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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Preußen (Bevölkerung)

Wohnort. Das Königreich hatte (1890) 54126 bewohnte Orte (einschließlich 1212 Städte und 51 im Stande der Städte vertretene Flecken und Landgemeinden). Hierunter waren 16 Orte (Großstädte) von 100000 und mehr E. mit 3979886 E.; 82 (darunter 76 Mittelstädte) von 20000 bis unter 100000 E. mit 2890117 E.; 463 (darunter 319 Kleinstädte) von 5000 bis unter 20000 E. mit 4141166 E.; 1165 (darunter 506 Landstädte) von 2000 bis unter 5000 E. mit 3500171 E.; zusammen in 1726 Wohnorten 14511340 und in 52400 (darunter 346 Städte) unter 2000 E. 15446027 Ortsanwesende. Die Städte mit mehr als 50000 E. sind im Artikel Deutschland und Deutsches Reich (Bd. 5, S. 123 b) ausgezählt. In den nordöstl. Gebietsteilen wohnt die Bevölkerung ganz überwiegend in ländlichen Orten und kleinen Städten. Faßt man die Größenklassen der Wohnorte noch mehr zusammen, als vorher geschehen, so lebten 1890 in Ostpreußen in ländlichen Orten 76,5 Proz., in Land- und Kleinstädten 14,1, in Mittel- und Großstädten 9,4; in Westpreußen 70,7, 17,6 und 11,7; in Posen 75,4, 18,3 und 6,3; im Reg.-Bez. Oppeln 66,9, 27,0 und 6,1; in den Reg.-Bez. Breslau und Liegnitz 62,2, 18,5 und 19,3 Proz.

Bewegung der Bevölkerung. Die Zahl der Geburten betrug (1893) einschließlich der Totgeborenen (39043, darunter 17053 weibliche) 1195273 oder (bei einer mittlern Bevölkerungszahl von 31024765 am Ende des J. 1893) 38,9 auf 1000 Lebende (Geburtsziffer), die Zahl der Sterbefälle einschließlich der Totgeborenen 785520, darunter 377870 weibliche, oder 25,3 auf 1000 Lebende (Sterbeziffer), die der Eheschließungen 248348 oder 16,0 auf 1000 Lebende (Heiratsziffer). Die Geburtsziffer (ohne Berücksichtigung der Totgeborenen) war im Mittel der J. 1867-93: 39,7 und ist seit 1875, wo sie den höchsten Stand mit 42,8 erreichte, allmählich herabgegangen. Die Sterbeziffer betrug im Mittel derselben Jahre 27,2, war am höchsten 1872 mit 31,1 und hat sich seitdem regelmäßig vermindert. Die mittlere Heiratsziffer derselben Jahrzehnte war 16,8, am höchsten 1872 und ist seitdem merklich gefallen. In den Städten ist die Geburtsziffer durchschnittlich etwas niedriger, in den J. 1872, 1874, 1877-79 indes höher gewesen als auf dem platten Lande, 1876 waren beide gleich. Die Heiratsziffer dagegen war sowohl durchschnittlich wie auch in jedem einzelnen Jahre in den Städten größer als auf dem platten Lande. Dasselbe war mit Ausnahme der J. 1888 und 1890 bei der Sterbeziffer der Fall, jedoch ist der Unterschied in den letzten Jahren ganz unbedeutend gewesen. Die rein landwirtschaftlichen und die mit poln. Bevölkerung stark durchsetzten Provinzen Westpreußen, Posen und Ostpreußen haben die höchsten Geburtsziffern, 1883/92: 44,6, 43,5, 41,6; auch Schlesien, Sachsen und Westfalen zeichnen sich in gleichem Sinne aus, während Hessen-Nassau mit 32,9, Schleswig-Holstein und Hannover mit 33,8 und Hohenzollern mit 32,7 in entgegengesetzter Richtung hervorragen; die Sterbeziffer war in demselben Zeitraum in Schlesien 29,8, in Ostpreußen 29,0 und in Westpreußen 27,9, ein Satz, hinter dem Berlin mit 24,1 zurückbleibt, was, in Anbetracht der besondern Verhältnisse der Großstadt, ein günstiges Zeichen für ihren Gesundheitszustand ist; mit sehr niedrigen Sterbeziffern stehen Schleswig-Holstein (21,5), Hannover (22,5) und Hessen-Nassau (22,8) obenan. Dem Geschlecht nach sind von 1000 Geborenen im Mittel mehrerer Jahre rund 515 männliche und 485 weibliche, und bei den Gestorbenen ist der mittlere Anteil des männlichen Geschlechts mit 525 von je 1000 noch größer, woraus sich schließlich die obenerwähnte stärkere Vertretung des weiblichen Geschlechts in der Bevölkerung ergiebt. Die unehelichen Kinder machen im Mittel etwa 7,6 Proz. aller Geborenen aus; sie sind mit 8,8 Proz. am häufigsten bei evang. und mit 2,7 Proz. am seltensten bei jüd. Müttern, während von kath. Müttern 5,6 Proz. unehelich geboren werden. Die westl. Provinzen, aber auch Posen, weisen die wenigsten unehelichen Geburten auf. Unter 1000 Geborenen sind ungefähr 25 Mehrlingskinder und unter 1000 Entbindungen etwa 987 Einzelgeburten. Unter 1000 neuvermählten Personen befanden sich durchschnittlich 2,8 Männer und 96,7 Frauen von unter 20 J., 679 Männer und 705 Frauen von 20 bis 30 J., die übrigen in höhern Altersstufen; ferner 866 Junggesellen und 913 Jungfrauen, 128 Witwer und 80 Witwen, 6 geschiedene Männer und 6,3 geschiedene Frauen. Unter 1000 neugeschlossenen Ehen waren durchschnittlich 618,4 rein evangelische, 295 rein katholische, 1,3 rein dissidentische, 10,6 rein jüdische und 70,5 Mischehen. Die verhältnismäßig große Zahl von Mischehen wird als ein Beweis für die Verträglichkeit der Religionsgemeinschaften untereinander, vom speciell kirchlichen Standpunkte aber als ein Schaden anzusehen sein und ist vom populationistischen Standpunkte ebenfalls nicht günstig zu beurteilen; denn in P. wenigstens sind die Mischehen durchweg weniger fruchtbar als die rein konfessionellen, am wenigsten die christlich-jüdischen, welche letztere so wenig Kindern das Leben geben, daß eine lediglich aus dergleichen Mischpaaren bestehende Bevölkerung sehr bald aussterben müßte.

Beruf. Nach der Berufszählung von 1882 waren unter der auf 27287860 festgestellten Gesamtbevölkerung 10120813 (37,1 Proz.) Erwerbsthätige aller Art, 886177 (3,2) Dienstboten für häusliche Dienste, 15575375 (57,1) Angehörige, die überhaupt nicht oder nur nebensächlich erwerbend thätig waren, und endlich 705495 (2,6) berufslose Selbständige und Anstaltsinsassen. Dem Hauptberufe der Erwerbsthätigen nach gliedert sich die Bevölkerung mit Einrechnung der Angehörigen und der im Haushalte bei den betreffenden Erwerbsthätigen Dienenden folgendermaßen: Gruppe A. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei 11904407 (43,63 Proz.) der Gesamtbevölkerung; Gruppe B. Industrie einschließlich Bergbau und Bauwesen 9393750 (34,42); Gruppe C. Handel und Verkehr einschließlich Gast- und Schankwirtschaft 2725344 (9,99); Gruppe D. Lohnarbeit wechselnder Art und häusliche Dienstleistungen (Aufwartefrauen u. dgl.) 690892 (2,53); Gruppe E. Staats-, Gemeinde-, Kirchen- u. s. w. Dienst und sog. freie Berufsarten 1305657 (4,79); Gruppe F. Berufslose Selbständige und Anstaltsinsassen 1267810 (4,64 Proz.). Nach dem Anteil der Bevölkerung an den einzelnen Berufsgruppen zu urteilen, ist P. noch überwiegend auf das Gedeihen der Landwirtschaft angewiesen, erst in zweiter Linie steht die gewerbliche Thätigkeit, die allerdings seit 1882 einen großartigen Umfang gewonnen hat. Überwiegend landwirtschaftlich thätig ist die Bevölkerung der Provinzen Posen (64,67 Proz.), Ostpreußen (64,39), Westpreußen (60,55) und Pommern (54,51), die in dieser Richtung alle andern Gebietsteile des Deutschen Reichs, selbst Südbayern,