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Osman Nuri Pascha Ghazi – Osmazom
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Osmanisches Reich (Geschichte)'
Gefährlicher noch für das Bestehen des Reichs waren die Nachwirkungen dieser Ereignisse in der Hauptstadt. Der Sultan Abd ul-Hamid II.
hatte die zahlreichen Schäden der Beamtenwirtschaft der habgierigen und unfähigen Stambuler Effendis richtig erkannt und suchte daher nach
und nach alle Fäden der Regierung in seiner Hand zu vereinigen. So trat an die Stelle der Beamtenherrschaft allmählich das Regiment einer
Hofcamarilla, die sich auf eine sich über das ganze Reich erstreckende Spionage stützte. Als nun im Herbst 1895 infolge des armenischen
Aufstandes die Großmächte auf der Einführung von Reformen bestanden und ihre Flotten sich drohend im Ägäischen Meere zeigten, da mußte
der erst im Juni 1895 ans Ruder gekommene Großwesir Said Pascha im Oktober seine Entlassung nehmen. An seine Stelle trat der
altbewährte Kiamil Pascha, der alsbald die Wiederherstellung seiner Amtsbefugnisse in ihrem alten Umfang und Beseitigung des höfischen
Einflusses auf die Reichspolitik verlangte. Dadurch erregte er den höchsten Zorn des Sultans, so daß er nach noch nicht vierwöchiger
Amtsführung entsetzt wurde. Sein Nachfolger wurde Halil Rifaat Pascha; der wahre Regent aber blieb der fast allein noch herrschende
Kammerherr Izat Bei. Die Abneigung gegen das Palastregiment war aber nicht allein in Beamtenkreisen lebendig, sondern teilte sich auch den
breitern Volksschichten mit und veranlaßte die Bildung eines jungtürk. Komitees, das die Wiederaufrichtung der von Midhat Pascha 1876/77
eingeführten, aber alsbald wieder abgeschafften Repräsentativverfassung anstrebte. Daneben suchten die armenischen Revolutionskomitees
durch immer neue Putsche das Einschreiten der Großmächte herbeizuführen. Eine Massendemonstration, die die Armenier 30. Juni 1895 in
Konstantinopel veranstalteten, wurde ohne Blutvergießen unterdrückt. Blutiger verlief eine zweite Demonstration 30. Sept., wobei mehrere
Hundert Armenier getötet wurden, doch wurde das Asylrecht der Kirchen gewahrt. Ihren Gipfel erreichten die Greuelthaten jedoch 28. Aug.
1896. Nachdem sich armenische Revolutionäre der Ottomanischen Bank in Konstantinopel bemächtigt und Dynamitbomben gegen ihre
Gegner geschleudert hatten, wendete sich die Wut des fanatisierten mohammed. Pöbels gegen alle Armenier, von denen Tausende
erschlagen und ertränkt wurden. Seitdem ist zwar die Ruhe wieder hergestellt, doch bergen die Zustände des O. R. Zündstoff genug in sich,
der früher oder später zu neuen Explosionen führen muß.
Litteratur zur Geschichte. Außer den Werken von Hammer-Purgstall (s. d.):
Zinkeisen, Geschichte des O. R.s in Europa (7 Bde., Gotha 1840–63); Eichmann, Die Reformen des O. R.s (Berl. 1858); Ubicini,
Letters on Turkey (2 Bde., Lond. 1856); Aktenstücke zur orient. Frage (hg. von Jasmund, 2 Bde., Berl.
1855–56); Rosen, Geschichte der Türkei von dem Siege der Reform im J. 1826 bis zum Pariser Traktat von 1856 (2 Bde., Lpz. 1866–67); von
Moltke, Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den J. 1835–39 (Berl. 1841; 5. Aufl. 1891); Schmeidler, Geschichte des O.
R.s im letzten Jahrzehnt (Lpz. 1875); Rüstow, Der Krieg in der Türkei. Zustände und Ereignisse auf der Balkanhalbinsel 1875 und 1876 (Zür.
1876–77); Stambul und das moderne Türkentum (Lpz. 1877; Neue Folge 1878); Millingen (Osman Seify Pascha),
La Turquie sous la règne d’Abd ul-Aziz (Brüss. 1868); W. Müller, Die orient. Krisis in den
↔ J. 1875–77 (im «Histor. Taschenbuch», Lpz. 1877); Creasy,
History of he Ottoman Turks (Lond. 1856; 2. Aufl. 1877); Hertzberg, Geschichte der Byzantiner und des
O. R.s bis gegen Ende des 16. Jahrh. (Berl. 1883); de la Jonquière, Histoire de l’Empire ottoman (Par.
1881); Engelhardt, La Turquie et le Tanzimat ou histoire des réformes dans l’empire ottoman depuis 1826
(2 Bde., ebd. 1882–83); Testa, Recueil des traités de la Porte Ottomane avec les puissances étrangères
(8 Bde., ebd. 1864–94).
Osman Nuri Pascha Ghazi, türk. General, geb. 1837 zu Amasia in Kleinasien, besuchte seit 1850 die türk.
Militärakademie (Harbije-Mekteb) zu Konstantinopel, trat 1854 als Unterlieutenant in die Kavallerie, nahm 1855 an den Gefechten bei Eupatoria
und danach an dem Zuge Omer Paschas an der abchasischen Küste teil. Nachdem er 1860 an der Niederwerfung des Drusenaufstandes und
1867 an der Bekämpfung der Unruhen in Kreta beteiligt gewesen war, wurde er als Oberstlieutenant und Bei in den Generalstab versetzt. 1871
wurde er Oberst und nahm unter Redif Pascha an dem Feldzuge in Jemen teil, wurde 1874 Brigadegeneral (Liwa) und kehrte im Spätherbst
1875 mit dem Range eines Divisionsgenerals (Ferik) und Pascha nach Konstantinopel zurück, um bald darauf das Kommando eines Korps,
das bei Vidin versammelt wurde, gegen Serbien zu übernehmen. Mit diesem zeichnete er sich in den Kämpfen bei Iswor Sommer 1876 so aus,
daß er zum Marschall (Muschir) erhoben wurde. Im Russisch-Türkischen Kriege schlug er 20. Juli 1877 einen russ. Angriff auf Plevna mit
starkem Verlust für den Gegner zurück. Hierauf befestigte er die Stellung bei Plevna (s. d.), schlug 30. und 31. Juli sowie
im September mehrere russ. Angriffe blutig ab, mußte aber 10. Dez. 1877 wegen Mangel an Proviant kapitulieren, nachdem er vorher versucht
hatte, die russ. Stellung auf dem linken Vidufer bei Dolnij-Netropol zu durchbrechen, wobei er selbst schwer verwundet wurde. O. wurde
kriegsgefangen nach Rußland abgeführt und kehrte erst nach Abschluß des Friedens von San Stefano im April 1878 nach Konstantinopel
zurück, wo ihm die Reorganisation der drei aus den Trümmern des Heers formierten Armeekorps übertragen wurde. Der Titel Ghazi (d. i.
Glaubensheld) wurde O. nach den siegreichen Kämpfen Ende Juli 1877 verliehen. Seitdem stand er mit einer einzigen Unterbrechung von
wenigen Wochen, im Frühjahr 1880, unausgesetzt dem türk. Heerwesen als Seraskier (Kriegsminister) und der Umgebung des Sultans als
Palastmarschall vor, bis er 1885 aus der Stellung des Kriegsministers schied; doch blieb er weiter in der des Palastmarschalls.
Osmanpazar (spr. -sahr), Stadt im bulgar. Kreis Šumen, auf einem Plateau 629 m ü. d. M.
gelegen, mit 3755 E., meist Türken, ist wichtig als Straßenknotenpunkt für die östl. Balkanpässe.
Osmazom (vom grch. osme, Geruch, und
zomós, Fleischbrühe), gänzlich veralteter Name, den die franz. Chemiker, insbesondere Thénard, dem
Inbegriff der in Weingeist und Wasser löslichen Substanzen erteilten, der als fleischbrühähnlich schmeckendes und riechendes Extrakt
erhalten wird, wenn man tierische Substanzen, besonders Fleisch, mit Wasser auskocht, aus dem Dekokt den Leim mit Weingeist
niederschlägt und die Flüssigkeit abdampft. Es besteht nach Liebig aus Salzen und verschiedenen Substanzen, wie Kreatin, Kreatinin,
Inosinsäure, Car-
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 689.