Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Serbien (Geschichte)'
Eine Veränderung brachten die Kriege Österreichs gegen die Pforte, in denen 1688 Belgrad erobert und
1689 Prizren und Skoplje besetzt wurden; jedoch die Wendung 1690 führte zu einer starken serb.
Auswanderung nach Südungarn (s. Crnojević). 1718–39 war Belgrad mit dem Land
zwischen Drina, der serb. Morava und Timok im Besitz Österreichs. Auch im Kriege 1787–91 wurde Belgrad
von Österreich erobert; aus den Einheimischen wurden starke Freikorps geworben, deren geübte
Mannschaften nach dem Frieden im Lande blieben. Der serb. Aufstand 1801 begann als «loyale» Revolution
der christl. Bauern gegen die rebellischen Janitscharen von Belgrad, das 1806 von den Serben erstürmt
wurde, worauf aber die Aufständischen im Bunde mit den Russen 1806–12 den Krieg gegen die Pforte
führten. (S. Osmanisches Reich,
Bd. 12, S. 683b.) Der Friede von Bukarest (1812) verhieß den Serben innere und finanzielle Autonomie
nebst voller Amnestie; nur die alten Festungen sollten der Pforte zurückgegeben werden. Als aber Europa
durch die Befreiungskriege beschäftigt war, unternahm der Großwesir Churschid Pascha einen Zug, um die
Serben mit Waffengewalt völlig zu unterjochen. Karadjordjes Plan, sich auf die Defensive in den Festungen
und Waldgebirgen zu beschränken, wurde von den Woiwoden nicht angenommen, der Grenzkrieg führte zu
Niederlagen, Belgrad war nicht für eine Belagerung vorbereitet, und Karadjordje trat daher 3. Okt. 1813 mit
den meisten Anführern und zahlreichen Flüchtlingen auf österr. Boden über. Von den Häuptern der
Bewegung blieb nur Milosch Obrenowitsch, der Woiwode von Užice, im Lande, der nun von den Siegern
zum Chef (Knez) der Kreise von Rudnik und Kragujevac ernannt wurde. Grausame Hinrichtungen und
Verfolgungen nach einem Aufstandsversuch (1811) erregten von neuem die ganze Bevölkerung gegen die
Türken. Am Palmsonntag 1815 begann Milosch vom Dorfe Takovo aus einen neuen Aufstand, schlug einige
türk. Truppenabteilungen, verständigte sich aber bald mit dem Rumeli-Walessi Maraschli Ali Pascha über
eine Landesautonomie unter einheimischen Knezen, mit einem Senat als oberster Gerichts- und
Finanzbehörde, wobei er selbst als «Basch-knez» (Oberfürst) anerkannt wurde. Der griech. Aufstand zog die
völlige Austragung aller Fragen in die Länge, bis nach dem Frieden von Adrianopel der großherrliche
Hatt-i-Scherif von 1830 festsetzte, daß Milosch als erblicher Fürst bestätigt würde, die Türken nur in den
Festungsstädten wohnen dürften, und die Grenzen auf den Stand von 1812 gebracht würden, worauf die
Serben 1833 Negotin, das Timokthal, Alexinac und Kruševac übernahmen. Milosch, der meist in Kragujevac
und Požarevac residierte, regierte nach dem Vorbild türk. Paschas mit Willkür, ohne Volksversammlung, riß
Handelsmonopole an sich und unterdrückte einige Aufstände mit blutiger Grausamkeit. Unter dem Einfluß
der Reformen in der Walachei und in der Türkei regte sich seit 1835 eine starke, von den Schutzmächten
des Fürstentums, Rußland und der Pforte, unterstützte Opposition zu Gunsten eines Statuts
(Ustav), das 1838 erlassen wurde und vor allem einen Senat zur
Beschränkung des Fürsten schuf. Milosch dankte deshalb 13. Juni 1839 ab. Von seinen Söhnen regierte
Milan nur wenige Wochen; Michael, der nach ihm den Thron bestieg, wurde schon 1842 durch einen
Aufstand der Senatorenpartei, an deren Spitze der Woiwode Wučić und der Diplomat ↔
Petronijević standen, zur Abdankung gezwungen, worauf die Skupschtina Sept. 1812 Alexander
Karadjordjewitsch (1842–58) einstimmig zum Fürsten wählte. Die Oligarchie der Senatoren, die den Fürsten
auf den Thron gebracht hatte, behielt während seiner ganzen Regierung den größten Einfluß. Während der
ungar. Revolution 1848–49 bewog der Kampf der südungar. Serben gegen die Magyaren auch S., zur
Unterstützung Österreichs ein Freiwilligenkorps unter Kničanin (s. d.) abzuschicken.
Nach der Niederwerfung der Revolution geriet Fürst Alexander ganz unter den reaktionären österr. Einfluß;
er berief keine Skupschtina mehr, kam aber während des Orientkrieges bei seiner Unselbständigkeit in eine
arge Lage. Rußland besetzte die Walachei und wollte die Serben zu einem Angriff auf die Pforte
veranlassen, während Österreich, um dies zu verhindern, im Banat ein Observationskorps zusammenzog.
In S., wo russ., türk., österr. und franz. Einflüsse abwechselten, rüstete man sich zum Kriege, blieb aber
endlich dennoch neutral. Der Pariser Friede (s. d.) stellte 1856 S., das bisher unter
türk. und russ. Protektorat gestanden hatte, unter die gemeinsame Garantie der Vertragsmächte. Indessen
kam es zwischen der Oligarchie und dem Fürsten zum Bruch, die Pforte unterstützte die Senatoren, und
1858 verhalf der Pfortenkommissar Edhem Pascha den Oligarchen zum Sieg: der Senat erhielt das Recht,
sich selbst zu ergänzen, und der Fürst durfte seine Minister nur aus dem Senat wählen. Wučić wurde
Präsident des Senats, während Ilija Garaschanin, der als Parteigänger Napoleons III. galt, die Seele des
Ministeriums war. Die Senatspartei ging nun in der Absicht, einen der ihrigen auf den Thron zu setzen,
daran, durch Berufung einer Skupschtina den Fürsten zu stürzen, wurde aber durch seinen Sturz
mitgerissen. Die Skupschtina («Svetoandrejska skupština»), die auf
Grund eines neuen Wahlgesetzes gewählt und 500 Deputierte stark war, trat am St. Andreastage 1858
zusammen, berief 23. Dez. den 78jährigen Milosch wieder ins Land zurück und machte auch dem Senat
wegen seiner Verbindungen mit den Türken ein Ende. Milosch herrschte, unbekümmert um die Gesetze,
mit gewohnter Willkür, verfolgte seine Gegner besonders unter den Senatoren, starb aber schon 26. Sept.
1860. Es folgte nun zum zweitenmal sein Sohn Michael (1860–68), der sich von allen seinen Vorgängern
durch seine Bildung und Begabung unterschied und im Lande auch bereits eine neue Generation junger, im
Auslande gebildeter Männer vorfand, mit denen er eine Verwaltung moderner Art einführte. Der Senat wurde
als Staatsrat 1861 ganz neu errichtet, die Skupschtina alle drei Jahre einberufen und durch Einführung der
allgemeinen Wehrpflicht eine militärisch gegliederte Miliz errichtet. Garaschanin war Ministerpräsident; der
junge Ristić bekleidete den wichtigen Posten eines serb. Vertreters in Konstantinopel. Die nationale serb.
Bewegung, die eine Vereinigung aller Serben anstrebte (s. Omladina), die
gleichzeitigen Revolutionen in der Herzegowina und auf Kreta und die Vereinigung der Moldau und Walachei
drängten auch S. zum Handeln. Zuerst mußte es jedoch die Türken aus dem Lande los werden, die teils in
den Festungen, teils in eigenen Stadtvierteln lebten, wo es zwischen den serb. und türk. Einwohnern und
deren Behörden sehr oft Reibungen gab. Am 15. Juni 1862 kam es in Belgrad zu einem Streit an einem
öffentlichen
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 874.