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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Richtplatte - Ricinusölsäure

zen, bei deren Ausmünzung es als Vorschrift dienen sollte, gestempelt.

Richtplatte, eine eben gehobelte eiserne Platte, auf der man stab- oder flächenförmige Metallteile (besonders auch Bleche) mittels Hammerschlägen gerade richtet. Die R. benutzt man auch beim Anreißen von Werkstücken mittels der Reißnadel (s. d.).

Richtschacht, im Bergbau ein saigerer, d. h. lotrechter Schacht im Gegensatz zu flachen oder tonnlägigen Schächten.

Richtscheit, ein gerades Lineal, dessen sich die Maurer, Tischler u. s. w. zur Herstellung vollkommen horizontaler Flächen bedienen, indem sie die Kante an verschiedenen Stellen und in verschiedener Richtung aufsetzen und darauf die Richtung des R. mit der Wasserwage prüfen.

Richtschmaus, s. Richtfest.

Richtstäbchen, dünne, eiserne Stäbchen zum Ausstecken der Richtung auf der Brustwehr eines gedeckt stehenden Geschützes.

Richtsteig, d. h. Weg des Gerichts, der Name für zwei mittelalterliche Rechtsbücher, welche im Anschluß an den Sachsenspiegel (s. d.) und das Sächs. Lehnrecht das gerichtliche Verfahren darstellen. - Vgl. Homeyer, Der R. des Landrechts (Berl. 1857).

Richtung, bei der Aufstellung und Bewegung einer Truppenabteilung die für diese maßgebende Linie. Ein Truppenkörper ist in sich gerichtet, wenn seine Front eine gerade Linie bildet und die hintern Glieder, in der Kolonne die hintern Abteilungen, sich auf die vordern decken. Die R. kann auf einen der Flügel oder auf die Mitte genommen werden. Um bei besondern Gelegenheiten eine genaue Richtung herbeizuführen, wird zunächst die Richtungslinie durch einzelne als Points vorgetretene Leute (meist Offiziere oder Unteroffiziere) genau bezeichnet, worauf die Abteilung "in die Richtungslinie einrückt" und nach den Points "die R. aufnimmt".

Bei Feuerwaffen ist R. die der Entfernung und Lage des Ziels entsprechende Stellung der Seelenachse des Rohrs. Man unterscheidet hier Höhen- und Seitenrichtung; durch erstere erstrebt man die gehörige Schußweite und Gestaltung der Flugbahn, durch letztere wird die seitliche Lage der Geschoßbahn zum Ziel geregelt. Zum Nehmen der Höhen- und Seitenrichtung findet sich an den meisten Geschützrohren der Aufsatz (s. d.) und das Korn, an den Gewehren Visier und Korn. Als Mittel zum Bestimmen der Höhenrichtung dient bei Geschützen außerdem der Libellenquadrant (s. d.), bei den neuern Einrichtungen auch der Richtbogen (s. d.), für die Seitenrichtung das Richtlot. Die Lafetten haben zu diesem Zwecke Richtmaschinen; die Seitenrichtung zu bestimmen dient bei der Rahmenlafette der Rahmen, bei der Belagerungslafette die Richtvorrichtung, bei Feldlafetten der Richtbaum.

Richtungskörperchen, s. Befruchtung (Bd. 2, S. 630 b).

Richtungswinkel, soviel wie Elevationswinkel (s. Elevation).

Richtwerk, beim Flußbau, s. Parallelwerk.

Ricĭmer, röm. Heerführer, der väterlicherseits aus suevischem Königsgeschlechte in Spanien und mütterlicherseits von dem westgot. Könige Wallia abstammte, unter Actius geschult war und längere Zeit als "Königsmacher" das Weströmische Reich beherrschte. Nacheinander erhob und stürzte er Flavius Anitus (454-456), Majorianus (457-461), Libius Sevcrus (461), der 465 starb. Da-

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nach regierte R. eine Zeit lang selbst als Patricius, bis 467 die Vandalengefahr zu einem Bündnisse beider röm. Reiche und zur Einsetzung des Procopius Anthemius zwang. Dieser neue Kaiser vermählte seine Tochter an R., bald entwickelte sich aber zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn eine offene Feindschaft, die mit der Erstürmung und Plünderung Roms durch R. und der Ermordung des Anthemius endigte (11. Juli 472). R. erhob nun Olybrius, der aber, wie auch R. selbst, noch im Herbst des Jahres an der Pest starb.

Ricinolsäure, s. Ricinusölsäure.

Ricinula., s. Igelschnecke.

Ricinus L., Pflanzengattung aus der Familie der Euphorbiaceen (s. d.) mit nur einer Art, der Ricinuspflanze, R. communis L. (s. Tafel: Tricoccen, Fig. 3), die wahrscheinlich in Afrika einheimisch ist, durch langjährige Kultur noch durch die wärmern Gegenden der ganzen Erde verbreitet wurde. Es ist ein baumartiges Gewächs, das in Deutschland nur einjährig vorkommt und hier wegen seines raschen Wachstums Wunderbaum genannt wird. Er hat einen graudustigen Stamm und große schildförmige Blätter mit zwei roten Drüsen oben am Blattstiel, und ist getrennten Geschlechts. Ungewöhnlich sind die zahlreichen, verästelten Staubgefäße der männlichen Blüte. Die dreiknospige, weichstachlige Frucht enthält drei blaugraue, braun marmorierte Samen, Brech- oder Purgierkörner. Sie enthalten ein heftig purgierendes Öl (s. Ricinusöl). In den Gärten ist R. eine der stattlichsten Dekorationspflanzen für Blattpflanzengruppen und den Gartenrasen, muß aber im Warmbeete erzogen und darf erst dann ausgepflanzt werden, wenn keine Fröste mehr zu fürchten sind. Für diesen Zweck eignen sich am besten die Kulturformen: R. borbonienses Hort. arboreus, sehr hoch werdend, R. Gibsoni Hort. von niedrigem Wuchs mit dunkelroten, metallisch glänzenden Blättern, und R. sanguienus Hort. mit braunen Blattstielen und dunkelroten Früchten, sowie die neu eingeführte R. zanzibariensis Hort., von gedrungenem Wuchs und sehr großen, schön geformten Blättern. Sprachforschende Botaniker haben dargethan, daß der Kürbis vor Jonas' Hütte (Jonas 4, 6), den ein Wurm stach, daß er verdorrte, dieser Wunderbaum (kikajon) gewesen, der in der That gegen Verletzungen sehr empfindlich ist.

Ricinusöl, Oleum ricini, auch Kastoröl, engl. Castor-Oil (veraltete Bezeichnung: Christpalmöl, Oleum palmae Christi), das aus den enthülsten Samen von Ricinus communis L. (s. Ricinus) kalt oder warm gepreßte fette Öl. Es ist farblos oder gelblich, sehr dickflüssig, hat einen milden, nachträglich kratzenden Geschmack und erstarrt erst bei -15° C. Bestandteile sind die Glyceride der Ricinusölsäure, Stearinsäure und Palmitinsäure. Es findet medizinisch Verwendung als Abführmittel sowie als Zusatz zu Haarölen und Pomaden, technisch zur Seifenfabrikation, in der Türkischrotfärberei und als Maschinenschmiermittel. Auch gebraucht man es zum Einölen des Oberleders von Schuhwerk. Handelssorten sind italienisches, französisches und ostindisches, letzteres am geringsten im Werte stehend. R. kostet (1894) im Großhandel 50-75 M. für 100 kg.

Ricinusölsäure, Ricinolsäure, eine organische Oxysäure vpn der Zusammensetzung C18H34O3, welche, mit Glycerin zu neutralem Ester verbunden, im Ricinusöl vorkommt. Sie ist ein farbloses Öl,