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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Perspektive

suchte Bildpunkt. Soll z. B. ein Punkt A gezeichnet werden, der um A A′ über der Grundebene G liegt, so zieht man die Linie O A und findet ihren Schnittpunkt mit der Ebene B, indem man zunächst die Fußpunkte A′ und O′ der von A und O auf die Ebene G gefällten Lote verbindet; dann errichtet man in a′, dem Schnittpunkt von A′ O′ mit m n, ein Lot auf der Ebene G; wo dieses Lot den Sehstrahl A O trifft, ist der gesuchte Bildpunkt a. Auf diese Weise läßt sich der Bildpunkt zu jedem beliebigen Punkte des Raumes hinter der Bildebene konstruieren, und da alle diese Punkte durch ihre senkrechten Abstände von G, B und einer seitlichen, zu G und B senkrechten Ebene vollständig bestimmt sind, so ist es immer möglich, aus den Parallelprojektionen eines Objekts sein perspektivisches Bild zu entwerfen, was die Fig. 2 (a, b und c) nicht im Raume, wie Fig. 1, sondern in der Zeichenebene lehrt. Diese Konstruktionsart ist jedoch eine sehr mühsame, und es lassen sich Gesetze aufstellen, nach denen man die Richtung ganzer Linien findet, ohne einzelne Punkte derselben zu konstruieren, was besonders für die Aufzeichnung von Architekturansichten, Interieurs und allen solchen Objekten von Vorteil ist, die von geraden Linien gebildet sind. Hat man (s. nachstehende Fig. 3) eine beliebige gerade Linie t des Raumes abzubilden, so liegen alle nach ihren einzelnen Punkten gezogenen Sehstrahlen in einer Ebene, die durch die abzubildende Gerade und das Auge bestimmt ist. Die Schnittlinie dieser Ebene mit der Bildebene ist das perspektivische Bild der Originalgeraden. Je weiter ein Punkt dieser Geraden von der Bildebene entfernt liegt, einen desto kleinern Winkel bildet der Sehstrahl mit der Geraden, und der Sehstrahl zum unendlich fernen Punkt der Geraden ist parallel zu ihr; sein Schnittpunkt F mit der Bildebene, d. h. der Bildpunkt dieses unendlich fernen Punktes heißt der Fluchtpunkt oder Verschwindungspunkt der Geraden. Da O F aber auch der Sehstrahl für die unendlich fernen Punkte aller zu t parallelen Geraden ist, so vereinigen sich in F die Bilder aller jener parallelen Geraden. Daher sieht man z. B. in Straßen, daß alle unter sich parallelen Trottoirkanten, Häusersimse und Dachfirsten nach einem einzigen Punkte konvergieren. Fig. 4 der Tafel: Perspektive zeigt das Innere einer Halle, bei der alle parallelen Horizontallinien nach dem Punkt A hinzielen. Von allen Scharen paralleler Geraden machen diejenigen eine Ausnahme, die zugleich mit der Bildebene parallel sind. Sie sind im Bilde ebenfalls parallel. Die ganze horizontale Ebene G (Fig. 4) bildet sich in einem Streifen ab, der zwischen m n und einer um die Augenhöhe O O′ von m n entfernten Horizontalen h h liegt. Diese Linie h h ist der Horizont; er ist die Abbildung aller unendlich fernen Punkte der Grundebene G; auf ihm liegen die Fluchtpunkte aller in der Ebene G gezogenen Geraden, zugleich aber auch (auf Grund des vorigen Satzes) die Fluchtpunkte aller horizontalen Geraden überhaupt. Derjenige Punkt A des Horizontes h h, welcher dem Auge O am nächsten liegt oder der Fußpunkt des vom Auge auf den Horizont gefällten Lotes ist, heißt der Augenpunkt oder Hauptpunkt; er ist der Fluchtpunkt aller auf der Bildebene senkrecht stehenden Geraden. Je höher der Augenpunkt liegt, desto klarer ist der Überblick über die Horizontalebene; eine P. mit ungewöhnlich hohem Augenpunkt bezeichnet man als Vogelperspektive (s. d.), während ein tiefer, der Grundebene sich nähernder Augenpunkt zur Froschperspektive (s. d.) führt. Diejenigen, ebenfalls auf dem Horizont liegenden Punkte D D, welche für die unter 45° gegen die Bildebene geneigten Horizontalen die Fluchtpunkte bilden, heißen Distanzpunkte. Sie stehen vom Augenpunkt ebenso weit ab wie das Auge von der Bildebene. Horizont, Augenpunkt und Distanzpunkte bilden das erste Orientierungsmittel einer Zeichnung. Ein bequemes Auffinden von Fluchtpunkten ist dann ein Haupterfordernis der praktischen P. Eine weitere Vereinfachung perspektivischer Konstruktionen ergiebt sich aus der Erkenntnis, dass Original und Bild einer ebenen Figur in einer einfachen geometr. Beziehung stehen, welche man als Kollinearität bezeichnet. Dabei ist die Schnittlinie der Bildebene mit der Ebene der Figur die Kollineationsachse und das Auge das Kollineationscentrum. Eine Reihe von Konstruktionen gründet sich daher auf die rein geometr. Aufgabe, zu einer gegebenen Figur die kollineare Figur zu zeichnen. Die einzelnen Konstruktionsmethoden richten sich auch nach der Natur der Gegenstände. Am einfachsten sind die geradlinig begrenzten, schwieriger die krummlinig begrenzten. Im allgemeinen werden vom Praktiker solche Konstruktionen vorgezogen, die möglichst wenig auf die Parallelprojektionen der Körper zurückgreifen, sondern eine direkte Einzeichnung in die Bildebene ermöglichen. Eine solche sog. «freie P.» erlaubt dem Künstler, die malerische Wirkung der Komposition rasch zu prüfen und die Anordnung je nach Geschmack abzuändern.

In Fig. 1 der Tafel ist aus Grund- und Aufriß das perspektivische Bild eines Obelisken gezeichnet, wobei einzelne Eckpunkte nach Textfigur 2 und die Richtung paralleler Kanten mittels der Fluchtpunkte F₁ und F₂ gefunden werden. Die Lage der letztern findet man, indem man O<sup>h</sup>F₂<sup>h</sup> parallel b c und O<sup>h</sup>F₁<sup>h</sup> parallel c d zieht. Dann ist AF₁ = A<sup>h</sup>F₁<sup>h</sup> und AF₂ = AF₂<sup>h</sup>.

An gute Bilder werden hauptsächlich folgende Anforderungen gestellt: 1) nur soviel darf in ein

^[Abb. Fig. 3.]

^[Abb. Fig. 4.]