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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sokratiker - Solanum

leiden, das weiß er. Den bestimmten Inhalt der sittlichen Pflichten wußte S. nicht abzuleiten; er scheint ihn positiven Instanzen zu entnehmen, wenigstens betont er aufs stärkste den Gehorsam gegen den Staat und sein Gesetz, wiewohl er von den irdischen Richtern und Gesetzen an die im Hades, d. i. an das ewige Gericht des Sittengesetzes appelliert und erklärt, Gott mehr als den Menschen zu gehorchen. Das irdisch Gesetzliche ist ihm nicht ohne weiteres das Gerechte, aber es ist ihm geheiligt durch das ewige Sittengesetz, dessen Vertreter es sein will und, soweit es unter irdischen Bedingungen möglich ist, auch wirklich ist. Analog ist seine Stellung zur Religion. Die Hoffnung der Unsterblichkeit soll nicht die Voraussetzung der sittlichen Überzeugung bilden; S. erklärt nicht zu wissen, was uns nach dem Tode erwartet; daß aber Rechtthun schlechthin gut, Unrechtthun übel für uns ist, das weiß er. Doch hegt er, eben auf Grund seiner sittlichen Überzeugung, die Hoffnung auf ein Jenseits. Von der Gottheit ist er überzeugt, daß, was sie über uns beschließt, schlechthin gut sein muß; daß dem Gerechten niemand etwas anhaben kann, da Gott ihn nicht verläßt; daß, wer auf das Gute baut, nicht betrogen ist, und geschehe ihm hier das Äußerste. In solchem Sinne erklärt er: ich glaube an Götter wie keiner meiner Ankläger. Der Vertreter jener höhern Richter und Gebieter ist ihm jene warnende Stimme, sein Dämonium. Der teleologische Monotheïsmus, den Xenophon ihm beilegt, ist wahrscheinlich nicht sokratisch, sondern dem Antisthenes (s. d.) entlehnt, von dem er auf die Stoiker überging.

S. hat keine Schriften hinterlassen, wohl aber eine Reihe bedeutender Schüler, die ihrerseits philos. Schulen von sehr verschiedenen Tendenzen gründeten. (S. Sokratiker.) Am tiefsten hat zweifellos Plato ihn begriffen, der in einigen seiner Schriften, welche die Sokratische Gesprächsmanier nachahmen, fast reiner Sokratiker ist, in nahezu allen aber das Beste, was er mitzuteilen weiß, dem S. in den Mund legt. Aber auch andere Sokratiker verfaßten "Sokratische Gespräche", wobei auch sie sich die Freiheit nahmen, dem S. ihre eigenen Ansichten unterzuschieben. Erhalten sind uns davon die "Sokratischen Denkwürdigkeiten" des Xenophon.

Vgl. Schleiermacher, Über den Wert des S. als Philosophen (in den "Gesammelten Werken", Abteil. III, Bd. 2, Berl. 1838); Brandis, Grundlinien der Lehren des S. (im "Rhein. Museum", I, 1827); Ribbing, Über das Verhältnis zwischen den Xenophontischen und Platonischen Berichten über die Persönlichkeit und die Lehre des S. (Upsala 1870); Grote, History of Greece, deutsch von Meißner, Bd. 4 (2. Aufl., Hamb. 1883); Zeller, Philosophie der Griechen, Tl. 2, 1. Abteil. (4. Aufl., Lpz. 1889); Joël, Der echte und der Xenophontische S. (Bd. 1, Berl. 1893); Klett, S. nach Xenophontischen Memorabilien (Cannstadt, Programm 1893); Döring, Die Lehre des S. als sociales Reformsystem (Münch. 1895); Pfleiderer, S. und Plato (Tüb. 1896).

Sokratiker, die Schüler des Sokrates (s. d.), insbesondere diejenigen, welche nach seinem Tode selbständig als Philosophen auftraten und in eigenen Schulen ihre Lehre fortpflanzten. Der größte der S. war Plato, neben ihm wirkte in Athen Antisthenes, im nahen Megara Euklides, in Elis Phädo, in Kyrene Aristipp. (S. auch Äschines und Xenophon.) - Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen, Tl. 2, 1. Abteil. (4. Aufl., Lpz. 1889).

Sokratische Methode, s. Katechetik und Frage.

Sol, Sold'or, franz. Geldgröße, s. Sou. S. heißt auch die peruan. Geldeinheit = 5 Franken. (S. die Tabelle: Münzen und Münzsysteme, beim Artikel Münze.)

Sol, in der Musik, s. Solmisation.

Sol, röm. Sonnengott, der mit dem Beinamen Indiges einen Tempel auf dem Quirinal hatte. Später wurden eine Menge orient. Gottheiten (Mithras, Baal u. a.) unter diesem Namen in Rom verehrt.

Sol., hinter lat. naturwissenschaftlichen Namen Abkürzung für Daniel Solander, Schüler Linnés, schwed. Naturforscher und Reisender, geb. 1736 in Norrland, Unterbibliothekar am Britischen Museum, gest. 1782 in London.

Solamen miseris socios habuisse malorum (lat., "ein Trost für Unglückliche ist es, Genossen im Unglück zu haben"), ein Hexameter, der nach den Schlußworten der Äsopischen Fabel "Die Hasen und die Frösche" gebildet ist.

Solanaceen, Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Tubifloren (s. d.) mit gegen 1200 besonders im tropischen und subtropischen Amerika einheimischen Arten; in der Alten Welt findet sich nur eine geringe Zahl. Es sind meist kraut- oder strauchartige Gewächse, seltener Bäume mit wechselständigen, verschieden geformten Blättern, meist glocken-, trichter- oder radförmig gestalteter Blumenkrone, fünf Staubgefäßen und einem oberständigen, zweifächerigen Fruchtknoten mit fadenförmigem Griffel. Die Frucht ist bei einigen Beere, bei andern zweifächerige Kapsel und enthält meist zahlreiche Samen. Die Familie umfaßt viele Pflanzen, die teils als offizinelle, teils als Industrie-, Gewürz- oder Giftpflanzen u. s. w. von Wichtigkeit sind, so Kartoffel, Tabak, die Stammpflanze des span. Pfeffers (Capsicum), Tollkirsche, Bilsenkraut, Stechapfel u. s. w.

Solanin, ein giftiges Alkaloid von der Zusammensetzung C<sub>43</sub>H<sub>69</sub>NO<sub>16</sub>, das sich besonders in den Kartoffelkeimen, weniger in den Knollen, und in andern Arten der Gattung Solanum vorfindet.

Solano, in Spanien ein dem Sirocco (s. d.) verwandter Südostwind.

Solanum L., Pflanzengattung aus der Familie der Solanaceen (s. d.) mit gegen 900 meist tropisch-amerik. Arten, darunter eine Menge strauch- und baumartige Species, viele mit dornigen Blättern und Zweigen. Die Blüten stehen in gestielten, seitenständigen, dichotomen, halbkugeligen oder schirmförmigen Trugdolden und sind aus einem fünf- oder zehnlappigen Kelch, einer radförmigen, fünflappigen Blumenkrone, fünf Staubgefäßen mit aneinander hängenden, einen Kegel bildenden Staubbeuteln und einem Stempel mit fadenförmigem Griffel zusammengesetzt. Die Frucht ist eine zwei-, selten drei- bis vierfächerige vielsamige Beere. Die europ. Solanumarten sind ausdauernde oder ein- bis zweijährige Kräuter; nur das an Fluß- und Teichufern häufig vorkommende S. dulcamara L., Bittersüß, Mäuseholz, Hundskraut, Stinkteufel, Alpranke (Alfrank), Teufelszwirn, spielt häufig die Rolle eines Strauchs, indem seine kletternden Stengel verholzen und mit der Zeit zollstarke Stämmchen bilden. Beim Zerbrechen geben dieselben einen widrigen Geruch von sich. Sie schmecken beim Kauen erst bitter, dann süß, und waren als Stipites Dulcamarae offizinell. Diese Art hat eilanzettförmige Blätter, violette Blumen und längliche, glänzend-scharlachrote giftige Beeren. Be-^[folgende Seite]