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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Trichine

1-2 Tagen zu einer geschlechtsreifen, der Darmtrichine, heran. Nach erfolgter Begattung beginnt deren Weibchen 1000-1500 lebendige Junge von außerordentlicher Kleinheit in die Anfänge der Lymphgefäße des Darms abzusetzen; durch Vermittelung der Lymphgefäße werden die Trichinenembryonen dem Blutstrom zugeführt und gelangen so nach den Muskeln des Körperstammes, woselbst ein jedes schließlich in eine Muskelfaser eindringt. Hier wachsen die Würmchen, von der Fleischsubstanz der Fasern sich nährend, allmählich heran, rollen sich mit zunehmender Größe spiralig auf und scheiden um sich herum eine chitinige Kapsel ab, während die bewohnten Muskelfasern selbst dem Untergange anheimfallen. Zugleich bildet der Wirt um die Wurmkapsel eine zweite, bindegewebige Hülle, die anfangs völlig durchsichtig ist, unter der sich aber später undurchsichtige Kalksalze ablagern und die ganze Kapsel als weißes Pünktchen für das bloße Auge eben noch sichtbar machen: die Embryonen der Darmtrichinen sind in demselben Wohntier wieder zu Muskeltrichinen geworden. Während aber die erstern meist schon nach sechs Wochen abgestorben und verschwunden sind, können die letztern in dem beschriebenen Zustande lange Jahre (20 und mehr) hindurch verharren, um bei Übertragung in ein neues Tier zu geschlechtsreifen Würmern heranzuwachsen. Tritt diese Überführung nicht ein, dann sterben die T. ab, verkalken und zerfallen schließlich zu einer bröckligen Masse.

Aus dieser Lebensgeschichte erklärt sich, warum die Muskeltrichine stets in größerer Zahl beisammen vorkommt, und daß daher die Infektion mit Embryonen eine außerordentlich starke sein kann. Die Schädigung, welche die T. ihrem Wirte verursacht, besteht in der massenhaften Zerstörung der Muskelfasern, die weiterhin schwierige Entzündungs- und Lähmungserscheinungen im Gefolge hat. Mit der beginnenden Einkapselung hört jene Zerstörung von Muskeln auf, und damit ist auch in der Hauptsache die Gefahr für den Kranken vorüber. Die Erscheinungen der Trichinose wechseln sehr; die Intensität ihres Auftretens sowohl wie ihre Dauer hängt vor allem von der Stärke der Infektion ab. Bei leichten Trichinosefällen, wo nur spärliche T. genossen worden sind, zeigen auch die Krankheitserscheinungen einen viel weniger heftigen und akuten Charakter und gelangen meist auch schon innerhalb einiger Wochen zur Heilung. Anders bei sehr starken Infektionen; hier treten nicht selten bereits wenige Tage nach dem Genusse des trichinenhaltigen Fleisches, hervorgerufen durch die beim Eindringen der Embryonen in die Darmwände verursachte Schädigung, stürmische, an Cholera oder Ruhr erinnernde Zufälle auf, verbunden mit Magenschmerzen und Übelkeit, die sich oftmals bis zum Erbrechen galliger und schleimiger Massen steigert. Mit dem Übertreten der Würmer in die Muskeln beginnt das Krankheitsbild ein anderes zu werden; zu einer außerordentlich gesteigerten Empfindlichkeit gesellt sich das Gefühl auffälliger Steifheit und Schwäche in den Muskeln und eine eigentümliche, wassersüchtige Anschwellung des Gesichts. Bald beginnen auch die infizierten Muskeln anzuschwellen und schwer beweglich bis ganz starr zu werden; es tritt Fieber hinzu, und schließlich geht der Kranke, oft schon in der zweiten, manchmal erst in der siebenten Woche nach geschehener Infektion, an allgemeiner Erschöpfung, öfters auch Lähmung der von den T. hauptsächlich ergriffenen Zwischenrippenmuskeln und des Zwerchfells infolge der hierdurch bewirkten ungenügenden Atmung zu Grunde. Auch die Genesung verläuft nach überstandener Krisis (d. h. Einkapselung der Würmer) ziemlich langsam und erfordert oft Monate. Es ist erklärlich, daß eine Heilung der Trichinenkrankheit nicht gut möglich ist; solange die Trichinenmütter noch im Darme befindlich sind, kann man zwar durch starke Abführmittel (es werden Benzin, große Gaben Alkohol, reines Glycerin, stündlich einen Eßlöffel, empfohlen) eine Abtreibung versuchen; gegen die auf der Wanderung in die Muskeln begriffenen Embryonen aber giebt es überhaupt kein Mittel, und der Arzt wird hier hauptsächlich darauf angewiesen sein, die Kräfte seines Patienten solange als möglich zu erhalten. So gewinnen bei der Trichinose vor allem die Anstalten zur Verhütung der Krankheit an Bedeutung. Die hierzu zu Gebote stehenden Mittel sind in der Hauptsache drei; das wichtigste und ohne Zweifel sicherste ist die gehörige Zubereitung des zur Nahrung dienenden Schweinefleisches. Durch andauernde Erhitzung auf mehr als 65° C. werden die eingekapselten T. ohne Ausnahme getötet; deshalb genieße man nur völlig durchgekochtes oder durchgebratenes Fleisch, d. h. solches, das auf der Schnittfläche völlig weiß oder grau geworden ist. Das Wellfleisch, sowie die auf die engl. Art gebratenen Fleischstücke sind alle im Innern noch mehr oder minder roh und saftig rot, die daselbst befindlichen T. noch vollkommen lebendig und übertragungsfähig. Von den übrigen Bereitungsweisen des Schweinefleisches üben namentlich die Schnellräucherung (durch Bestreichen mit Holzessig oder Kreosot), weiter auch die Kalträucherung und eine leichte Pökelung keinen schädlichen Einfluß auf die Parasiten aus; sicherer sind, besonders nach länger andauernder Einwirkung, die heiße Räucherung und eine scharfe Einpökelung in Zucker und Salz. Es empfiehlt sich daher immer, auch alle die auf die genannten Weisen behandelten Fleischwaren, Würste u. s. w. vor dem Genusse noch gründlich zu kochen; nur dann sind event. vorhandene T. sicher unschädlich gemacht. Ein zweites Schutzmittel gegen die Trichinengefahr giebt die neuerdings immer allgemeiner zur Einführung gelangende obligatorische Trichinenschau an die Hand. Jedes frisch geschlachtete Schwein wird von eigens dazu ausgebildeten, geprüften und verpflichteten Trichinenschauern in gesetzmäßig vorgeschriebener Weise auf das Vorhandensein von T. untersucht. Von den den Würmern hauptsächlich zum Wohnorte dienenden Muskeln (Zwerchfellpfeiler, Rippenteil des Zwerchfells, Kehlkopf- und Zungenmuskeln) wird eine gewisse Zahl von Präparaten angefertigt und diese sorgfältig auf die Gegenwart der Parasiten geprüft. Im allgemeinen pflegt man von jeder der genannten Proben sechs haferkorngroße Stückchen auszuschneiden und zwischen Glasplatten (Kompressorien) so zu quetschen, daß die Präparate durchsichtig werden, worauf sie dann mit einem Mikroskop von etwa 40facher Vergrößerung untersucht werden. Erst wenn auf diese Weise die Trichinenlosigkeit des geschlachteten Tiers erwiesen oder wenigstens zur höchsten Wahrscheinlichkeit geworden ist, darf das Fleisch in den Handel gebracht werden; im andern Falle wird es behördlicherseits unschädlich gemacht. In einer möglichst gründlichen Zerstörung dieses infizierten Fleisches besteht zugleich ein drittes Schutzmittel gegen die Ausbrei-^[folgende Seite]