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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Poligny - Politische Verbrechen und Vergehen

Poligny (spr. -linjih). 1) Arrondissement im franz. Depart. Jura, hat auf 1251,35 qkm (1891) 60487 E., 7 Kantone und 152 Gemeinden. – 2) P., Hauptstadt des Arrondissements P., 271 m hoch am Orain, einem Zufluß des Doubs, am Westfuß des Mont de l’Euthe und an den Linien Besançon-Lyon und Dôle-P. (41 km) der Mittelmeerbahn, hat (1891) 4053, als Gemeinde 4433 E., ein schönes Stadthaus mit einer Bibliothek und einem Museum, ein Collège, Findelhaus; Hüttenwerke, Weinbau, Gipsbruch und Handel mit guten Weinen.

Poliklīnik (grch.), s. Klinik.

Poliment (frz., spr. -máng), s. Goldleisten.

Polioencephalītis (grch.), die Entzündung der grauen Hirnsubstanz.

Poliomyelītis (grch.), eine Entzündung des Rückenmarks, welche sich vorwiegend auf die vordern grauen Hörner desselben beschränkt und unter den Symptomen der sog. essentiellen Lähmung (Kinderlähmung) verläuft. (S. Lähmung.)

Poliorketes, s. Demetrius Poliorketes.

Poliōsis (grch.), das Ergrauen der Haare.

Polisanderholz, soviel wie Palisanderholz (s. Jacaranda).

Polistēna, Stadt im Kreis Palmi der ital. Provinz Reggio di Calabria, im ONO. von Palmi, hat (1881) 6974, als Gemeinde 8359 E.

Polistes, s. Faltenwespen.

Politīk (grch.), die Wissenschaft vom Staat, seinen Elementen und Bedingungen, seinen Zwecken, Kräften und Einrichtungen, seiner Thätigkeit und den Formen, in denen dieselbe sich vollzieht. Die P. unterscheidet sich vom Staatsrecht dadurch, daß das letztere das Recht der Staatsgewalt und deren rechtliche Schranken zum Gegenstande hat (s. Öffentliches Recht), während die P. sich mit den thatsächlichen Verhältnissen des Staates und deren zweckmäßigster Gestaltung beschäftigt. Die Erkenntnisquellen dieser Wissenschaft sind die philos. Erforschung des Wesens und der Aufgaben des Staates, die Geschichte und die vergleichende Betrachtung der Einrichtungen der verschiedenen Staaten; man unterscheidet hiernach die philos., histor. und vergleichende Methode in der Wissenschaft der P. Den verschiedenen Aufgaben des Staates entsprechend, teilt man die P. ein in die äußere und innere, und die letztere zerfällt wieder in zahlreiche Zweige, wie Handels-, Wirtschafts-, Zoll-, Münz-, Bank-, Finanz-, Kirchen- u. s. w. Politik. – Vgl. Dahlmann, Die P. (3. Aufl., Lpz. 1847); R. von Mohl, Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften (3 Bde., Erlangen 1855‒58); Waitz, Grundzüge der P. (Kiel 1862); Holtzendorff, Die Principien der P. (2. Aufl., Berl. 1879); Röscher, P. Geschichtliche Naturlehre der Monarchie, Aristokratie und Demokratie (2. Aufl., Stuttg. 1893); Ratzenhofer, Wesen und Zweck der P. (3 Bde., Lpz. 1893).

Politik, Die, 1862 gegründete, täglich zweimal (Sonn- und Montags nur einmal) in Prag erscheinende polit. Zeitung. Auflage: 10500; Verlag: Buchdruckerei und Verlagsanstalt (Závod tiskařský a vydavatelský) in Prag; Hauptredacteur: C. Thor, verantwortlicher Redacteur: Vaclar Hectoma. Die P. erscheint zwar in deutscher Sprache, vertritt aber czech. Interessen und ist gegenwärtig das Hauptorgan der altczech. Partei. Aus einer Beilage in czech. Sprache gingen 1883 die «Narodni Politika» («Nationale Politik»), ein weitverbreitetes czech. Tageblatt, hervor.

Politĭker (Les Politiques), Name einer Partei, die sich in Frankreich in den spätern Jahren der Regierung Karls Ⅸ. bildete. Sie bestand aus den Gemäßigten, königlich und staatlich Gesinnten sowohl der kath. als auch der prot. Partei und wollte durch einen angemessenen Vergleich zwischen beiden Religionsgenossenschaften den Frieden herstellen. Ihre Richtung herrschte bereits nach 1570 am Hofe eine Weile lang vor; nach der Bartholomäusnacht traten die P. der Regierung schroff entgegen. Der Friedensschluß von 1576 geschah in ihrem Sinne; die Liga drängte sie wieder zurück. Aus ihrer Partei erwuchs dann aber die große nationale Mehrheit, die sich an Heinrich Ⅳ. nach dessen Übertritt zum Katholicismus anschloß. – Vgl. insbesondere De Crue, Le parti des Politiques (Par. 1892).

Politische Correspondenz, von dem österr. kaiserl. Rat Erich Schaeffer in Wien herausgegebenes offiziöses Informationsorgan für die europ. Presse, besonders auf dem Gebiet der auswärtigen Politik, hat in allen Hauptstädten Korrespondenten, die von den betreffenden Regierungen Mitteilungen erhalten. Die P. C. wurde 1874 auf Veranlassung des Wiener Kabinetts begründet.

Politische Ökonomie, s. Volkswirtschaftslehre.

Politisches Gleichgewicht, ein derartiges Machtverhältnis selbständig nebeneinander bestehender Staaten, daß keiner derselben vermöge seiner Macht allein im stande ist, einem andern Gefahr zu bringen, ohne für seine eigene Sicherheit fürchten zu müssen. Die Idee des P. G. gehört der neuern Staatengeschichte an und trat am entschiedensten in den Vordergrund bei den Bündnissen, die England, die Niederlande, Österreich, Brandenburg und andere Mächte abwechselnd und wiederholt gegen Ludwigs ⅩⅣ. drohende Pläne einer Universalherrschaft über Europa schlossen. Nach dem Sturz Napoleons Ⅰ. verkörperte sich die Idee des P. G. in den fünf Großmächten, zu denen seit 1861 Italien getreten ist.

Politische Verbrechen und Vergehen. In den Strafgesetzgebungen findet sich keine Bestimmung darüber, was unter P. V. u. V. zu verstehen sei. Die Feststellung des Begriffs an sich ist schwierig und bestritten. Unzweifelhaft gehören hierher: Hoch- und Landesverrat, Majestätsbeleidigung, Beleidigung von Landesfürsten, Angriffe auf die gesetzgebenden Versammlungen und auf das polit. Wahl- und Stimmrecht (Deutsches Strafgesetzbuch, §§. 80‒109). Auch die öffentliche Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze, Teilnahme an geheimen und ungesetzlichen Verbindungen, Aufreizung zum Klassenkampf und Verächtlichmachen von Staatseinrichtungen sind hierher zu rechnen (§§. 110, 128‒131). Im Gegensatz zu den P. V. u. V. spricht man von gemeinen Verbrechen und meint damit die nicht politischen schlechthin. Der Gegensatz ist nach Lage der bestehenden Gesetzgebung nicht von erheblicher praktischer Bedeutung. Er kann es aber werden, und ist es thatsächlich geworden, wenn es sich um die Festsetzung der Strafen für P. V. u. V. im Wege der Gesetzgebung handelt. So waren auch bei Beratung des Deutschen Strafgesetzbuches die Meinungen sehr geteilt, indem von mehrern Seiten die Zuchthausstrafe für P. V. u. V. überhaupt für unanwendbar gehalten wurde. Richtig ist, daß die Motive des polit. Verbrechers nicht immer unehrenhaft sind; andererseits kommt in Betracht die besondere Schwere vieler P. V. u. V. Das Gesetz droht