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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Psychiater; Psychiatrie; Psychidae; Psychisch; Psychodrama; Psychograph; Psychologie

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Psychiater - Psychologie

befolgt hätte, ihn nicht sehen zu wollen. Allein sie glaubte ein Ungeheuer in ihm zu umarmen und beleuchtete mit einer Lampe den Schlafenden, entdeckte den schönsten der Götter und ließ vor freudigem Schreck einen Tropfen heißes Öl auf ihn fallen. Amor erwachte und entfloh. Nun irrte P. nach ihrem Geliebten forschend überall umher und kam dabei auch in den Palast der Venus, welche ihr die schwersten Arbeiten auferlegte. Aber P. fand dabei wunderbare Hilfe. Auch die letzte gefährlichste Aufgabe, von Proserpina aus dem Schattenreich eine Büchse mit Schönheitssalbe zu holen, bestand sie, aber auf dem Rückwege öffnete sie die Büchse, und der Dampf, der hervordrang, betäubte sie. Erst die Berührung mit Amors Pfeil brachte sie ins Leben zurück. Darauf wurde sie von Jupiter mit Unsterblichkeit begabt und ihre Vermählung mit Amor im Beisein aller Götter gefeiert. Sie gebar dem Amor eine Tochter, Voluptas (die Lust), über die künstlerischen Darstellungen des Mythus s. Eros.

P. ist auch der Name des 16. Planetoiden.

Psychiater (grch.), soviel wie Irrenarzt.

Psychiatrie (grch.), Seelenheilkunde oder Irrenheilkunde, die Lehre von den Geisteskrankheiten und ihrer Behandlung, einer der jüngern Zweige der Medizin, der erst seit Ende des 18. Jahrh. eine wissenschaftliche Gestalt angenommen hat. (S. Geisteskrankheiten, Irrenanstalten.)

Psychidae, s. Sackträger.

Psychisch (grch.), auf das Seelenleben bezüglich; psychische Krankheiten, s. Geisteskrankheiten.

Psychodrama (grch.), eine monologische Dichtung, die eine dramatisch bewegte Handlung vorführt und sich vom Monodrama oder von der Soloscene besonders dadurch unterscheidet, daß sie ohne jeden scenischen Apparat zum Vortrag gelangt. Der Begründer des P. ist Richard von Meerheimb, geb. 14. Jan. 1825 zu Großenhain in Sachsen, seit 1872 als Oberst in Dresden lebend. Er veröffentlichte außer andern Dichtungen: "Psychodramenwelt" (4. Ausg., Berl. 1887) und zwei Bändchen "Psychodramen" (in Reclams "Universalbibliothek"). Eine Sammlung "Psychodramat. Dichtungen" (Brem. 1893) gab F. Hähnel heraus. Eine Zeitschrift "Psychodramenwelt" erscheint seit 1893 in Bremen. - Vgl. E. Bardewiek, Technik des P. (Brem. 1894).

Psychograph (grch.), s. Tischrücken.

Psychologie (grch., d. i. Seelenlehre), die Wissenschaft von den Gesetzen des seelischen (psychischen) Lebens. Ihr Objekt sind die Thatsachen der innern Erfahrung, unsere Gedanken, Gefühle, Entschlüsse u. s. w. Als Erfahrungswissenschaft (empirische P.) hat die P. in Vergleich mit andern Gebieten der Forschung mit eigentümlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ihre einzige unmittelbare Quelle ist die Selbstbeobachtung; was die Beobachtung anderer lehrt, bedarf schon einer Deutung mit Hilfe dessen, was der Beobachtende in sich selbst wahrgenommen hat, und dasselbe gilt von allen geschichtlichen Überlieferungen sowie auch vom seelischen Leben der Tiere. Die geistigen Regungen bleiben niemals für den Beobachtenden vollkommen gleich, denn sie sind fortwährend in Umwandlungen begriffen. Jede absichtliche Selbstbeobachtung unterbricht und stört die Gemütslage, die beobachtet werden soll. Nimmt man dazu, daß die innern Beobachtungen nicht in der Weise wie die äußern zu kontrollieren sind, da jeder unmittelbar nur sein eigenes Innenleben erfahren kann, so ist es nicht zu verwundern, wenn die P. länger als andere Erfahrungswissenschaften sich mit allgemeinen Abstraktionen und Klassifikationen beholfen und von jeher eine Neigung gehabt hat, den psychischen Thatbestand zu vernachlässigen und auf metaphysische Theorien hinzueilen. Was die Methode der P. anbelangt, so kann man neben der gewöhnlichen, auf Erinnerung und zufällige Beobachtung gegründeten Methode eine physiologische, die nervösen Begleiterscheinungen der Bewußtseinserscheinungen erforschende, eine pathologische, auf die Beobachtung der krankhaften Veränderungen des Bewußtseins durch äußere oder innere Ursachen gerichtete, und die experimentelle Methode unterscheiden.

In den Anfängen der psychol. Wissenschaft bei den Griechen wurde das geistige Wesen dem körperlichen noch nicht entgegengesetzt, sondern selbst als ein Stoff von ätherischer Natur angenommen, den man zugleich als die Lebenskraft des Leibes betrachtete. Mit Sokrates und Plato begann die Erkenntnis der völligen Unvergleichlichkeit physischer und psychischer Thatsachen und die Einsicht, daß es gegenüber dem Erfahrungsfelde der äußern Sinne noch ein Feld der Beobachtung innerer Erscheinungen gebe. Aristoteles nahm drei verschiedene Teile der Seele an, einen vegetativen, einen empfindenden und einen denkenden. Während der letzte dem Menschen eigentümlich sei, komme der zweite auch schon den Tieren, der erste den Tieren nebst den Pflanzen zu. Die Vernunft sah Aristoteles als etwas vom leiblichen Leben Unabhängiges an. (Vgl. Brentano, Die P. des Aristoteles, Mainz 1867; Chaignet, Histoire de la psychologie des Grecs, 5 Bde., Par. 1888-93.)

Das ganze Mittelalter hielt, obwohl nicht konsequent, an der Auffassung des Aristoteles fest und prägte namentlich den Gegensatz zwischen Seele und leiblichem Leben, teilweise aus religiösen Motiven, zu einer principiellen Sonderung aus. (Vgl. Karl Werner, Der Entwicklungsgang der mittelalterlichen P., Wien 1876.) Ein neuer Eifer für die P. erwachte mit dem Beginn der neuern Philosophie. Bei der scharfen Sonderung zwischen Materie und Geist in der Cartesianischen Philosophie beschäftigte die Denker des 17. Jahrh. hauptsächlich die Frage nach dem ursächlichen Zusammenhange zwischen Leib und Seele (s. Occasionalismus) und die Streitigkeiten über die Freiheit oder Nichtfreiheit des menschlichen Willens. (S. Determination und Freiheit.) Aber auch für eine genauere Analyse der psychischen Erscheinungen geschahen bedeutende Schritte. Descartes' Schrift über die Leidenschaften ("Les passions de l'âme", Amsterd. 1650) und die Behandlung desselben Themas durch Spinoza im dritten Buche seiner Ethik waren bahnbrechend. Dann stellte Locke in seiner empirischen Erkenntnistheorie die innere Erfahrung der äußern gegenüber. Daraus erst erwuchs der wirkliche Anfang einer voraussetzungslosen P. Während jedoch die schott. Philosophen diesen Standpunkt der innern Beobachtung einseitig annahmen, wurde die erklärende Theorie durch Hartley, Priestley und Hume gefördert, die die Gesetze der Vorstellungsassociation festzustellen suchten, dabei jedoch hauptsächlich auf die Abhängigkeit der seelischen Thätigkeiten von den Gehirnfunktionen aufmerksam machten. Dasselbe Bestreben führte in Frankreich teils zu dem Sensualismus eines Condillac und Helvétius, teils zu dem Materialismus Lamettries und dem Système de la nature.