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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Paraguay

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Paraguay'

Welt außerordentlich günstig. Die Sommermonate sind sehr heiß, dagegen stellt sich in den hoher gelegenen Distrikten bisweilen Reif und Schnee ein. Wälder, die nur im südl. Teile von P. reich an gutem Bauholz sind, bedecken weite Flächen, desgleichen Sümpfe und zeitweis überschwemmte Grasebenen. Wie die wilde Flora, so sind auch die Kulturbedingungen ähnlich denen im südl. Brasilien (s. d.), viele Arten sind eigentümlich. Das wichtigste Pflanzenprodukt ist der in den weiten "Yerbates" auf den Hügeln des Innern wachsende Strauch Ilex paraguayensis St. Hil. Seine Blätter liefern den Paraguaythee (s. d.), der größtenteils zur Ausfuhr kommt. Der jährliche Ertrag der namentlich von der Gesellschaft Industrial Paraguaya. ausgebeuteten Wälder wird auf 25 Mill. Pfd. geschätzt. Vom Tabak kommt etwa die Hälfte des Ertrages zur Ausfuhr. Auch Quebrachorinde, Holz und Orangen werden exportiert. Die Fauna, nahe verwandt mit der tropisch-amerikanischen, ist verarmt. Es finden sich nur noch wenig Arten von Kapuziner- und Brüllaffen (Cebus, Myetes), einige Vampyre, mehrere Formen von Katzen, Hunden und Füchsen, Nasenbäre, Pekari, Hirsche, Baumstachelschweine, Aguti, Para, Gürteltiere, kleinere Ameisenfresser, Opossum. Sehr viele nordbrasil. Vogelfamilien haben keine Repräsentanten mehr in P. Doch kommen Papageien, Trogons, Kolibris, selbst Pfefferfresser noch vor. Typische Gebirgsformen fehlen gleichfalls und damit wesentliche Bestandteile anderer südamerik. Faunagebiete.


Textfigur:

Bevölkerung und Verfassung. P. hat 333 000 E., meist christianisierte Indianer; dazu kommen 60 000 halb- und 70 000 uncivilisierte Indianer. Andere schätzen die letztern aus nur 50 000. Die Hauptstadt Asuncion ist der einzige Ort mit über 30000 E. 1881-91 wanderten 5 957 Personen ein, darunter 1 657 Italiener, 1 342 Deutsche. Katholicismus ist Staatsreligion, doch sind alle andern Kirchengemeinschaften gestattet. Es giebt 139 öffentliche und über 100 vom Staat unterstützte Elementarschulen; doch sind gegen 80 Proz. der erwachsenen Paraauayaner und 40 Proz. der erwachsenen Fremden Analphabeten. Asuncion besitzt ein Nationalkolleg. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung dient das Heer von 1 400 Mann; wehrpflichtig ist jeder von 20-35 Jahren. Es giebt 1 Präsidenten, 1 Vicepräsidenten (auf 4 Jahre gewählt), 5 Minister. 26 Deputierte (1 auf 12 000 E.), 13 Senatoren, beide direkt gewählt. Das Land ist in 23 Partidos (Bezirke) eingeteilt. Das Wappen ist ein blauer Schild, in der Mitte auf ↔ einem Pfahl die rote Freiheitsmütze, hinter derselben ein sechsspitziger silberner Stern; zu Füßen des Pfahls sitzt ein goldener Löwe. Im Schildfeld steht die Inschrift: "Paz y Justicia". Die Flagge ist rot, weiß, blau. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten.) - Die Einnahmen (1893/94: 5,9 Mill. Doll.) fließen vor allem aus Zöllen und Landverkäufen, die Ausgaben betragen 5,5 Mill. Seit dem Kriege 1865-70 steigt die öffentliche Schuld; sie betrüg (1894) 27,9 Mill. Pesos, dazu kommt die innere von 1,3 Mill. und die eigentliche Kriegsschuld. 1895 wurde die Bestimmung getroffen, daß die ganze auswärtige Schuld vom 1. Jan. 1896 an drei Jahre hindurch mit 1 Proz. verzinst werden solle, und daß die Zinsen alle drei Jahre um ½ 2 Proz. bis zu der Höhe von 3 Proz. vermehrt werden sollten.

Erwerbszweige. Der Ackerbau ist noch primitiv, da die einheimische Bevölkerung die harte Landarbeit scheut, wichtiger ist die Viehzucht. 1890 wurden gezählt: 861 954 Stück Rindvieh, 92 693 Pferde, 62 960 Schafe, 14 656 Ziegen, 10 778 Schweine. Zuckerrohr, Kaffee, Reis und Mais wird nur wenig angebaut. Früher waren drei Viertel des Bodens Staatseigentum, neuerdings sind große Teile verkauft worden. Das Vieh wird meist zum eigenen Bedarf geschlachtet, die Häute und Felle verarbeitet. Man fabriziert Cigarren, grobe Baumwoll- und Wollwaren, Holz- und Ledergeräte, Gummi- und Harzpräparate, Stärke und Dragée aus Maniok, Taue, Seilwerk, Stickereien und Spitzen. Die beiden Hauptverkehrsstraßen sind der P. und Parana. Im Innern werden die Wasserwege nicht benutzt und die Transporte nur mittels Ochsenkarren bewerkstelligt. Landstraßen bestehen nur wenig, Eisenbahnen nur 252 km. Haupteinfuhrartikel (1891: 2,22 Mill. Pesos) sind Kattune, Manufakturwaren, Wein und Zucker und zwar meist über Brasilien, Montevideo, Buenos-Aires. Der Wert der Ausfuhr betrug 1894: 1,8 Mill. Pesos.

Geschichte. Die Spanier versuchten von 1515 an, wo Solis den La Plata-Strom entdeckte, in P. Fuß zu fassen, aber ohne rechten Erfolg. Bürgerkriege und ein langer Kampf zwischen Kirche und weltlichen Behörden hinderten die Kulturentwicklung, bis die 1608 eingewanderten Jesuiten allmählich die Macht an sich rissen. Der Orden begründete in P. ein Reich, das, bis Oberperu reichend, das Beispiel einer mächtigen und wohlgeordneten Theokratie darbot, mit Umsicht und Erfolg regiert wurde, aber allein den Ordenszwecken diente und die Oberherrschaft der span. Regierung nur nominell anerkannte. Erst als die Jesuiten sich dem 1750 geschlossenen Vertrage, der einen Teil P.s an Brasilien überwies, widersetzten, ihre Übergriffe auch in andern Gegenden von Südamerika zu groß wurden und der portug. Minister Pombal den Kampf mit ihnen begann, entschloß sich auch die span. Regierung zu ernsten Maßregeln. Beiden Mächten leisteten die Jesuiten 1754-58 bewaffneten Widerstand, unterlagen aber schließlich und wurden zuletzt 1768 aus allen span.-amerik. Besitzungen verwiesen, ihre Missionen aber den Civilbehörden übergeben. 1776 wurde P. zum Vicekönigreich La Plata geschlagen. Die 1810 in Buenos-Aires ausgebrochene Revolution ergriff im nächsten Jahre auch P., wo Dr. Francia (s. d.) sich an die Spitze stellte und es dahin brachte, 1814 zum Diktator ernannt zu werden; 1817 wurde ihm das Amt auf Lebenszeit übertragen. Er regierte, im Sinne des frühern Systems der Jesuiten-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 884.