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Tschorna – Tschudi (Friedrich von)
Tschou-schan (Tschu-san, eigentlich Tschëu-schan), ein zur chines.
Provinz Tsche-kiang gehöriger Archipel (s. Karte:
Östliches China und Korea, beim Artikel China),
dessen größte Insel, etwa 9 km von der Küste, etwas mehr als 600 qkm mit über 500000 E. umfaßt, in der Mitte gebirgig, im ganzen fruchtbar und berühmt durch ihre
Blumenpracht ist. Die Hauptstadt Ting-Hai ist befestigt und gewerbsam, mit 30000 E. 3½ km vom östl. Punkte der Hauptinsel
liegt das mit Tempeln und andern religiösen Denkmälern bedeckte Eiland Putu, wo zahlreiche buddhistische Mönche wohnen. Juli
1840, Okt. 1841, April 1860 wurde T. von den Engländern besetzt und erst bei der Offenstellung Chinas für den Handel zurückgegeben.
Tschu, japan. Maß, s. Ri und Tsubo.
Tschu oder Tschuj, Fluß in Russisch-Centralasien, entspringt im Gebiet Semirjetschensk unter dem
Namen Koschgar im Terskei-Alatau, geht 6 km westlich am See Issykkul vorbei, der früher durch den T. abfloß, durchbricht den Kungei-Alatau in der Schlucht Buam,
geht von da an im allgemeinen nordwestlich, zuletzt die Grenze bildend, anfangs zwischen dem Gebiet Semirjetschensk und Syr-darja, dann auf weite Strecken
zwischen diesem und dem Gebiet Akmolinsk bis zum See Saumal-kul, in den er mündet. Er ist 920 km lang und umfaßt ein Gebiet von 211706 qkm.
Tschuapa, Nebenfluß des Kongo (s. d.).
Tschubinskij, Paul Platonowitsch, russ. Ethnograph, geb. 1839 in Berischpol, studierte in Kijew die Rechte, war Sekretär des
Statistischen Komitees in Archangel und wurde in die von der Russischen Geographischen Gesellschaft eingesetzte Kommission zur Erforschung des westl. Rußlands
berufen. Das Resultat seiner Thätigkeit ist enthalten in den
«Trudy etnografičesko-statističeskoj eksepidicii o zapadno-russkij kraj» (7 Bde., Petersb. 1872–77), die Sammlungen aus der
Volkslitteratur, Darstellung der Sitten und Gebräuche, Statistik u.s.w. enthalten. T. starb 1884 in Kijew.
Tschuden, Völkerschaften, s. Finnen.
Tschudi, eine seit dem 13. Jahrh. über die dem Stifte Säckingen zustehenden Gotteshausleute in Glarus emporstrebende Familie, über deren
Adel und Stellung durch Ägidius T. viel erzählt wurde, was sich als Fälschung erwies. Jost T., geb. 1380, war 1419–54 fast
ununterbrochen Landammann der Glarner, besiegte 1443 mit dem Schwyzer Landammann Ital Reding die Züricher in der Schlacht bei St. Jakob an der Sihl und 1446 die
Österreicher in der Schlacht bei Ragaz. Auch sein Sohn Johann T. war von 1483 bis 1494 mehrmals Landammann und zeichnete sich
als Feldhauptmann der Glarner in der Schlacht bei Murten aus, und dessen Sohn Ludwig (gest. um 1534), der ein eifriger Gegner
der Reformation war, im Schwabenkrieg und durch seinen kühnen Zweikampf vor der Schlacht bei Schwaderloo (11. April 1499) sowie bei Marignano sich auszeichnete
(1515). Ludwigs Söhne waren Ägidius oder
Gilg Tschudi (s. d.) und Ludwig d. J.,
gest. 1530. Letzterer machte 1519 eine Reise ins Gelobte Land (deren Beschreibung 1606 zu Rorschach gedruckt wurde), wurde Gardehauptmann König Franz' I. und mit
diesem bei Pavia gefangen. – Vgl. Blumer, Stammbaum des Geschlechts derer von Glarus genannt T. (St. Gallen 1853); Schulte, Gilg T., Glarus und ↔
Säkkingen (in dem «Jahrbuch für schweiz. Geschichte», XVIII, 1893).
Tschudi, Ägidius oder Gilg, der Vater der schweiz. Geschichtschreibung, geb. 1505 zu Glarus, studierte in Basel,
Wien und Paris, wurde 1529 Landvogt zu Sargans, 1532 Obervogt in Rorschach, 1533 Landvogt in Baden, und wirkte 1536–44 als Hauptmann im franz. Kriegsdienst. Dann
wurde er 1549 abermals Landvogt in Baden, 1558 Landammann von Glarus. Er durchforschte die Bibliotheken und Archive der Klöster, Stifte und des Bundes, studierte
röm. Inschriften und Topographie und sammelte ein ungeheures histor. Material an. Er war einer der hervorragendsten und gelehrtesten kath. Theologen seiner Zeit
und schlichtete 1554 den Streit über die Reformierten von Locarno, 1559 den des Abts von St. Gallen mit seinen Unterthanen, ging 1559 als Gesandter der
Eidgenossenschaft zu Kaiser Ferdinand I. nach Augsburg und bewog 1562 die kath. Stände zur Beschickung des Konzils von Trient. Wegen seiner Unterstützung kath.
Interessen mußte er 1562 aus dem Lande weichen und benutzte diese Muße zum Studium der Bibliothek und der Archive von Einsiedeln. 1564 auf Bitten seiner
Landsleute zurückgekehrt, wurde er abermals Schiedsrichter zwischen Stift und Stadt St. Gallen und widmete sich dann bis zu seinem Tode (28. Febr. 1572) der
Ausarbeitung seiner Werke. Bei seinen Lebzeiten erschien nur «Die uralt wahrhaftig alpisch Rhetia» (Bas. 1538). Nach seinem Tode gab J. R. Iselin seine berühmte
«Helvetische Chronik» (von dem J. 1000 bis 1470) in 2 Bänden (Bas. 1734–36) heraus. Ferner erschien «Hauptschlüssel zu verschiedenen Altertümern», bekannter unter
dem Namen «Gallia comata» (hg. von Gallati, Konstanz 1758), und vieles andere. Unter seinen nicht gedruckten Schriften, die
sich auf über 100 belaufen, sind seine «Beschreibung des Kappelerkrieges», seine «Helvetiorum prisca libertas», die
«Historia Allemannorum», die «Chronik von Einsiedeln» und das «Illuminierte Wappenbuch» von ungefähr 4000 Wappen die
wertvollsten. Daneben verfaßte er eine große Zahl von theol., histor., geogr., archäol., numismat. und heraldischen, zum Teil sehr umfangreichen Schriften. Viele
sind im Staatsarchiv des Kantons St. Gallen aufbewahrt. – Vgl. Fuchs, Ägidius T.s Leben und Schriften (2 Bde., St. Gallen 1805); Vogel, Ägidius T. als Staatsmann
und Geschichtschreiber (Zür. 1856). Die neuere Geschichtsforschung beschuldigt T. zahlreicher Fälschungen; vgl. Jahrbuch für schweiz. Geschichte (Bd. 18);
Anzeiger für schweiz. Geschichte (1894, Nr. 1 u. 2); Schweizer pädagogische Zeitschrift (1895, Nr. 1).
Tschudi, Friedrich von, Gelehrter, Schriftsteller und Staatsmann, geb. 1. Mai 1820 in Glarus, bezog die
Universitäten Basel, Bonn und Berlin und wurde 1843 Stadtpfarrer in Lichtensteig (Toggenburg). Eines Brustleidens wegen trat er 1847 von seiner Stelle zurück,
siedelte nach St. Gallen über und lag hier eifrig seinen Privatstudien ob. Im folgenden Jahre erschien «Der Sonderbund und seine Auflösung» (St. Gallen) unter dem
Pseudonym C. Weber. Sein Werk: «Das Tierleben der Alpenwelt» (Lpz. 1853; 11. Aufl. 1890), in alle wichtigern Sprachen Europas übersetzt, ist die Frucht feinster
Beobachtung und ein sprachliches Meisterstück. Verdienstvoll waren auch seine landwirtschaftlichen Werke, wie «Landwirtschaftliches Lesebuch» (8. Aufl., Frauenf.
1888) und «Der
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 1036.
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