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Produktivität - Professor
Durch Dekret vom 5. Juli 1848 stellte die franz. Regierung den P. 3 Mill. Frs. leihweise zur Verfügung. Nur 1,7 Mill. wurden wieder zurückgezahlt; der Rest war verloren. Das Experiment wurde seit 1870 aus dem Legat Rampal (von 1,36 Mill. Frs. zu diesem Zweck) wiederholt. Von 1883 bis 1890 lieh man an 50 P. 497000 Frs. 1891 waren davon 27 fallit, 23 kämpften mühsam um ihr Dasein und hatten von 243000 Frs. nur 22000 Frs. wieder zurückzahlen können. Das Kapital ist fast aufgebraucht und als verloren zu betrachten. Im ganzen führt der Almanach de la coopération française für 1894: 91 P. (abzüglich der landwirtschaftlichen P., wie Molkereigenossenschaften u. dgl.) auf. Auch in England haben sich nach den neuesten Berichten von Miß Potter die P. von allen Genossenschaften am wenigsten entwickeln können. Die großen noch bestehenden P. haben nach und nach den Charakter von Kapitalgesellschaften angenommen, an welchen die Arbeiter nur wenig mehr beteiligt sind. Am ehesten scheinen P. in solchen Gewerbszweigen Erfolg zu haben, wo es weniger auf ein großes Anlagekapital, als auf tüchtige sorgfältige Arbeit ankommt, und wo die Geschäftsleitung, besonders die kaufmännische Gebarung, verhältnismäßig einfach ist. Vor allem ist es aber notwendig, daß die Genossen selbst hohe moralische Eigenschaften und Verständnis besitzen.
Eine früher hingegen nicht erwartete Bedeutung haben die P. für die Landwirtschaft gewonnen. Für gewisse Zweige derselben, die zersplittert und im kleinen betrieben mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, hat sich die genossenschaftliche Vereinigung kleinerer Landwirte als sehr vorteilhaft erwiesen. Der 1893 erschienene «Jahresbericht für 1892 über die auf Selbsthilfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften» kennt 1196 landwirtschaftliche P. (Molkerei-, Winzer- u. s. w. Genossenschaften), denen nur 128 gewerbliche P. gegenüberstehen. Auch in Frankreich haben die sog. Syndicats agricoles, durch Gesetz vom 21. März 1884 autorisiert, mehr Erfolg. Deren Zahl stieg von 5 im J. 1884 und 39 im J. 1885 auf 1000 im J. 1891 und beträgt jetzt (1894) etwa 1300.
Die Socialdemokratie legt jetzt auf P. keinen Wert mehr, weil sie die Überzeugung gewonnen hat, daß durch sie eine Umwandlung des bestehenden Wirtschaftszustandes nicht zu erreichen ist.
Vgl. Fläxl, Die P. und ihre Stellung zur socialen Frage (Münch. 1872); Hubert-Valleroux, Les associations coopératives (Par. 1884); Rabbeno, Le società cooperative di produzione (Mail. 1885); Crüger, Die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in den einzelnen Ländern (Jena 1892); Leroy-Beaulieu, La Coopération (in der «Revue des Deux Mondes», Par. 1893); Mrs. Webb (B. Potter), Die brit. Genossenschaftsbewegung, hg. von L. Brentano (Lpz. 1893).
Produktivität, die Leistungsfähigkeit der wirtschaftlichen Arbeit, gemessen an der Quantität und Qualität ihrer Erzeugnisse. Je höher also die Menge oder der Wert des auf den Kopf der beschäftigten Arbeiter kommenden Produkts einer bestimmten Art steigt, um so größer ist die P. der Arbeit in diesem Zweige. Im Gegensatz zu dem Merkantilsystem (s. d.), dem Physiokratismus (s. d.) und Adam Smith (s. d.) überwiegt in den neuern nationalökonomischen Theorien die Ansicht, daß auch solche Arbeit wirtschaftlich produktiv sei, die (wie die des Musikers, Lehrers u. s. w.) unmittelbar Nützliches schafft, wenn sie sich auch nicht in einem Sachgute verwirklicht. – Vgl. Roscher, Grundlagen der Nationalökonomie (21. Aufl., Stuttg. 1893).
Produktivkredit, der Kredit, welcher zum Zwecke des Erwerbes genommen wird, im Gegensatz zum Konsumtivkredit (s. d.). Es kann sich hierbei für den Schuldner um die Ergänzung seines umlaufenden oder stehenden Kapitals handeln und wird sich danach, wenn er besonnen vorgeht, die Art der von ihm übernommenen Verpflichtungen richten. Die Beschaffung des umlaufenden Kapitals braucht nur für die Dauer des Produktions- und Absatzprozesses stattzufinden, die Rückerstattung von Mitteln behufs Beschaffung des stehenden Kapitals kann hingegen nur allmählich und ratenweise in dem Maße erfolgen, als sich dieses Kapital selbst wieder reproduziert.
Produzieren (lat.), vorführen, vorbringen, vorzeigen, beibringen (Beweismittel); hervorbringen, erzeugen (von geistigen und Naturerzeugnissen). Produzént, Erzeuger, Verfertiger u. s. w.
Pro ecclesĭa et pontifĭce (lat., «für Kirche und Papst»), ein vom Papst Leo ⅩⅢ. nach Beendigung der zur Feier seines 50jährigen Priesterjubiläums im Vatikan veranstalteten Ausstellung im Juni 1888 gestiftetes Erinnerungszeichen, bestehend aus einem silbernen Kreuz mit ausgeschweiften Armen, zwischen denen sich Lilien befinden; der Mittelschild zeigt das päpstl. Wappen mit der Umschrift: Pro ecclesia et pontifice. Das Band ist purpurrot mit weiß und gelber Einfassung. Zunächst ist das Zeichen bestimmt für den Stifter der Festgaben und den Pilger, dann auch für andere treue Anhänger des päpstl. Stuhls.
Pro et contra (lat.), für und wider.
Profān (lat., d. h. unheilig, weltlich) hieß bei den Römern jeder Ort, der außerhalb eines heiligen Bezirks lag, überhaupt alles, was keinem Gott geweiht war, auch jede Person, die zu gewissen heiligen Handlungen keinen Zutritt hatte und daher vor Beginn der Feier durch besondere Formeln aufgefordert wurde, sich zu entfernen. Profanieren, entheiligen, entweihen; Profanation, Entweihung, Entheiligung; Profangeschichte, die weltliche Geschichte im Gegensatz zur biblischen und kirchlichen.
Proféß (lat.), die feierliche Ablegung der Ordensgelübde; Professen, diejenigen Mitglieder eines Ordens, die ein Gelübde abgelegt (P. gethan) haben.
Profession (lat.), im allgemeinen jeder Beruf, zu dem man sich «bekennt», jetzt vorzugsweise ein Gewerbe oder Handwerk; Professioníst, einer, der etwas berufsmäßig betreibt, namentlich soviel wie Handwerker.
Professor (vom lat. profitēri) oder Antecessor, in der röm. Kaiserzeit ein öffentlicher Lehrer, besonders der Grammatik und Rhetorik. Der Titel P. ging auf die Lehrer an den Universitäten des Mittelalters über, wenn sie auch vorzugsweise doctores oder magistri genannt wurden, und bildet jetzt die regelmäßige Bezeichnung der Universitätslehrer. Diese teilen sich in ordentliche P. (Professores ordinarii), die ein mit bestimmten Rechten ausgestattetes Kollegium bilden, und außerordentliche (Professores extraordinarii). Die Lehrer an den den Universitäten gleichstehenden Hochschulen (Technischen Hochschulen, Bergakademien, Forstakademien u. s. w.) führen ebenfalls den Titel P., in einigen Staaten auch die Lehrer an Gymnasien, während er in Preußen bisher nur einzelnen als