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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schulchan aruch - Schuldhaft
im 19. Jahrh, vielfach spöttisch ^röi-68 iFN0i-antin8
(Ignorantiner, Ignorantenbrüder, ?lH-
ti-68 i^norantiHe) genannt. Sie ist in Frankreich
und Belgien sehr verbreitet und hatte bis 1875
auch in der Rheinprovinz einige Häuser. Ähnliche
Genossenschaften sind in Frankreich die IVei'68 äs
)'in8truetioii cni-etienn,?, 1822 von M. R. de la
Mennais gegründet, die ^rki-68 äe 1a. äoetlins
Hr6ti6im6 u. a. - Vgl. Schrnid, Encyklopädie des
Erziehungswesens^Bd.7 (2. Aufl., Lpz. 1886).
Schulchan aruch (hebr., "gedeckter Tisch"), aus
Ezech. 23, 41 hergenommener Name eines systema-
tischen Auszugs des Rabbi Joseph Karo (geb. 1488,
gest. 1575) aus den wichtigsten talmudischen Ent-
scheidungen, namentlich span.-jüd. Rechtsgelehrter.
Schon früher waren derartige Versuche zur Syste-
matisierung der Stossmassen des Talmuds durch
Maimonides (s. d.) in seiner ^aä kHodaxakH und
in dem Nitualcoder ^rda, turim des Jakob ben Ascher
(14. Jahrh.) gemacht worden. Zu diesen Arbeiten
hatte Karo Kommentare (X686l^Ii8c1in3.und Lktk
^086l ai Katwrim) geschrieben; ein Auszug aus bei-
den ist der S. a. (zuerst erschienen Vened. 1565). Der
S. a. zerfällt in die vier Teile: 1) Oracii cua^im
("Lebenspfad"), Vorschriften über häusliches und
gottesdienstliches Leben; 2) .lore äea. ("Weisheits-
lehre"), Ritnalvorschriften; 3) lüliogelien namiZcii-
Mt ("Rechtsfchild"), Civil- und Kriminalrecht;
4) Nden 1i3.^6r ("Siegesgedenkstcin"), Eherecht.
Noch bei Lebzeiten Karos erfchicnen Zufätze und
Verbesserungen zum S. a. nach deutschen und franz.
Talmudisten von Moses Isserles (gest. 1572), die
in der Folgezeit mit abgedruckt wurden. - Der S. a.
ist nicht ein Lehrbuch einer das gesamte Judentum
verpflichtenden Dogmatik, sondern ein Nachschlage-
werk für den allgemein gültigen Ritus der jüd.
Religion. - Zu dem in neuerer Zeit über den S. a.
geführten Streit vgl. die beim Artikel Jüdische Litte-
ratur (Bd. 10, S. 988 a) angeführten Werke. Eine
deutsche Übersetzung des S. a. mit Erläuterungen
veranstaltet von Pavly (Basel, seit 1888).
Schuld, juristisch der für die Zurechnung einer
rechtsverletzendcn Handlung oder einer Gesetzes-
übertretung maßgebende innere Grund. Die S.
ist entweder zurückzuführen aus bewußt rechts-
widriges Handeln (Absicht, böser Vorsatz, s. V0W3)
oder auf Fahrlässigkeit (s. d.). Die S. verpflichtet
einerfeits zum Schadenersatz (s. d.), Zahlung von
Schmerzensgeld (s. d.), Buße (s. d.); andererseits
trifft den Urheber einer strafbaren Handlung die im
Gefetz angedrohte öffentliche Strafe. - Über S. im
vermögensrechtlichen Sinne f. Schulden.
Unter S. in moralifcher Bedeutung ver-
steht man die Urheberschaft des sittlich Böfen, das
aus der Nichtachtung oder der bewußten Leugnung
des Sittengesetzes entspringt. Zur S. wie zu dem
ihr entgegengesetzten Verhalten gehört daher die
Freiheit der Handlung. Die Größe der S. bemißt
sich nach dem Grade der aufgewandten Willens-
energie, die auf Grund der Vefchaffenhcit, Zahl und
Stärke der entgegenwirkenden Motive beurteilt wird.
Die größere S. wird dem Menschen beigemessen, der
den größeren Antrieb zum Guten zu überwinden hatte.
Schuldbrief, soviel wie Schuldschein (s. d.).
Schulden, im weitern Sinne alle vermögens-
rechtlichen Verbindlichkeiten, also auch die, fremde
dachen, welche wir entliehen haben, die bei uns hin-
terlegt sind u. s. w., zurückzugeben. Im engern Sinne
sind es die Verbindlichkeiten, deren Erfüllung sich
als eine Aufopferung, eine Entäußerung von dem
Unserigen, wenn schon gegen Entgelt, darstellt. S.
in diesem Sinne (Passiven) sind die negativen Grö-
ßen des Vermögens, während die uns gehörigen
Sachen und Rechte, einschließlich der Forderungen
(Aktiven), die positiven Größen darstellen, so daß
man, um den Bestand des Vermögens zu finden,
den Wert der Schuld von dem Wert der Aktiven
abziehen muß (f. Bilanz). Iuristifch entspricht die
Schuld des Schuldners der Forderung des Gläubi-
gers, so daß was von dem Forderungsrecht (s. d.)
gilt, für die Begründung, Klassifizierung, Tilgung
u. s. w. der S. maßgebend ist. Eine besondere Klasse
der S. sind die generischen Verbindlichkeiten, ein-
schließlich der Geldschulden, weil sich bei ihnen die
Gefahr anders stellt. (S. Gattung, Bd. 7, S. 594d.)
Bezüglich der Sicherung unterscheidet man die hypo-
thekarischen S. (s. Hypothek), Grundschulden (s. d.)
oder durch Faustpfand (s. d.) gedeckten von den ein-
fachen Vuchfchulden (chirographarischen) einschließlich
der Wechselschulden. Wegen ihres Verhältnisses zu
dem kaufmännischen Gefchäft des Schuldners unter-
fcheidet man die Gefchäftsfchulden, welche im Be-
triebe des Geschäfts begründet sind und getilgt wer-
den, von den Privatschulden. Denn bei Veräußerung
des Geschäfts werden wohl die Geschäftsfchulden,
aber nicht die Privatschulden von dem Geschäfts-
nachfolger übernommen; auch gewinnt diefe Unter-
scheidung eine Bedeutung im Falle des Konkurses
einer Offenen Handelsgesellschaft (Handelsgesetzbuch
Art. 122). Wegen zwangsweiser Einziehung der S.
s. Zwangsvollstreckung, Schuldhaft und Schuld-
knechtfchaft.
Schuldenmasse, auch Passivraasse genannt,
nach der Deutschen Konkursordnung die Summe
der aus der Konkursmasse zu befriedigenden Kon-
kursforderungen. Die Feststellung derselben ist der
Zweck des Prüfungsverfahrens (s. d.).
Schuldfrage, im Strafprozeß im Gegensatz zur
Straffrage die Frage, ob der Angeklagte der ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlung schuldig ist. Sie
setzt sich zusammen aus der Beweisfrage, ob die
That und deren Begehung durch den Angeklagten
erwiesen ist, und aus der Frage der Gesetzesanwen-
dung (Subsumption), ob die erwiesenen Thatsachen
den nn Strafgesetz bezeichneten Thatbestand erfüllen.
Dazu kann unter Umständen die dritte Frage treten,
ob die Schuld durch irgendwelche Umstände (z. B.
Bewußtlosigkeit, Notwehr) ausgeschlossen wird. Die
Abstimmung über die S. muß stets gesondert von
der Straffrage erfolgen; im schwurgerichtlichen Ver-
fahren (s. Schwurgericht) steht sie den Geschworenen
zu; ihr Schuldig enthält zugleich die Verneinung
von Schuldausschließungsgründen. Zur Bejahung
der S. fordern die neuern Gesetze in der Regel eine
stärkere Stimmenmehrheit. So fordert §. 262 der
Deutschen Strafprozeßordnung für jede dem Ange-
klagten nachteilige, die S. betreffende Entscheidung,
§. 329 der Osterr. Strafprozeßordnung für die Ent-
scheidung der Geschworenen über die S. eine Mehr-
heit von zwei Dritteilen.
Schuldhaft, Personalarrest, in den frühern
deutschen Prozeßrechten teils ein Erekutionsmittel
zur Erzwingung einer urteilsmäßigen Leistung,
teils ein Sicherungsarrest, um die Einleitung oder
Fortsetzung des Prozesses oder die gefährdete Exe-
kution in das Vermögen des Schuldners zu sichern.
Es brach sich jedoch schon vor der Gründung des
Deutschen Reichs die Überzeugung von der Schad-