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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rutin – Ruysch

Rutīn, C₄₂H₅₀O₂₅ + 3 H₂O, krystallinisches Glykosid der Gartenraute (Ruta graveolens L.), welches beim Kochen mit Säuren Quercetin und Isodulcit liefert.

Rutland (spr. röttländ), kleinste Grafschaft Englands, zwischen Northampton, Lincoln und Leicester, 383 qkm mit (1891) 20659 E., ist sanft gewellt und fast durchweg von Ackerfeldern, Wiesen und Hutungen eingenommen. Der Welland an der Südgrenze und seine Nebenflüsse geben hinreichende Bewässerung. Der lehmige Boden ist fruchtbar und erzeugt, besonders im östl. Teil, Weizen, während den westl. Teil Grasfluren bedecken. Auch Schafe und Käse (Stiltonkäse) stehen in gutem Rufe. Ackerbau und mehr noch Viehzucht sind Haupterwerbszweige; die Industrie beschränkt sich auf Woll- und Baumwollspinnerei und Strumpfwirkerei. R. schickt einen Abgeordneten in das Parlament. Hauptstadt ist Oakham mit 4398 E.; wichtig auch Uppingham mit einer 1581 begründeten, vielbesuchten Lateinschule und 2575 E.

Rutland (spr. röttländ), Hauptstadt des County R. im westl. Teile des nordamerik. Staates Vermont, am Otter-Creek, Bahnknotenpunkt, mit sehr bedeutender Marmorgewinnung und ‑Bearbeitung, Maschinenbau, Arbeitshaus, einem Theater und (1890) 8239 E.

Rutland (spr. röttländ), John James Manners, Herzog von, engl. Staatsmann, geb. 13. Dez. 1818 auf Belvoir Castle (Leicestershire) als zweiter Sohn des fünften Herzogs von R., studierte in Eton und Cambridge, trat als Lord Manners, wie er bis zum Tode seines Bruders hieß, 1841 ins Unterhaus und schloß sich später an Disraeli (Lord Beaconsfield) an, neben dem er dann als einer der Hauptvertreter des toryistisch-demokratischen Jungen England (s. d.) glänzte. Im Sinne dieser Partei schrieb R. «England’s trust and other poems» (Lond. 1841) und «Plea for national holidays» (ebd. 1843). 1852 wurde er unter Derby Kabinettsmitglied als Oberkommissar der öffentlichen Arbeiten und nahm dieselbe Stellung in Derbys zweitem (1858‒59) und drittem (1866‒67) Ministerium ein. Unter Disraeli war er 1874‒80 und ebenso unter Salisbury 1885 Generalpostmeister. 1886‒92 bekleidete er in Salisburys zweitem Ministerium die Würde des Kanzlers von Lancaster. Am 2. März 1887 folgte er seinem Bruder als siebenter Herzog von R.

Rutlandssäulen, s. Rolandssäulen.

Rütli, s. Grütli.

Rutschen, Rinnen an Bergabhängen, s. Riesen.

Rutschschere, s. Bergbohrer.

Rutschtuch, s. Feuerwehrrettungsapparate.

Rutte, Schießmaschine des Mittelalters, zum horizontalen Schuß bestimmt; sie bestand aus einem senkrecht stehenden Balken, an dessen Hinterfläche eine starke stählerne Schnepperfeder mit dem einen Ende befestigt war, während man das andere Ende vermittelst einer Windevorrichtung nach rückwärts biegen konnte. In einer Aushöhlung des obern Balkenrandes legte man den nach hinten etwas über die Balkenfläche hinausragenden Pfeil oder Bolzen, der vorn durch eine eiserne Gabel gestützt wurde, welche letztere gleichzeitig dazu benutzt werden konnte, dem Geschoß eine bestimmte Richtung anzuweisen. Wurde nun die Feder aus ihrer zurückgebogenen Lage losgelassen, so schnellte sie in ihre ursprüngliche Lage zurück, schlug mit Gewalt gegen das hintere Ende des Geschosses und schleuderte dieses vorwärts. Eine ähnliche Einrichtung hatte das Chalkentonon des Altertums.

Rüttelweih (Mäusebussard), s. Bussard.

Rutŭler, in der sagenhaften Vorgeschichte Roms ein Volksstamm mit der Hauptstadt Ardea und einem König Turnus. (S. Äneas.)

Ruvo di Puglia (spr. pulja), lat. Rubi, Bischofsstadt im Kreis Barletta der ital. Provinz Bari in Apulien, westlich von Bari, an der Trambahn Bari-Barletta, hat (1881) 17956 E., eine Kathedrale, die sehr alte Taufkirche San Giovanni Rotonda, eine Sammlung antiker Vasen aus hier gefundenen apulischen Gräbern (ein anderer Teil ist im Museum zu Neapel); Weinbau.

Ruvu, Fluß in Ostafrika, s. Pangani.

Ruwenzori, Runssororo nach Stuhlmann, schneebedeckter Gebirgsstock von ungefähr 5600 m Höhe in Äquatorialafrika, zwischen dem Albert-Njansa und Albert-Eduard-Njansa. Stairs erstieg ihn 6. Juni 1889 bis 3500 m und Stuhlmann 12. Juni 1891 bis 4063 m Höhe. Er wurde von Stanley im Mai 1888 entdeckt, an der Westseite von Stuhlmann, an der Ostseite von Lugard 1891 genauer erforscht. (S. Mondgebirge.) – Vgl. Stuhlmann, Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika (Berl. 1894).

Ruwēr, el-, s. Ghuwer.

Ruysbroek (spr. reusbruk) oder Rusbroek, Johs., Mystiker, geb. 1293 in Ruysbroek bei Brüssel, wurde mit 24 Jahren Priester, bald darauf Vikar an der St. Gudulakirche in Brüssel und zog sich im 60. Jahre mit mehrern Freunden in das Chorherrenkloster Groenendael bei Brüssel zurück, als dessen erster Prior er 13. Dez. 1381 starb. Er gab sich gern mystischen Betrachtungen hin, die nach seiner Überzeugung unter Eingebung des Heiligen Geistes erfolgten, daher er auch Doctor ecstaticus («der verzückte Lehrer») genannt wurde. Seine Mystik ist eine theïstische und bekämpft deshalb entschieden die damals verbreitete pantheïstische Mystik. Das sittliche Element in R.s Mystik bethätigte sich in seinen freimütigen Auslassungen über die Veräußerlichung des Christentums, über die Verderbnis aller Klassen im Laien- und Priesterstande bis hinauf zum Papste, dann aber besonders in der Einrichtung seines Klosters, das einen Bruderverein zu gleichen Pflichten und gleicher Liebe im apostolischen Sinne darstellte. Zahllose Pilger kamen um R. zu besuchen, unter ihnen auch Groote, der Stifter der Brüder des gemeinsamen Lebens, und Tauler (s. d.). R.s vlämisch geschriebene Werke, unter denen «Die Zierde der geistlichen Hochzeit», «Der Spiegel der Seligkeit» und «Der funkelnde Stein» die bedeutendsten sind, sind teilweise von Arnswaldt (Hannov. 1848) holländisch, in einer freien lat. Übersetzung von Surius (Köln 1552, 1609, 1692), zuletzt deutsch von Arnold (Offenb. 1701) herausgegeben. – Vgl. Engelhardt, Richard von St. Victor und R. (Erlangen 1838); Schmidt, Étude sur R. (Straßb. 1859); Otterloo, Joh. R. (Amsterd. 1874); Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen, Bd. 18 (2. Ausg., Stuttg. 1877); Auger, De doctrina et meritis Joannis de R. (Löwen 1892).

Ruysch (spr. reusch), Friedr., niederländ. Anatom, geb. 23. März 1638 im Haag, studierte in Leipzig Medizin, ließ sich in seiner Vaterstadt als praktischer Arzt nieder und wurde 1665 als Professor der Anatomie nach Amsterdam berufen, wo er seit 1685 auch Botanik lehrte. Er machte viele neue Entdeckungen und vervollkommnete namentlich die Lehre von den