Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Diese Seite ist noch nicht korrigiert worden und enthält Fehler.

202
Saint-Saens - Saint-Simon (Claude Henri, Graf)
cardie, an der Linie Abbeville-Ve'thune(-Lille) der
Nordbahn, hat (1891) 1102, als Gemeinde 1476 E.,
ein Kleines Seminar im Gebäude der einst berühm-
ten, Ende des 4. Jahrh, gegründeten Vcnediktiner-
abtei, dabei die große got. Abteikirche S. R. (15.
und 16. Jahrh.).
Saint-Saens (spr. ßäng ßaang), Charles Ca-
mille, franz. Komponist, geb. 9. Okt. 1835 zu Paris,
erhielt seine Ausbildung auf dem Konservatorium
daselbst, wurde 1852 Organist an der Kirche St.
Merry und 1858 an der Kirche Ete. Madelaine in
Paris, von welcher Stellung er 1877 zurücktrat.
S. ist gegenwärtig das Haupt der franz. Instru-
mentalkomponistcn. Außer zahlreichen Werten für
das Klavier und die Orgel schrieb er 4 Sinfonien,
2 Suiten, sinfonische Tongemälde, wie "Narciß K6-
roiquk", "1^6 rouet (i'Oinpd^iL", "1^3^t0n", "DHN86
Mllcadl6", "I^H^6UN6886 ä'llorcule" u. s. w., außer-
dem 5 Klavierkonzerte, 3 Violinkonzerte, 1 Cello-
konzert, 1 Weihnachtsoratorium, 1 Requiem, mehrere
Opern, wie "Henri VIII", "8am8on et Oalila",
"^8cHni0" (1890), "I'lii-M" (1893), Kantaten,
Motetten u. s. w. ^s. Sancerre.
Saint Satur (spr. ßäng ßatühr), sranz. Ort,
Saint Sauveur (spr. ßäng ßowöhr), besuchter
Badeort im Arrondissement Argelös de Vigorre des
franz. Depart. Hautes-Pyre'nlies, bei Luz, 770 ü. d. M.
und 70 in links über der Schlucht des Gave de
Pau, eine einzige steigende Straße am Ostfuß des
Eom de Laze (1837 m), hat eine neue got. Kirche,
zwei Badeetablisscments mit sodahaltigen Schwefel-
quellen von 21-34° 0., Promenaden und aufwärts
die 65 m hohe, 67 in lange Brücke (Pont Napoleon)
über den Gave de Pan mit 47 in breiter Öffnung.
Saint Servan (fpr. ßänghärrwäng), Hafenstadt
im Arrondissement St. Malo des sranz. Depart.
Ille-et-Vilaine in der Bretagne, früher Vorstadt von
St. Malo, an der Mündung der Rance, gegenüber
Dinard, südlich bei St. Malo, an der Südseite von
dessen Hafen, Station St. Malo-S. S. der Linie
St. Malo-Rennes der Westbahn, mit St. Malo
durch eine 12 m hohe, auf Schienen am Grunde des
Hafeneingangs rollende Brücke verbunden, ist Sitz
des Kommandos der 20. Infanteriedivision und
eines Zollamtes und hat (1891) 9670, als Gemeinde
11608 E., in Garnison das 15. Artilleriebataillon
zu Fuß, einen Kriegshafen südlich der nach Westen
sich erstreckenden Halbinsel mit dem Fort de la Cite
und dem bübschen Turm Solidor (14. Jahrh.), ein
Collöge; Schiffbau und Schiffsausrüstung, Fabri-
kation von Schiffszwieback und Handel mit Holz,
Tauen, Salz, Fischen, Getreide und Wein.
Saint Sever-suV-l'Adour (spr. ßäng ßewähr
ßür laduhr). 1) Arrondissement im franz. Depart.
Landes in der Gascogne, hat auf 1711,26 c^km
(1891) 79 985 E., 8 Kantone und 109 Gemeinden.
- 2) Hauptstadt des Arrondissements S. S. und
früher der Chalosse, auf steiler Höhe links am Adour,
an der Seitenlinie Mont de Marsan-S. S. (17 km)
der Südbahn, hat (1891) 2418, als Gemeinde 4805
E., einen Gerichtshof erster Instanz, eine Ackerbau-
kammer, eine Zweiganstalt des Lyceums zu Mont de
Marsan, Pensionate, Spital; Handel mit Eiern,
Getreide, Fettammern, Schinken, Pferden und Wein.
S. S. hatte eine berühmte, 982 gegründete Vene-
diktinerabtei, wovon noch die Kirche aus dem
10. Jahrh, steht, die im 14. Jahrh, verändert wurde.
Saint-Simon (spr. ßäng ßimöng), Claude Henri,
Graf, Gründer der ersten Socialistenschule, ein Sei-
tenverwandter des folgenden, geb. 17. Okt. 1760 zu
Paris, erhielt durch d'Alemberts Unterricht früh-
zeitig eine philos. Richtung. Im Alter von 19 I.
ging er mit Vouillö nach Nordamerika, wo er unter
Washington focht. Seine Neigung, ungeheure Pro-
jekte zu machen, bekundete er schon damals, indem er
dem Vicekönig von Mexiko einen Plan zu einem Kanal
zwischen dem Mexikanischen Busen und dem Stillen
Ocean vorlegte. Nach seiner Rückkehr nach Europa
befaßte er sich ebenfalls mit allerlei weit aussehenden
Plänen, die aber nirgendwo Anklang fanden. Bes-
sern Erfolg hatten die Spekulationen in National-
gütern, die er in den 1.1790-98 in Gemeinschaft
mit einem Grafen Redern unternahm. Er zog sich
daraus mit einem Gewinnteil von 144000 Frs. zu-
rück, brachte diese Summe aber in Jahresfrist durch
und fah sich dann genötigt, eine kleine Stelle am
städtischen Leihhause mit einem Jahrgehalt von
1000 Frs. anzunehmen. Er gab dieselbe jedoch bald
wieder auf, da einer feiner frühern Diener, Diard,
der ein wohlhabender Mann geworden, es über-
nahm, ihm freien Unterhalt zu gewähren. S. trug
sich um diese Zeit hauptsächlich mit phantastischen
und unklaren Ideen über eine Erneuerung der
Wissenschaften herum, berührte dabei aber auch
fchon das fociale Gebiet. Seine ersten Schriften:
"I^ttl-68 ä'un kaditant ä6 66N6V6 3. 868 contsin-
P0i-a.in3" (Genf 1803) und "lutroäuction aux tra-
vHux LciLntiÜHue8 äu 19^ 3iöci6" (Par. 1807), die
er abgekürzt auch u. d. T. "I^eNreä 3.är638668 au Ln-
i'6ku äe81onFiwcl68" (1808) herausgab, blieben ganz
unbeachtet. Erst die "Röoi-FÄni^tion ds 1a 80ciüt6
6ur0i)öLnn6" (Par. 1814), in der er entschieden das
Interesse der industriellen Klasse bervorhob, machte
einiges Aussehen. Nach Diards Tode geriet er in
Elend und lebte fortan nur von den Unterstützungen
seiner Freunde. Gleichwohl hörte er nicht auf, mit
großen Opfern Vrofchüren drucken zu lassen.
Als der Kampf der Stände heftiger wurde, er-
klärte S. in einer "I^radols politMie", dem ersten
Hefte des größeren Werkes "I^Oi-Zain^täui-" (1820),
daß Frankreich mit dem Untergange von 10000
Arbeitern mehr verliere als mit dem Tode ebenso
vieler Beamten und sämtlicher Glieder des königl.
Hauses. Die kecke Äußerung zog ihm eine Anklage
zu, von der er aber durch die Jury freigesprochen
wurde. In den I. 1821 und 1822 veröffentlichte
er ein "8Möm6 inäi^ti-iel" (3 Bde.), dessen Tendenz
sich in dem Motto aussprach: "Ich schreibe für die
Industriellen gegen die Höflinge und Adligen, d. h.
ich schreibe für die Bienen gegen die Hummeln."
Viele junge, zum Teil sehr fähige Männer, wie
Thierry, Comte, Le'on Hal^vy, Rodrigues, scharten
sich um ihn als Schüler. Dennoch verkannte S.
nicht die Erfolglosigkeit feiner Anstrengungen, und
dies sowie der physische Mangel und die Last des
Alters brachen seine Kräfte, fo daß er 1823 zu einem
Selbstmordversuch gebracht wurde, bei dem er ein
Auge verlor. Es erschienen dann noch von ihm der
"(Üat6c1ii8in6 ä63 inäu^rie^" (4 Hefte, Par. 1823
-24) und als fein letztes Werk die kleine Schrift
"I^ouvoan cKi-i3tiHiii8iii6" (ebd. 1825), dessen Grund-
idee die ist, daß die sociale Reform auf Grund des
Princips der Bruderliebe mittels einer religiös-
hierarchischen Organisation der Welt auszuführen
fei, und daß es Zweck der Religion sei, die Gefell-
fchaft möglichst rasch zur Verbesserung der Lage der
ärmsten und zahlreichsten Klasse zu führen. S. starb
19. Mai 1825 in Paris.