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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Österr.-Ungarische Monarchie (Gerichtswesen. Unterrichtswesen. Kirchenwesen)

Die gemeinsame Staatsschuld betrug 1. Jan. 1895 ohne die Staatsnoten 2757,62 Mill. Fl., davon konsolidierte Schuld 2704,45, Schuld der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder (Österreich) 1274,07, beide zusammen sonach 4031,74 Mill. Fl. Die Grundentlastungsschuld der Kronländer, für welche der österr. Staat garantiert, ist bis auf den Betrag von 1,03 Mill. Fl. bereits getilgt. Die gemeinsame schwebende Schuld betrug 1. Jan. 1895: 38,6 Mill. Fl. in Partial-Hypothekaranweisungen (Salinenscheinen) und 303,3 Mill. Fl. in Staatsnoten, zusammen sonach 341,91 Mill. Fl. Die rein ungar. Staatsschuld betrug Anfang 1894: 2302,34 Mill. Fl., worin die ungar. Grundentlastungsschuld von 197,53 Mill. Fl. inbegriffen ist. Die Zinsen der Staatsschuld betragen für Österreich 104,79, für Ungarn 120,94 Mill. Fl.

Gerichtswesen. I. Österreich. Die Rechtspflege ist in der Monarchie von der Verwaltung getrennt und wird in Österreich gehandhabt in der ersten Instanz von 930 Bezirksgerichten (Einzelrichter) und 71 Gerichtshöfen (Kollegialgerichte und zwar 15 Landes-, 53 Kreis- und 3 Handelsgerichte), in der zweiten Instanz von 9 Oberlandesgerichten (in Wien, Graz, Triest, Innsbruck, Zara, Prag, Brünn, Krakau, Lemberg) und in dritter Instanz vom Obersten Gerichts- und Kassationshof in Wien. Außerdem bestehen in Wien noch der Staatsgerichtshof zur Entscheidung von Ministeranklagen auf Grund des Ministerverantwortlichkeitsgesetzes, das Reichsgericht zur Entscheidung von Streitigkeiten öffentlichen Rechts und von Kompetenzkonflikten, und der Verwaltungsgerichtshof zur obersten Entscheidung in Verwaltungssachen. Im Gebiet der gesamten Ö. M. gilt das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (s. d.). Das Gefängniswesen steht unter den Staatsanwaltschaften und dem Justizministerium.

II. In Ungarn wird die Rechtspflege gehandhabt in erster Instanz von 65 königl. Gerichtshöfen und den ihnen unterstehenden 385 Bezirksgerichten; in zweiter Instanz von den königl. Gerichtstafeln in Budapest, Debreczin, Fünfkirchen, Großwardein, Kaschau, Klausenburg, Maros-Vásárhely, Preßburg, Raab, Szegedin und Temesvár; in dritter Instanz von der königl. Kurie in Budapest. Ferner besteht ein Handels- und Wechselgericht in Budapest, ein Seegericht in Fiume, ein oberstes Disciplinargericht und ein Centralgrundbuchamt in Budapest.

Über das Gerichtswesen in Kroatien s. d.

Heerwesen. Über Heer, Marine und Festungen s. Österreichisch-Ungarisches Heerwesen und Österreichisch-Ungarisches Festungssystem.

Unterrichtswesen. 1890 konnten von der männlichen Bevölkerung in Österreich 27,77, in Ungarn 40,42, von der weiblichen in Österreich 31,08, in Ungarn 50,18 Proz. weder lesen noch schreiben.

Die Zahl der Volksschulen betrug (1894) in Österreich 18182, mit den Privatschulen 19146, in Ungarn und Kroatien (1893) 18310 mit 68038 und 27990 Lehrern sowie 3312530 und 2314831 Schülern (87 und 79,19 Proz. der schulpflichtigen Kinder). Für die Ausbildung der Volksschullehrer und -Lehrerinnen sorgen Lehrerbildungsanstalten (1894: 46 und 56) und Lehrerinnenbildungsanstalten (31 und 17). Neben den Volksschulen gab es (1891) noch 17 und 8 Taubstummenanstalten mit 1494 und 365 Zöglingen sowie 10 und 1 Blindeninstitut mit 771 und 93 Zöglingen.

Ferner gab es 111 und 44 land- und forstwirtschaftliche, 971 und 606 Handels- und Gewerbeschulen, 6 und 3 niedere Bergschulen, 3 nautische Schulen (Österreich), 7 Schulen für Tierheilkunde (Österreich), 15 und 7 Hebammenschulen. Zu den Mittelschulen zählen Gymnasien (155 und 163), Realgymnasien (23 in Österreich), Realschulen (77 und 38) und die Mittelschulen für die weibliche Jugend. Zu den höhern Schulen sind zu rechnen in erster Linie die 11 Universitäten, in Österreich: Czernowitz, Graz, Innsbruck, Krakau, Lemberg. Prag (eine deutsche und eine czechische), Wien; in Ungarn: Agram, Budapest und Klausenburg.

Technische Hochschulen giebt es in Wien (eine der ältesten Hochschulen), Graz, Prag (eine deutsche und eine czechische), Brünn, Lemberg (polnisch) und Budapest, eine Hochschule für Bodenkultur in Wien, die Akademie der bildenden Künste in Wien, 4 königl., 2 bischöfl. und 4 evang. Rechtsakademien in Ungarn, je eine kath.-theol. Fakultät in Salzburg und Olmütz, eine evang.-theol. Fakultät in Wien; außerdem folgende höhere Fachschulen: 6 Bergakademien (davon 4 in Ungarn), 3 Tierarzneischulen (davon 1 in Ungarn). 1 Agrikulturakademie in Ungarisch-Altenburg, 6 Handelsakademien in Österreich, 4 in Ungarn, 2 Musikkonservatorien in Österreich, 3 in Ungarn, 3 und 4 Kunstschulen, je 1 Malerakademie in Budapest und Prag. Endlich zählte man 1894: 506 und 27 Schulen für Musik und Theater, 546 Schulen für weibliche Handarbeiten (Österreich) und 588 und 95 sonstige Lehr- und Erziehungsanstalten. Der Aufwand für Schulwesen betrug (1890) in Österreich allein für Hochschulen 4,92, für Mittelschulen 7,53, für Lehrerbildungsanstalten 1,74, für Handels- und Gewerbeschulen 2,06, für land- und forstwirtschaftliche Schulen 1,06 und für Volks- und Bürgerschulen 40,93 Mill. Fl. In Ungarn beträgt der staatliche Aufwand für das Schulwesen nur 5,45 Mill. Fl., weil die meisten Schulen von den Konfessionen und Stiftungen erhalten werden.

Kirchenwesen. Die römisch-katholische Kirche hat in Österreich die Erzbistümer Wien, Salzburg (Primas von Deutschland), Prag, Olmütz, Lemberg, Görz und Zara mit 24 Bistümern; in Ungarn die Gran (Primas von Ungarn), Kalocsa, Erlau und Agram mit 17 Bistümern und der Benediktiner-Erzabtei Martinsberg mit bischöfl. Jurisdiktion. Die griechisch-katholische Kirche hat in Österreich das Erzbistum Lemberg mit den Suffraganbistümern Przemysl und Stanislau in Galizien, in Ungarn Alba Julia und Fogaras (Sitz in Blasendorf in Siebenbürgen) mit den Bistümern Großwardein, Eperies, Lugos und Szamos-Ujvár, ferner die Bistümer Munkács und Kreutz. Die armenisch-katholische Kirche hat ein Erzbistum in Lemberg. Die griechisch-orientalische Kirche hat in Österreich einen Erzbischof und Metropoliten in Czernowitz und die Bistümer Zara und Cattaro; in Ungarn die Erzbischöfe und Metropoliten in Karlowitz (Syrmien) und Hermannstadt mit 8 Bistümern. Die evangelische Kirche hat in Österreich einen k. und k. Oberkirchenrat für die Augsburger und helvetische Konfession in Wien, und die Augsburger 6, die helvetische Konfession 4 Superintendenzen. In Ungarn hat die erstere 4 Bistümer, die letztere 4 Superintendenzen, in Siebenbürgen die erstere ein Landeskonsistorium und eine Superintendentur, die letztere ein Oberkonsistorium und ein Bistum. Die unitarische Kirche hat in Ungarn eine Synode mit wechselndem