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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Tabak

dem die dem T. eigentümlichen Stoffe: das ätherische Öl Nikotianin (Tabakskampfer) und das flüchtige Alkaloid Nikotin (s. d.), zu den narkotisch-scharfen Giften gehören. Außer jenen giftigen Stoffen enthält der T. Eiweiß, einen kleberartigen Körper, Gummi, Harz, Cellulose, zwei organische Säuren, die Äpfel- und die Citronensäure, und Salze, namentlich Kali- und Natronsalze. Das Tabakrauchen bewirkt, nachdem der Ekel und die mit den ersten Versuchen oft verbundenen, an Vergiftungen erinnernden Zufälle, Kopfschmerz, Erbrechen und Durchfall, überwunden sind, eine wohlthuende Anregung des Nervensystems; auch schreibt man ihm Beförderung der Verdauung, Schutz vor miasmatischer Ansteckung und Stillung nervöser Zahnschmerzen zu. Der T. stillt überdies auch den Hunger, ähnlich wie Opium und Alkohol. Dem Tabakschnupfen wird Beförderung wohlthätiger Absonderung aus der Nasenschleimhaut, Erleichterung bei gewissen Augenübeln, Kopfschmerzen und Stockschnupfen nachgerühmt.

Unmäßiger Tabaksgenuß kann aber eine Reihe krankhafter Zustände, wie Magenkatarrh, Herzklopfen, Gliederzittern und hypochondrische Verstimmung, Schlaflosigkeit und allgemeine Nervenschwäche, ja selbst fortschreitende Lähmung und Erblindung zur Folge haben, während gegen einen mäßigen Genuß des T. hygieinisch nichts einzuwenden ist. Sehr schwere Verdauungsstörungen mit psychischen Depressionszuständen werden nicht selten nach übermäßigem Tabakkauen beobachtet. Durch übermäßiges Rauchen und Kauen des T. entsteht besonders auch Krebs der Mundhöhle, z. B. der Zunge. Beim Rauchen des T. wird die durch den Zug im Brennen erhaltene Schicht in trockne Destillation versetzt, deren Produkte der Rauchende nebst den Produkten der wirklichen Verbrennung in den Mund einnimmt. Diese Produkte sind Nikotianin, Nikotin, aber nur in sehr geringen Mengen, Zersetzungsprodukte derselben, ein brenzliches Öl, Ammoniak, Cyanwasserstoff, etwas Essigsäure, Buttersäure, Carbolsäure und die gewöhnlichen Gase: Kohlensäure, Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoff. Ganz regelmäßig bilden sich bei der Verbrennung noch die sog. Pyridinbasen (Pyridin, Pikolin und Parvolin), welche sich namentlich in dem Tabaksschmirgel finden und diesem seinen penetranten widerlichen Geruch verleihen. Diese Pyridinbasen sind wahrscheinlich die Ursache der üblen Zufälle, die den ersten Rauchversuchen zu folgen pflegen. Das Kreosot fehlt. Der Salpetergehalt, welcher jedem T. natürlich, erleichtert das Brennen und wird daher oft künstlich hinzugefügt.

Geschichtliches. Den Gebrauch des T. als eines Genußmittels fand Columbus 1492 bei den Bewohnern der Insel Guanahani vor, die ihn in cylinderförmigen Rollen, die sie tabacos nannten, rauchten. Auch in Haiti sowie in Yucatan und Mexiko war das Tabakrauchen vor Ankunft der Europäer bekannt, nicht aber in Südamerika, wo es jetzt allgemein, selbst bei den Ureinwohnern verbreitet ist. Bei den Indianern Nordamerikas war die Sitte sehr alt, wie die noch häufig aufgefundenen Pfeifen beweisen. In Europa wurde der T. anfangs nur als Zierpflanze gebaut, bis sie Nicolo Menardes als Arzneipflanze pries. In Frankreich wurde sie durch Jean Nicot (s. d.) 1560 bekannt, und ihm zu Ehren wurde später die Pflanzengattung Nicotiana genannt. Frühzeitig wurde auch das Tabakschnupfen unter König Ludwig XIII. üblich. Gleichzeitig entstand auch zu Sevilla eine Schnupftabakfabrik, die den berühmten Spaniol lieferte. Nach Deutschland gelangten die ersten Tabakpflanzen 1565 aus Frankreich durch Adolf Occo, Stadtphysikus zu Augsburg; bald bediente man sich des T. als Arzneimittels, und seine Heilkräfte wurden in vielen Schriften mit Übertreibung gepriesen. Aus Frankreich kam die Pflanze gegen Ende des 16. Jahrh. auch nach Italien. Bald nach 1636 führten span. Geistliche das Schnupfen in Rom ein, wogegen Urban VIII. eine Bulle erließ, die 1698 erneuert, aber 1724 wieder aufgehoben wurde. Trotzdem nahm das Schnupfen überhand, so daß Venedig bereits 1657 Fabrikation und Verschleiß des T. in Pacht gab und bis 1662 an 40 000 Dukaten gewann. In Spanien sah man um die Mitte des 16. Jahrh. zuerst Seeleute rauchen, die aus der Neuen Welt zurückkehrten und im Lande bald viele Nachahmer fanden. 1586 gelangte durch aus Virginien zurückkehrende Kolonisten das Tabakrauchen nach England. Engl. Studenten verpflanzten es nach Leiden, englische, dem König Friedrich von Böhmen gesandte Hilfstruppen 1620 nach Deutschland, wo es sich im Dreißigjährigen Kriege ausbreitete. 1655 kam das Tabakrauchen in der Türkei und noch vor 1650 in Schweden und Rußland auf.

Als jedoch das angebliche Heilmittel zum unentbehrlichen Luxus- und Genußmittel wurde, erhoben sich die Kirche und die Staatspolizei dagegen. Jakob I. von England belastete den Gebrauch des T. mit schweren Steuern und suchte den Anbau des Krautes in Virginien zu beschränken. 1624 wurde in England das Tabaksmonopol eingeführt, 1643 in eine Tabakssteuer verwandelt und 1652 der Tabaksbau im Mutterlande zu Gunsten der Kolonien verboten. In der Türkei wurden den ersten Rauchern die Pfeifen durch die Nasen gestoßen, in Rußland den Rauchern noch 1634 die Nasen abgeschnitten. Bern erließ gegen das Rauchen 1660 und 1661 scharfe Mandate. Theologen und Moralisten des 17. Jahrh. predigten aufs heftigste gegen den "höllischen Rauch" (Moscherosch 1642); Konsum und Anbau nahmen dessenungeachtet schnell zu. Seit 1615 bauten Holland zuerst zu Amersfoort, 1659 die Stadt Wasungen, 1676 die Mark Brandenburg, 1697 die Pfalz und Hessen den T. in größerm Maßstab an. Die Regierungen erkannten nach und nach, welche ergiebige Finanzquelle man im T. besitze, und suchten nun den immer mehr steigenden Gebrauch des T. durch hohe Steuern auszubeuten (s. Tabaksbesteuerung).

Litteratur. Vgl. Tiedemann, Geschichte des T. und anderer ähnlicher Genußmittel (Frankf. 1854); von Bibra, Die narkotischen Genußmittel (Nürnb. 1855); Henrieck, Du tabac, historie, culture, ect. (Par. 1866); Neßler, Der T., seine Bestandteile und seine Behandlung (Mannh. 1867); Fries, Anleitung zum Anbau, zur Trocknung und Fermentation des T. (3. Aufl., Stuttg. 1870); Fairholt, Tobacco, its history and associations (Lond. 1875); L. von Wagner, Tabakkultur, Tabak- und Cigarrenfabrikation sowie Statistik des Tabakbaues, Tabakhandels und der Tabakindustrie (5. Aufl., Weim. 1888); Semler, Tropische Agrikultur, Bd. 3 (Wismar 1888); Opel, Der T. in dem Wirtschaftsleben und der Kulturgeschichte der Völker (Brem. 1890); Kißling, Der T. im Lichte der neuesten naturwissenschaftlichen Forschungen (Berl. 1893); Michaelis, Hygieine des Rauchens und der T. nach seinen botan., chem. und mediz. Eigenschaften und Wirkungen (Lpz. 1894); Deutsche Tabakzeitung (Berlin); Der T., Organ für