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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schaumweine
sich die Hefe gegen den Hals hin. Nach 12-14 Ta-
gen wird dasselbe wiederholt, aber der Flasche eine
etwas stärkere Neigung gegeben. Dies wird so
lange fortgesetzt, bis die Flaschen endlich auf dem
Kopf stehen und die Hefe unmittelbar auf dem Kork
liegt, während der Wein völlig blank ist. Dann
erfolgt die eigentliche Fertigmachung. Jede Flasche
wird wieder geöffnet (das Degorgieren) und die
Hefe entfernt. Dieses Degorgieren erfordert große,
durch lange Übung erworbene Geschicklichkeit. Hier-
auf erfolgt das Dosieren. Der in den Flaschen
befindliche Wein ist klar und hat die richtige Kohlen-
säuremenge, allein es fehlt noch der fog. Liqueur,
ein Zusatz von einer Lösung von reinem Rohrzucker-
kandis in bestem Champagnerwein oder Cognac, der
ihm seinen süßen und lieblichen Geschmack erteilt
und von welchem jede Flasche von 800 ccm Inhalt
eine gcnau bestimmte Dosis empfängt, erforderlichen
Falls auch eine Färbung. Nach der Dosierung,
die durch eigenartige Apparate geschieht, solgt die
Schließung der Flaschenösfnung mittels eines ge-
preßten Korks, der mit Eisendraht und Bindfaden
befestigt wird. Diefe Operation wird Ficellieren
genannt. Hat der Pfropfen nicht die richtige Stel-
lung, so läßt er nicht selten Gas zischend entweichen
und es erfolgt später kein Knall. Die letzte Ausstat-
tung (das Coiffieren) empfangen die Flafchcn
durch Umkleiden des Pfropfens und des Halses
mit Stanniol, Lack oder Metallkapseln und Auf-
kleben der Etikette. Zur Erzeugung eines Mousseux
von 1 Atmosphäre find 4,56 F Rohrzucker erforder-
lich. Um nun für jedes andere Mousseux die nötige
Menge Zucker zu berechnen, so hat man nur nötig,
die verlangte in Atmosphären ausgedrückte Stärke
des Mousseux mit 4,56 zu multiplizieren. Der Druck
in einer Champagncrflasche beträgt bei Cremant
ls. unten) bis 4 Atmosphären, bei Mousscux4-4^,
bei Grand-Mousscux 4^--5 Atmosphären: bei 7
und 8 Atmosphären springen die Flaschen. Die ge-
naue Ausrechnung des Zuckerbedarfs ist deshalb
wichtig, um den Bruch der Flaschen soviel als mög-
lich zu vermindern: beim Gären springen im nor-
malen Falle durchschnittlich 4 Proz. aller Flaschen.
Der echte Champagner mousseur ist ein
feuriger, leichter, äußerst angenehmer Süßwein mit
großem Gehalt an Kohlensäure. Man unterscheidet
nach dem letztern drei Sorten: Crem ant, die leich-
teste, mehr Nabm als Schaun: entwickelnd; dann
Mousseux und Grand-Mousseux. Außerdem
giebt man dem Champagner noch besondere Be-
zeichnungen, öfters auch nach der Farbe, für die
man gegenwärtig Gelb oder leichtes Nosa wählt.
Die Bereitung des Champagners befchäftigt eine
große Anzahl von Geschäftshäusern in Städten wie
Ay, Avenay, Cramant, Ogcr, Le Mesnil-sur-Oger,
Dizy Magcnta, Mareuil-sur-Ay, Cumieres, Haut-
villers, Epernay, St. Thierry, Marsilly, Hermon-
ville, Reims, Sillery, Verzy, Vcrzcnay, Mailly,
Ludcs, Chigny, Rilly, Bouzy, St. Basle, Aubonnay,
oder auf den Hügeln von Reims und St. Remy und
südlich von der Cöte d'Avize. Unter diesen Orten sind
einige sehr bekannt, so z. B. Sillery, dessen Name
früher allgemein zur Bezeichnung des Champagners
diente; es ist ein Schloß und gehört dem Hause
Iaequeson H Fils. Am linken Marneufcr das be-
rühmte Schloß von Vcuve-Clicquöt, jelüge Inhaber
Werlö& Co. In Epernay an der Marne ist der Haupt-
fabrikplatz für den Champagnerwein aus Flußwein
(vin8 äe 1a i-iviöi-e), zum Unterschied von dem aus
der Umgegend von Reims aus Gebirgswem (ving
ä6 1a nionwFN6). In Chalons-sur-Marne, dicht
am Bahnhöfe, liegen die Champagnerkeller der
Firma Iacqueson & Fils, die gegen 4 Mill. Fla-
schen enthalten. Nur wenige Marken fthren den
Namen der jetzigen Besitzer; so sind z. B. die Mar-
ken N. H. Schneider, Reims vom Hause Louis
Röderer, Heidsieck & Co. vom Hause Waldbaum,
Lülleng H Gouldcn erworben worden. Folgende
deutsche Namen finden sich unter den franz. Cham-
pagnerfabrikantcn oder Marken: Schlumpe, Koch,
Bisniger, Wächter, Rödcrer, Abele, (^chweder,
Schneider, Bumiller, Werle' (früher Weber), Lopf,
Deutz, Geldermann, Vollinger, Pfungst, Heidsieck,
Krug, Waldbaum, Mumm, Kurz, Bruch, Vuchard,
Volt, Piper, Kunkelmann, Heidelberger. Andere
weltbekannte Firmen sind noch Cliquot-Veuve und
Eugene Clicquot (Inhaber Charles Benoit, de Ves-
lud & Co.) in Reims; Duc de Montebello, Chacque-
son, Chanoine, Moet & Chandon, Foucher, Ser-
gent u. s. w.
Die Wirkung ist in Bezug auf den menschlichen
Organismus eine sehr anregende, belebende, auf-
heiternde, wie sie kein anderes Getränk äußert; die
Wirkung tritt in kurzer Zeit ein und verschwindet
anch bald wieder. Der Champagner wird daher
nicht nur als die Krone des Weingenusses betrachtet,
sondern leistet auch Dienste als diätetisches Mittel.
Er muß, um zu voller Wirksamkeit zu gelangen, kalt
getrunken werden, frappiert, d. h. in Eis gekühlt.
Die Champagnergläser sind entweder sehr hoch und
spitzkegelförmig oder sehr niedrig, flachschalenförmig.
Der moussierende Champagner ist erst in der Neu-
zeit in den Kreis der Weine eingetreten. Vor der
Anwendung der Korke als Verschlußmittel war
seine Fabrikation unmöglich und diese soll von Dom
Pcrignon, Pater-Kellermeisters der Abtei von Haut-
Villcrs, herrühren, der von 1670 bis 1715 gelebt
haben soll. Zum erstenmal öffentlich erwähnt wurde
der Champagner 1718 mit dem Bemerken, daß er
jetzt feit 20 Jahren bekannt fei; er bekam das Prä-
dikat "petiliHnt" und die Volksnamcn "Pfropfen-
trciber" oder "Teufelswein". Damals hielt man
seine Bereitung für Zauberwerk und glaubte, daß
Geheimmittel dazu notwendig wären. Nach der
Provinz Champagne des alten Frankreichs erhielten
die S. durch die Kriege von 1793 bis 1815, während
welcher Zeit oft fremde Heere in der Champagne
standen, von den Fremden den Namen Champagner,
der sich später dann über die ganze Welt verbreitete.
In Deutschland begann die Vereitung der S. zu-
erst in Eßlingen am Neckar (Keßler & Georgi) und
in Heilbronn (Zeller & Stauch), etwas später in
Unterfranken (Würzburg) 1830, an der Mosel 1834.
Man benutzt hierzu heute die Lothringer Weine und
auch ein Gemisch von blauen Burgundertrauben
mit Riesling. Es existieren gegenwärtig viele
Fabriken in Deutschland für Vereitung von deur-
fchem Schaumwein. Die bekanntesten Firmen sind:
Vurgeff &Co. in Hochheim a. M.; Fuchs H Verum
ebendaselbst: Matheus Müller in Eltville; Franz
Kupferberg in Mainz; Cassella in Wiesbaden; Korts
in Koblenz u. a. Alle diese Fabriken arbeiten nach
der franz. Methode. Außer den oben erwähnten Ver-
fahren ist noch zu nennen das Neihlensche Gürver-
fahren. In der Wachenheimer Fabrik (Großherzog-
tum Hessen) werden täglich über 6000 Flaschen nach
Reihlen dargestellt. Die Gärung verläuft ohne
Hefenabsatz und das Degorgieren fällt weg. Die