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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Siebenbürgen

und 198691 ha nicht steuerbares Land. Der Ackerbau liefert Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Heidekorn, besonders aber Mais im Überfluß, alle Arten Hülsenfrüchte, Kartoffeln und Küchengewächse, Tabak, auch Flachs, Hanf und Hopfen. Geerntet wurden (1892) 4392135 hl Weizen, 1715896 Korn, 354545 Halbfrucht, 767921 Gerste, 2964269 Hafer, 7280640 Mais und 3206427 hl Kartoffeln. An Obst werden gebaut viel Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kirschen, Welsche Nüsse, Aprikosen, Pfirsiche. Der hier (besonders im Maros- und Kokelthal) gebaute Wein ist ausgezeichnet. Das Land ist reich an den vortrefflichsten Wiesen, welche die Rindviehzucht wesentlich fördern. In einigen Gegenden wird der Büffel gezogen. Die Pferde sind größer und stärker als die ungarischen und werden in Menge ausgeführt. Schafe hat das Land in zwei Rassen: Zurkane mit langem, grobem Haar zu Landtuch, und Zigeys oder walach. Schafe mit krauser, kurzer und feiner Wolle zu den feinern Tuchen. Schweine werden in großer Menge gemästet. Beträchtlich ist die Bienenzucht; sie wird aber größtenteils wild betrieben. Im Überfluß sind wildes und zahmes Geflügel, Fische und Schildkröten vorhanden. Die großen Waldungen, die mehr als 40 Proz. der produktiven Bodenfläche einnehmen, auf den Grenzgebirgen aus Nadelholz, im Innern aber größtenteils aus Eichen bestehen, sind von hoher Wichtigkeit. Sie enthalten noch sehr viel Wild, auch Bären, Wölfe, Füchse und Wildschweine.

Bergbau und Industrie. Von größter Wichtigkeit ist der Bergbau, namentlich auf Gold (1892: 957 kg), Silber (beide besonders in den Minen von Zalatna, Verespatak und Offenbánya, 1277 kg), Blei (249 t), Kupfer (113 t) und Eisen (49884 t Frisch- und 1726 t Gußroheisen). Torf- und Kohlenlager sind zum Teil noch unbenutzt, doch hat der Kohlenbergbau (288375 t Braunkohle) im Schylthal bei Petrosény, dessen Lager 37 km Länge, 22 km Breite und eine sehr große Mächtigkeit besitzen, einen großen Aufschwung genommen. Die reichen Salzwerke gehören zu dem großen Salzstock, der bei Wieliczka und Bochnia in Galizien beginnt und in der Walachei endigt. 1892 wurden 86376 t Stein- und 205 t Industriesalz im Gesamtwerte von 7,77 Mill. Fl. gewonnen. Die gewerbliche Industrie, insbesondere die Fabrikthätigkeit, ist in S. noch wenig ausgebildet, am meisten noch unter den Sachsen, dagegen ist das Kleingewerbe entwickelt, wenn auch gegen früher (namentlich in Textilwaren) zurückgegangen. Beträchtlich ist der Handel. Haupthandelsplätze sind Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz und Szamos-Ujvár. S. hatte (1892) 1706 km Staats- und 5284 km Municipalstraßen.

Unterrichtswesen. Für den wissenschaftlichen Unterricht bestehen die Ungar. Franz-Josefs-Universität zu Klausenburg (1872 gestiftet), die kath.-theol. Lehranstalten in Karlsburg, Blasendorf und Szamos-Ujvár, das griech.-orient.-theol. Seminar in Hermannstadt, die juridisch-philos. Kollegien der Reformierten in Klausenburg, Maros-Vásárhely und Székely-Udvarhely, das reform. Kollegium (für Theologie, mit juridisch-philos. Kursen) in Nagy-Enyed, die luth.-theol. Lehranstalten in Hermannstadt, Mediasch, Schäßburg, Kronstadt und Bistritz, das unitarisch-theol. Kollegium in Klausenburg, die landwirtschaftliche Lehranstalt zu Kolosmonostor bei Klausenburg, die Mittelschullehrerpräparandie in Klausenburg, ferner 29 Gymnasien, 5 Real- und 3020 Volksschulen, darunter 262 deutsche. Der Volksunterricht hat sich in neuester Zeit gehoben.

Verfassung und Verwaltung. Früher wurde das Land eingeteilt in das Land der Ungarn im Westen und in der Mitte, mit 11 Komitaten und 2 Distrikten, das Land der Szekler im Südosten mit 5 Stühlen oder Gerichtsbezirken und das Sachsenland (s. d.). Seit 1876 umfaßt S. 15 Komitate: Hunyad, Unterweißenburg, Torda-Aranyos, Klausenburg, Szolnok-Doboka, Bistritz-Naszód, Maros-Torda, Csik, Udvarhely, Kleinkokel, Großkokel, Hermannstadt, Fogaras, Kronstadt, Haromszek (s. Ungarn, Tabelle). Näheres s. Österreich-Ungarische Monarchie.

Das Wappen von S. ist durch einen schmalen roten Querbalken geteilt; in der obern Hälfte in Blau ein wachsender schwarzer Adler mit goldenem Schnabel und roter Zunge (ungar. Nation), begleitet von einer goldenen Sonne und einem silbernen Halbmond (Szekler Nation), unten sind in Gold sieben rote Türme mit je zwei schwarzen Fenstern und einem schwarzen Thor, vier über drei gestellt (sächs. Nation); auf dem Schilde der Großfürstenhut. Die Landesfarben sind Blau-Rot-Gold.

Geschichte. S. erhielt seinen Namen wahrscheinlich von der durch die deutschen Einwanderer im 12. Jahrh. erbauten Sibinburg, dem spätern Hermannstadt, am Flusse Sibin oder Szeben, nach der zuerst das umliegende Gebiet, dann das ganze Land bezeichnet wurde. Die lat. Benennung Transsylvania ist daher entstanden, daß das Land auf der westl. Seite, wo es an Ungarn grenzt, von großen Waldungen umgeben ist und den Bewohnern Ungarns gleichsam jenseit der Wälder liegt. Der ungar. Name Erdély (walach. Ardjal) bedeutet ebenfalls jenseit des Waldes. S. war in alten Zeiten ein Teil Daciens (s. d.), seit 107 ein Teil des Römischen Reichs. Vom 3. Jahrh. an wurde es nacheinander von verschiedenen Völkern eingenommen, bis auch hier sich Slawen ansiedelten. Schon unter Stephan I. faßten die Ungarn im Lande festen Fuß und legten die Festung Weißenburg (jetzt Karlsburg) an. Die engere Verbindung mit Ungarn und dessen kirchlicher Organisation scheint aber erst unter Ladislaus I. (1077-95) erfolgt zu sein. Bald nach dessen Tode finden sich (1103) ein Bischof und ein Woiwode von S. König Geisa II. zog zuerst 1143 deutsche Kolonisten vom Niederrhein (Sachsen) ins Land, die im sog. Sachsenland oder Königsboden deutsches Recht behalten und sich selbst verwalten durften.

Der Woiwode Johann Zápolya wurde 1526 gegen Ferdinand I. von Osterreich auf den Thron von Ungarn erhoben, von dem er mit Hilfe der Türken einen großen Teil behauptete. Aber sein minderjähriger Sohn Johann Sigmund ward 1541 durch Suleiman auf die Herrschaft in S. und einigen anstoßenden Teilen Ungarns beschränkt, und auch hier übten die Türken von dieser Zeit an großen Einfluß. Als Johann Sigmund 1571 starb, folgten mehrere Mitglieder des Hauses Báthory (s. d.), dann 1605 Stephan Bocskay (s. d.). Unter den nachfolgenden Fürsten waren Bethlen Gábor und Georg Rakoczy gefährliche Feinde für das Haus Österreich. Nach den Siegen der Kaiserlichen unter Leopolds I. Regierung mußte der Fürst Michael Apafy (s. d.) 1686 die Schutzhoheit des Hauses Österreich anerkennen. Nach dessen 1690 erfolgtem Tode wurden durch das Leopoldinische Diplom vom 4. Dez. 1691 die verfassungsmäßige Freiheit und alten Rechtsverhältnisse des Landes garantiert, S. als selbstän-^[folgende Seite]