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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rom und Römisches Reich (als Republik)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Rom und Römisches Reich (als Republik)'

Konsul ernannt worden, und dann hatte er angefangen, die Heere, statt wie bisher aus den vermögendern Bürgern, aus allen röm. Bürgern ohne Unterschied und zufolge dessen größtenteils aus den ärmern Bürgern, mit alleiniger Berücksichtigung der körperlichen Tüchtigkeit zu rekrutieren und dadurch Legionen zu schaffen, die nur an ihren Fahneneid und die Person des Heerführers sich gebunden fühlten – ein weiterer Schritt zur Monarchie. Allein Marius konnte die hierdurch gewonnene polit. Stellung nicht behaupten, und zu gleicher Zeit fanden die Optimaten in Sulla (s. d.) einen Führer, der militärisch Marius mindestens gleichkam und politisch ihm weit überlegen war. Die polit. und persönliche Feindschaft der beiden Männer wurde eine Zeit lang durch die brennendere Bundesgenossenfrage zurückgedrängt. Mehrfach schon waren die Bundesgenossen in den Parteikämpfen der Revolutionszeit verwertet worden, ohne daß man, ihren Wunsch, das Bürgerrecht zu erhalten, erfüllt hatte. Jetzt erhob sich für sie ein Mitglied der Nobilität, der Volkstribun M. Livius Drusus; aber seine Anträge scheiterten an der Selbstsucht und Kurzsichtigkeit aller Parteien. Da schlugen die Italiker los. (S. Bundesgenossenkriege 3.) Wenn sie auch schließlich in dem Kampfe (90–88) unterlagen, so erreichten sie doch, daß ihnen mit ganz wenigen Ausnahmen freiwillig von den Römern das Bürgerrecht erteilt wurde. Damit tritt der Begriff Italien nach und nach an die Stelle von Rom. Unmittelbar nach dem Bundesgenossenkriege, als die Nobilität 88 Sulla das Konsulat und den Oberbefehl für den bevorstehenden Krieg mit dem pontischen König Mithridates übertrug, brach Marius' Haß gegen Sulla offen hervor. Marius wollte ihm den Oberbefehl durch einen Volksbeschluß entreißen; allein Sulla kehrte mit seinem Heere nach Rom zurück, warf die Demokraten nieder, ächtete ihre Führer, vor allen Marius, und zog dann erst gegen Mithridates nach Griechenland und Asien. 84 schloß er dort einen vorteilhaften Frieden.

In Rom hatte sich indessen die Marianische Partei wieder siegreich erhoben. L. Cornelius Cinna rief 87 Marius zurück, und in dem eroberten Rom wurde furchtbar gewütet. Doch starb Marius 86, Cinna wurde 84 ermordet. Darauf kehrte 83 Sulla zurück, schlug die Marianer mehrfach und zog gegen Ende 82 als Sieger in Rom ein. Hier ließ er sich unter dem Titel eines Diktators auf unbestimmte Zeit monarchische Gewalt übertragen, beseitigte durch Proskriptionen die Häupter der Demokraten und suchte durch eine großartige Verfassungsreform in reaktionärem Sinne das alte Senatsregiment gleicherweise vor Angriffen der Volksmänner wie der ehrgeizigen Aristokraten zu sichern. Danach legte er 79 die Diktatur nieder und starb 78 als Privatmann in Puteoli.

Es war dies der letzte Sieg der Aristokratie, und sie konnte desselben in den 30 Jahren von da bis auf Cäsar nicht froh werden. Sullas zeitweilige Alleinherrschaft wirkte anreizend auf seine Offiziere und ließ sie Ähnliches erstreben. Um zum Ziele zu gelangen, mußten aber die unbequemen Schranken von Sullas Verfassung fallen. Der Versuch des Lepidus im J. 78, die Sullanische Verfassung gewaltsam zu stürzen, scheiterte zwar, aber schon 70 beseitigten Pompejus und Lucius Aurelius Cotta auf gesetzlichem Wege zwei Hauptpunkte der Sullanischen Verfassung. Sie führten den Volkstribunat in alter ↔ Macht wieder ein und nahmen den Senatoren die alleinige Vertretung in den Geschworenengerichten. In Spanien setzte der Marianer Sertorius 82–72 den Bürgerkrieg fort, dazu brach, ehe noch dort die Ruhe hergestellt war, 73 in Unteritalien die Empörung einer großen Menge von Sklaven unter Spartacus (s. d.) aus und enthüllte das ganze Elend, das die Sklavenwirtschaft für ganz Italien wie für die Sklaven selbst mit sich brachte. Crassus und Pompejus schlugen 71 den Sklavenaufstand nieder, aber die Mängel der oligarchischen Verwaltung, die sich in der Möglichkeit und der langen Dauer dieses Aufstandes gezeigt hatte, traten bald darauf ebenso grell wieder hervor. Nur mit den größten Anstrengungen und nach Ausstattung des Pompejus mit außerordentlicher Gewalt durch das Gabinische Gesetz 67 konnte die Republik der Seeräuber Herr werden, nachdem man sie jahrelang ihr Unwesen hatte treiben lassen. Die Unsicherheit der Verhältnisse und das Koterienwesen der herrschenden Partei zeigte sich auch in den weitern Kriegen (83–81, 74–63) gegen König Mithridates (s. d.); Pompejus führte schließlich den Kampf als Generalissimus der Republik zu Ende. Nicht minder offenbarte sich 63 in der Verschwörung des Catilina der innere Zerfall.

Um hier nachhaltig Ordnung zu schaffen, bedurfte es einer dauernden, einheitlichen, zielbewußten Leitung, eines Monarchen, wie ihn Rom vorübergehend schon in Sulla besessen. Der Erbe des Sullanischen Einflusses, der glücklichste unter seinen Offizieren, Pompejus, war dafür nicht die geeignete Persönlichkeit, ihm fehlten ebenso der rasche Entschluß wie die staatsmännische Fähigkeit. Dagegen fand die Volkspartei in sich den rechten Mann, der die neue Zeit heraufführen sollte, einen entfernten Verwandten und jugendlichen Parteigänger des Marius: Gajus Julius Cäsar. Dieser stand, als Pompejus, aus dem Orient zurückkehrte, nach der Verwaltung Spaniens, die er als Proprätor geführt, an der Schwelle des Konsulats. Für den Augenblick indessen entspann sich zwischen ihm und Pompejus noch kein Streit, sondern vielmehr ein Bündnis. Als nämlich die oligarchische Mehrheit des Senats Miene machte, den Pompejus dadurch zu demütigen, daß sie seine Anordnungen im Orient nachträglich für ungültig erklärte, nahm Pompejus zu Cäsars Hilfe seine Zuflucht und ließ sich mit diesem und dem reichsten Manne Roms, mit Licinius Crassus, in einen Bund ein, der nicht im Altertum, aber von neuern Autoren früher mehrfach, als wäre er eine förmliche Behörde gewesen, Triumvirat genannt worden ist, während er in Wirklichkeit eher eine Art von Verschwörung war. Die Vereinigung ging dahin, daß durch das Volk, dessen Stimme Cäsar beherrschte, die Gewalt und Vorteile der Regierung unter jene drei Männer verteilt würden, jedoch unter Beibehaltung der bisherigen Verfassungsform. Pompejus erlangte die Bestätigung seiner Anordnungen im Orient; Cäsar das Konsulat für 59 und ferner die Verwaltung des diesseitigen und des transalpinischen Gallien auf fünf Jahre; Crassus vorerst einfach die Stellung eines Dritten im Bunde der Mächtigen. Nach Ablauf seines Konsulats ging Cäsar in seine Provinz, um von ihr aus dem Römischen Reiche und der Civilisation das nördl. Gallien, für sich selbst aber ein erprobtes Heer und die Macht zu gewinnen, künftighin das entscheidende Wort zu sprechen. Pompejus und Crassus blieben in Rom.

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 954.