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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schwungrad - Schwurgericht
oder massigern Körper sich am weitesten von der
Eentralachse entfernen, dient ein eigentümlich aus-
gebauchtes Glasgefäh (Fig. 2), das etwas rot-
gefärbtes Wasser und Quecksilber enthält. Bei
rascher Notation dieses Gefäßes anf der Achse a
iFig. 1) steigen beide Flüssigkeiten an den Wänden
jenes Glasgefäßes aufwärts und bilden am Vaucke
desselben Ringe, wobei das Quecksilber, als die
dichtere Flüssigkeit, am weitesten von der Um-
drchnngsachse a abliegt. Wenn man an dem zwei-
ten Aufsatze (Fig. 3) die ungleich großen, mittels
Fig. 2.
Fig. 3.
Schnüre verbundenen Kugeln so stellt, daß sich ibr
Abstand von derUmdrebungsacbse umgekehrt verbalt
wie ihre Massen, so halten sie sich bci ihrer schnellen
Umdrehung das Gleichgewicht. Ist jedoch das Pro-
dukt aus Masse und Abstand
D ^^I ?^ km^" Kugel größer als
!!f ' U> jenes der andern, so fahren
beide Kugeln längs des sie
tragenden horizontalenTrah-
tcs nach jener Seite bin, wo
das größere Produkt statt-
hat. Hat man (Fig. 4) einen
Achsenansatz, an dem infolge
der sich entwickelnden Flied-
kraft eineMessingkugel ä nach
außen hin sich zu entfernen
sucht, so wird durch den Win-
kelhebel ä d o ein Gewicht c
gehoben. Wenn man dann
die Umdrehungsgeschwindig-
keit 2, 3 ... mal steigert, so
läßt sich in dieser Weise ein
4, 9 ... mal größeres Ge-
wicht heben. Ferner kann
man noch zeigen, daß ein
schnell rotierendes, aus fe-
dernden Metallstrcifen beste-
hendes Kugelgerippe (Fig. 5)
sich um so stärker an den Po-
len abplattet, je weiter sich
vermöge der Centrifugal-
kraft die Teilcken jener Fe-
Umdrehungsackse entfernen.
F'g. 5.
derstreifen von der
Dieser Aufsatz dient zur Versinnlichung der Abplat-
tung der Erde. (S. auch Plateaus Vcrsncbe.)
Äußer den Versuchen mittels der S. kennt man
auch die Fliehkraft aus dem gewöhnlichen Versuche,
wonach ein Glas Wasser mittels eines geschwunge-
nen Reifens schnell rotiert wird, obne jenes Wasser
zu verschütten, u. dgl. m. Ferner gehört hierher das
Zerreißen zu schnell rotierender Schwungräder. Tie
Fliehkraft wird benutzt bei der Töpferscheibe, beim
Centrifugalregulator an Dampfmaschinen, bei Ccn-
trifugalgebläsen, Centrifugalventilatoren, Centri-
fugen, Centrifugalwasserhebemaschinen, Centrifugal-
säemaschinen, Centrifngalrutschbahnen u. s. w.
Schwungrad, ein auf die Welle einer Kraft-
oder Arbeitsmaschine aufgekeiltes Rad mit schwerem
Kranz, meist von Gußeisen hergestellt, welches ver-
möge seiner beträchtlichen Masse und der großen
Geschwindigkeit des Nadkranze" eine bedeutende
Arbeitsmenge in sich anfspeichern kann; daher ver-
mag es bei Überschuh der vom Motor geleisteten
Arbeit über die durch die Arbeitsmaschine ver-
brauckte diesen Überschuß in sich aufzunehmen, wo-
bei die Maschine etwas beschleunigt wird. Bei
überwiegendem Arbeitsverbrauch giebt das S. dann
die aufgespeicherte Arbeit wieder ab. So dient das
S. zur Ausgleichung der Unregelmäßigkeiten, welche
im Gange einer Maschine durch die Schwankungen
in der Größe des zu überwindenden Widerstandes
oder der bewegenden Kraft veranlaßt werden. Tie
größten S. besitzen die Mannesmannschen Röhren-
walzwerke. Ihr Kranz ist ans festestem Stahldraht
zusammengesetzt. Gußeisen würde in diesem Falle
der Centrifugalkraft nicht standhalten; der Kranz
würde zerreißen und die Stücke desselben würden
weit fortgeschleudert werden (Schwungrad-
erplosion). - Vgl. Laskus und Lang, S. und
Eentrifugalpcndelregulatoren (2. Aufl., Lpz. 1884).
Schwur, s. Eid.
Schwurgericht, auch Geschworenengericht
oder Jury, allgemeine Bezeichnung für eine Ver-
sammlung von eidlich in Pflicht genommenen, regel-
mäßig rcchtsunkundigcn Vertrauensmännern aus
dem Volke (Geschworene, engl. ^i-^meu, frz.
^ni-63), welche in allen bedentendern, einer gericht-
licken Bebandlung unterbreiteten Fällen durch ihren
Spruch l W a hrspruch, Verdikt, vei-ediowm) den
Sachverhalt festzustellen haben und damit die An-
wendung des einschlagenden Gesetzes durch die rechts-
gelehrten Richter vorbereiten.
In England, der Heimat des Instituts, dessen
älteste Überlieferungen auf das normann. Recht zu-
rückweisen, werden Geschworene sowohl bei bürger-
lickcn Nechtsstreitigkeiten (Civiljury) als in
solcken Strafsachen einberufen, welche vor die Quar-
talsitzungcn der Friedensgerichte (s. ^U3tic68 ok tde
I'eace) oder vor die Assisen (s. d.) gehören. Auf die
Strafrechtspflege bezieht sich dort der Unterschied
zwischen Großer und Kleiner Jury (Frauä, p6tt)-
^ni-)'). Die Große oder Anklagejury (s. d.) ent-
scheidet, ob die Verdachtsgründc zur Erhebung einer
Anklage hinreichend sind oder nicht (true diii oder
U0t tunnä, Q0t 3, true I)i11). In ähnlicher Weise
kann die dem Coroner (s. d.) zur Seite stehende
Totcnsckaujury schon anf die Voruntersuchung
Einfluß üben, wenn sie ihre Überzeugung dahin aus-
spricht, daß ein unnatürlicher Todesfall vorliege,
der auf ein Verbrechen als Ursache zurückweise. Die
Verhandlungen über förmliche Anklagen erfolgen in
Gegenwart der aus 12 (in Schottland 15) Mitglie-
dern bestehenden Kleinen oder Urteilsjury,
welche nach Vollendung der Beweisaufnahme in
strenger Abgeschlossenheit ihren einhelligen (in
Schottland mindestens 8 gegen 7 Stimmen), auf
schuldig oder nichtschuldig (^nilt)', uot ßuM)', in
Schottland auch not provou, nicht erwiesen) lauten-
den Wahrspruch zu finden hat. Sie ist hierbei an
gewisse, allgemein bekannte Grundsätze gebunden,
welcbe die Bedingungen der Annahme eines hin-
reicbenden Beweises (eviäLuce) festzusetzen suchen,
und kann, falls diese fehlen oder ein Rechtsgrund der
Verurteilung entgegensteht, vom Richter angewiesen
werden, sofort ein "Nichtschuldig" zu sprechen. An-
dernfalls führt der Nichter den Geschworenen an der
Hand der von ihm gemachten Aufzeichnungen die
Beweisergebnisse nochmals vor und erteilt ihnen über
deren Würdigung und die Erfordernde des festzu-