücksichtsloser Grausamkeit die Ruhe und Ordnung im Innern des Reichs her. Ihm folgte als Großwesir 1661 sein Sohn Achmed, der 15 Jahre lang die Geschäfte leitete und sich ebenso sehr durch Milde auszeichnete wie sein Vater durch blutdürstige Härte. Eine Intervention der Österreicher in Siebenbürgen rief ihn 1662 nach Ungarn, wo ihm Montecuccoli bei St. Gotthard an der Raab (1. Aug. 1664) eine empfindliche Niederlage beibrachte; dennoch aber gewann er mehrere Festungen, von denen Neuhäusel beim Friedensschluß von Vasvar (10. Aug. 1664) im Besitz der Türkei blieb. In den folgenden Jahren brachte der Großwesir Kreta, damals den Venetianern gehörig, unter die Botmäßigkeit der Pforte. Ein Aufstand der Kosaken, für die Kjöprili gegen ihre poln. Herren Partei nahm, rief einen Krieg mit Polen hervor, der Johann III. Sobieski nötigte, durch Abtretung Podoliens und eines Teils der Ukraine den Frieden von Zurawna (26. Okt. 1676) zu erkaufen. Achmed Kjöprilis Tod in demselben Jahre setzte dem Regierungsglück des schwachen und unfähigen Mohammed IV. ein Ziel. Der Kosakenhetman der Ukraine warf sich, nach völliger Unabhängigkeit strebend, den Russen in die Arme und wurde so die Ursache zu den verhängnisvollen Berührungen der Pforte mit Rußland. Zar Feodor III. schlug die Türken in drei aufeinander folgenden Feldzügen und zwang sie durch den Friedensschluß zu Radzin 1681 zu bedeutenden Abtretungen auf dem linken Dnjestrufer.

Im Einverständnis mit Ludwig XIV. unterstützte Kara Mustapha (s. d.), der nach Achmed Kjöprilis Tod Großwesir geworden war, den Aufstand des ungar. Grafen Tököly gegen die österr. Herrschaft. Tököly wurde von dem Sultan 1683 zum König von Mittelungarn ernannt, und noch in demselben Jahre erschien eine große türk. Armee vor Wien, die jedoch nach etwa zweimonatiger Belagerung zum Abzug gezwungen und von den verfolgenden Deutschen und Polen noch zweimal auf ungar. Boden geschlagen wurde. Während Sobieski in die Moldau und Walachei eindrang und die Venetianer und Malteserritter Morea eroberten, Dalma-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 682.