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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sankt Gotthard (Gebirgsstock)
der Querschnitt des Gebirges einen Fächer darstellt.
Der Nord- und Südrand werden durch schmale
Zonen von Dolomit und grauen: Schiefer bezeich-
net. Nach O. setzt sich die Centralmasse über Val
Medels hinaus bis zum Lugnetz fort. Das Gebirge
ist reich an Mineralien, namentlich Adnlar, Quarz,
Granat, Tnrmalin, Disthen, Etaurolitb, Strahl-
stein, Tremolit, Apatit, Rutil u. s. w. Obwohl nur
wenige Gipfel 3000 m übersteigen und die meisten
kaum 1000 in über ihre unmittelbare Grundlage
aufragen, verleihen doch die wilden, zackigen Fels-
grate, aus deren Grau nicht selten das Weift eines
Gletsckers oder Firnfeidcs hervorleuchtet, die furcht-
bare Verwitterung, die sich in den Blockbaufen der
Gipfel, den Trümmerhalden der Abhänge kund-
giebt, die Dürftigkeit der Vegetation, die nur an
den äußersten Rändern Baumwucks aufzuweisen
hat, die melancholischen Wasserspiegel der Land-
schaft ein unbeimlich großartiges Gepräge.
Der Sankt Gotthard paß, von dem das Ge-
birge den Namen erhalten hat, ist der einzige Punkt
der Schweizer Alpen, wo zwei einander gegenüber-
liegende Qucrtbaler bis an den Fusi der Eentral-
alpen eingescknitten sind. Von N. her dringt das
Querthal der Reuft zwischen den Berner und Glar-
ner Alpen bis an den Fuß des S. G., von S. das-
jenige des Ticino zwischen den Tessiner Alpen und
dem Adulagebirge. Obwohl demnach der E. G. ge-
stattet, durch Überschreitung eiues einzigen Jochs
vom Nordabfall zum Südabfall zu gelangen, ist er
doch wegen der Unwegsamkeit der Schollenen einer
der jüngsten unter den großen Verkehrswegen der
Alpen. Erst um die Mitte des 13. Jahrb. wnrde er
bäufiger von Pilgern, später auch als Handelsweg
benutzt. Urkundlich wird der Saumweg erst 1293,
das Hospiz mit der dem heil. Gotthard gewidmeten
Kapelle 1331 erwähnt. Im 14., 15. und 10. Iabrb.
diente der Gotthardsweg baufig auch als Heerstraße;
1708 wurde er in der Schollenen durch die Eröff-
nung des Umerlochs und die Beseitigung der ge-
führNchen, in Ketten über der tobenden Reuft hän-
genden Stiebenden Brücke wefcntlich verbessert uud
1775 zum erstenmal von dem engl. Mineralogen
Greville befahren. Am 25. und 26. Sept. 1799 war
er Schauplatz hartnäckiger dämpfe zwifchen Fran-
zosen unter Lccourbe und den von Italien bcran-
marschierten, mit einer ö'sterr. Brigade vereinigten
Russen unter Suworow (s. d. und Französische Revo-
lutionskriege, Bd. 7, S. 191). 1820 - 30 erbauten
die Kantone Uri und Tessin die Poststraße (von
Flüelen bis Vellinzona 125 km). Von Flüelen
steigt sie dem Lauf der Neuß entgegen binauf, ge-
langt durch den Engpaß der Schollenen in das Ür-
serenthal, wo von W. die Furka, von O. die
Oberalpstraße einmünden, windet sich von Hospen-
thal (1484 m) südlich zum Plateau hinanf, über-
fchrcitet die Tessiner Grenze und erreicht die öde
kahle Paßhöbe (2114 m) zwischen der Fibbia und
dem Monte-Profa. Etwa 0,5 Km südöstlich der Höhe
liegen am Ende der Gotthardscen das Hospiz, 1834
-37 an der Stelle eines ältern, von den Franzosen
zerstörten Gebändes errichtet, die St. Gotthard-Ka-
pelle und das Hotel Monte-Prosa, das Hanptquar-
tier für Bergfahrten im Gebiete des S. G. Vom
Hospiz senkt sich die Straße in Windungen durch
das trümmerbesäte Val Tremola nach Airolo hinab,
zieht sich dann, dem Ticino folgend, die Engpässe
von Stalvcdro, Dazio-Grande und Viaschina durch-
brechend, durch die Lerentina nach Viasca, wo links
die Lukmanierstraße einmündet, und durch die Ri-
viera nach Vellinzona hinab. Im Sommer durch-
aus gefahrlos, wird die Straße im Winter und
Frühjahr oft durch Schneestürme und Lawinen un-
sicher gemacht; die gefährlichsten Stellen sind die
Schollenen und das Val Trcmola. Seitdem 1882
der Postdienst, der früher jährlich 60 - 70000 Rei-
sende über den Paß beförderte, infolge der Erösf-
nnng der Gotthardbahn (s. d.) eingestellt wnrde,
dient die Straße nnr noch dem Lokal- und dem Tou-
ristenverkehr. - Vgl. Türler, S. G., Airolo und
Val Piora (Bern 1891).
Die 1885 beschlossenen Verteidignngswerke zur
Befestigung der Straßen gehen (1895) ihrer Voll-
endung entgegen. Man kann sie als ein Haupt-
reduit des Landes bezeichnen, das einer Belage-
rung oder Einschließung längern Widerstand ent-
gegenzusetzen vermag; in Verbindung mit andern
Befestigungen, z. V. Luziensteig und St. Maurice,
stellen sie ein befestigtes Lager mit modernsten
Einrichtungen dar.
Die Werke von Airolo verteidigen die St.
Gotthardstraße und die Gotthardbahn (s. d.) bei
ihrem Austritt in das Tessinthal. Der Südeingang
des Gotthardtunnels ist mittels eines elektrisch wir-
kenden Systems geschützt, welches gestattet, in einem
Angenblick durch Hunderte von stets bereit gehal-
tenen Steinblöcken den Eingang zu verstopfen, ohne
die Baulickkeit felbst zu zerstören. Etwa 200 m west-
lich von Airolo und dicht an der Gotthardstraße liegt
die bedeckte Batterie von Motto-Vartola. Von der
Ferne bietet sie das Anssehen einer weiften Kappe,
deren Teckel kaum 4 m hoch emporragt; sie ist 10 m
tief in den Fels versenkt und enthält fünf Panzer-
türme; ein sturmfreier Graben umgicbt das Werk
vollständig, desfcn Flankiernng durch Mitrailleusen
aus Kaponniercn gesichert ist. Dicht unter der Bat-
terie Motto-Bartola schließt sich das Fort Fondo de
Vosco an, das sich mit Ausnahme weniger Schlote
nur 1-1,50 m über den Erdboden erbebt. Geplant
ist noch ein Sperrfort auf dem S. G. ganz in der
Nabe des Hospizes, um den Übergang unmittelbar
zu schützen und gleichzeitig die Verbindung zwischen
Andermatt und Airolo zu sichern.
Das Oberalpfort soll die Straße von Ander-
matt nach Dissentis verteidigen; es ist in einer Halb-
redoute auf einer Vergkuppe, dem Calmot, errichtet,
mit einem 12 cm-Panzerturm verfehen und mit ver-
schiedenen Militärgebäuden besetzt, die auf eine
weitere Ausdebnung der Armierung fchließen lassen.
Die Werke von Andermatt und am Urner
Loch schützen die große Straße sowie die Eisenbahn
des Reußthales. Auf dem Väzberg ist das Bäzberg-
sort angelegt, welches das ganze Rcußthal bestreicht
und Göschenen, den Bahnhof, den Tnnnelausgang
und die Straße bis Wasen bestrcicht. Unterstützt
wird die Wirkung dieses Forts nach Süden durch das
Fort Bühl, das die Punkte beherrscht, an denen sich
die Oberalpstraße, die Gotthard- und Furt'astraße
treffen. Diefe mit Panzertürmen versehenen, meist
in den Felsen eingesprengten Forts sind kaum sicht-
bar, bei dem Fort Bühl läuft kein äußerer Weg aus;
es ist mit der Gotthardstraße durch einen in den Ge-
birgsstock des Väzberges gebohrten Tunnel verbun-
den. Zwischen dem Urner Loch und der Teufels-
brücke ist eine mit Schießscharten versebene, be-
festigte Brücke errichtet, welche über die Reuß zum
Tunnelcingang führt; sie ist mit eisernen Thoren
verschließbar und durch eme Battene geschützt, die