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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sachsen, Königreich (Geschichte)

Ernst dessen Sohn Kurfürst Friedrich der Weise (1486-1525), in den Erblanden gemeinschaftlich mit seinem Bruder Johann dem Beständigen, der nach dem kinderlosen Tode des erstern auch die Kurwürde bekleidete (1525-32). Damals, wo beider Bruder Ernst Erzbischof von Magdeburg, ihr Vetter Friedrich Hochmeister des Deutschen Ordens war, auf die Erwerbung von Ostfriesland, Lauenburg, Jülich und Berg, selbst von Hessen sich Hoffnungen eröffneten, stand das Ansehen des Hauses S. auf seinem Gipfel. Friedrich der Weise, der Stifter der Universität Wittenberg (1502) und Beschützer Luthers, übte auch in den Verhandlungen über die Reform der Reichsverfassung und in andern Reichsangelegenheiten entscheidenden Einfluß. Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (1532-47) war gleich seinem Vater Johann das Haupt der Evangelischen. Diese Machtstellung des Hauses wurde gebrochen durch die zwischen beiden Linien ausbrechende Feindschaft.

Im Albertinischen S. waren auf Albrecht dessen Söhne, Georg der Bärtige (1500-39) und Heinrich der Fromme (1539-41) gefolgt; während der erstere der Lehre Luthers aufs zäheste widerstrebte, erfolgte mit Heinrichs Regierungsantritt die Einführung der Reformation im gesamten Albertinischen S. Dennoch schlug sich Heinrichs hochstrebender Sohn Moritz (s. d., 1541-53) im Schmalkaldischen Kriege auf die Seite Kaiser Karls V. und erhielt dafür, nachdem Johann Friedrich der Großmütige bei Mühlberg geschlagen und gefangen worden war, 1547 dessen Länder nebst der sächs. Kur durch die Wittenberger Kapitulation. Den Söhnen des gefangenen Kurfürsten übergab Moritz eine Anzahl thüring. Ämter, aus denen allmählich die ernestinischen Herzogtümer erwachsen sind. An das Königreich Böhmen mußte er das Herzogtum Sagan und die böhm. Lehen im Vogtlande sowie die Lehnshoheit über die Reußen überlassen. Zur Sicherung seiner neuen Erwerbungen zog Moritz auch gegen den Kaiser das Schwert, nötigte ihm 1552 den Passauer Vertrag ab, fiel aber 1553 tödlich verwundet in der Schlacht bei Sievershausen gegen Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach. Ihm folgte sein Bruder August (1553-86) trotz der Gegenanstrengungen der Ernestiner, deren Ansprüche er durch Überlassung von Altenburg, Eisenberg und anderer Städte sowie der Ämter Sachsenburg und Herbisleben beschwichtigte. Als der erste Staatswirt unter den deutschen Fürsten erhob er sein Land zu einem Musterstaat; er erwarb 1583 fünf Zwölftel der hennebergischen Erbschaft, zwang den letzten Titular-Burggrafen von Meißen, Heinrich VII. von Plauen, 1569 ihm die vogtländ. Besitzungen abzutreten, aus denen 1577 der Vogtländische Kreis gebildet wurde, bereitete 1570 durch die Sequestration der Länder des verschuldeten Grafen von Mansfeld den (nach Erlöschen des gräflich Mansfeldschen Geschlechts 1780 erfolgenden) Anfall des unter sächs. Lehnshoheit gehörigen Teils dieser Länder an das Kurhaus vor und brachte die Administration der protestantisch gewordenen Stifter Merseburg (1561), Naumburg (1564) und Meißen (1581) an sich. Unter der kurzen Regierung seines Sohnes Christian I. (1586-91) suchte der einflußreiche Kanzler Crell S. aufs neue an die Spitze der prot. Partei zu bringen; allein unter der vormundschaftlichen Regierung (bis 1601) des Herzogs Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar für den minderjährigen Christian II. (1591-1611) vollzog sich mit dem Siege des orthodoxen Luthertums über den Kryptocalvinismus zugleich die Annäherung des Albertinischen S.s an die kath. Partei und an Österreich. Die Unthätigkeit Christians II. trug größtenteils die Schuld, daß seine Ansprüche auf die jülichsche Erbschaft bei Erlöschen des dortigen Hauses 1609 nicht zur Geltung kamen. Sein Bruder und Nachfolger Johann Georg I. (1611-56) lehnte 1618 die ihm von den Böhmen angebotene Krone ab, unterstützte vielmehr den Kaiser Ferdinand II. bei Unterwerfung der Lausitzen und Schlesiens, wofür ihm dieser die erstern 1623 als Unterpfand für die Kriegskosten überließ, 1635 aber im Prager Frieden völlig abtrat. Die fortgesetzte Bedrängung der Protestanten, das Restitutionsedikt, zuletzt Tillys Angriff auf S. trieben den Kurfürsten gegen seine Neigung zum Anschluß an den Schwedenkönig Gustav Adolf, worauf dieser durch die Schlacht bei Breitenfeld 1631 S. von dem Heer der Liga befreite. Aber nach des Königs Tode trat der Kurfürst durch den Prager Frieden 1635 aus die Seite des Kaisers zurück. Er gewann zwar außer den Lausitzen für seinen Sohn August die Administration des Erzstifts Magdeburg auf Lebenszeit und für sich selbst von dem Erzstift die sog. Querfurtischen Ämter, zog aber auf sein Land die fürchterlichste Rache der Schweden herbei.

Seit dem Prager Frieden hat S. keinen weitern Gebietszuwachs erhalten; der Westfälische Friede brachte nur die Bestätigung der gemachten Erwerbungen. Überhaupt aber ist der Prager Friede der Wendepunkt für S.s polit. Geltung, insofern es mit demselben die Führerschaft der prot. Partei aufgab, zumal gleichzeitig Brandenburg unter dem Großen Kurfürsten S. überflügelte. Die von Johann Georg I. verfügte Errichtung der drei Seitenlinien Sachsen-Weißenfels, Sachsen-Merseburg und Sachsen-Zeitz war nur vorübergehend, da diese frühzeitig erloschen (Zeitz 1718, Merseburg 1738, Weißenfels 1746) und wieder mit dem Hauptlande vereinigt wurden; allein auch unter den Kurfürsten Johann Georg II. (1656-80), Johann Georg III. (1680-91) und Johann Georg IV. (1691-94) ließ sich der Verlust der frühern Stellung nicht durch die Entfaltung äußern Glanzes verdecken. Im Innern begründeten die in die drei Kurien der Prälaten, der Ritterschaft und der Städte zerfallenden Landstände besonders durch die ihnen 1661 gegen Übernahme eines großen Teils der Kammerschulden gemachten Zugeständnisse ihre Macht so fest, daß sie die Wirksamkeit des Landesherrn erheblich einschränkten. Die Stiftslandtage verschmolzen allmählich mit den erbländischen Ständen, dagegen standen die beiden Lausitzen in völliger innerer Selbständigkeit neben den Erblanden. Trotz dieser Befestigung ständischer Macht gelang es Johann Georg IV. 1682, ein stehendes Heer zu errichten; auch die kursächs. Post wurde besser organisiert und 1693 unter die Oberpostdirektion in Leipzig gestellt. Die "Ämter" verwandelten sich allmählich aus bloßen Domänenkomplexen in Verwaltungsbezirke unter Amtshauptleuten, indem diese die Aufsicht über das Steuer- und Polizeiwesen der Städte und Grundherrschaften, soweit sie nicht "schriftsässig" waren (d. i. unmittelbar unter dem Kurfürsten standen), übernahmen.

Der Bruder und Nachfolger Johann Georgs IV., Friedrich August I. (1694-1733), der Starke, stürzte sich durch die Erwerbung der poln. Krone, um