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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

1063

Turin

prachtvoll eingerichtet; ein Gitterthor, auf dessen Pfeilern Reiterstandbilder von Kastor und Pollux, 1842 nach Modellen von Abb. Sangiorgio gegossen, stehen, trennt den Schloßhof von der Piazza Castello; ein Flügel des Schlosses enthält die königl. Rüstkammer (Armeria reale), in der sich viel Ausgezeichnetes (darunter Schild von Benvenuto Cellini mit Scenen aus den Kämpfen des Marius gegen Jugurtha) befindet, die königl. Bibliothek mit 60 000 Bänden, 3000 Handschriften, reich an histor., geogr. und genealog. Werken, und eine Sammlung von Münzen, Emaille-, Gold- u. a. Arbeiten. Der Palazzo Carignano, 1680 von Guarini erbaut, mit merkwürdiger Backsteinfaçade und einer neuen, 1871 von Bollati und Ferri hergestellten Façade an der Rückseite, war 1848-60 Sitz des sardin., 1860-65 des ital. Parlaments und birgt in den ehemaligen Parlamentsräumen ein naturhistor. Museum (Zoologie und vergleichende Anatomie, Paläontologie, Geologie und Mineralogie). Der Palast der Akademie der Wissenschaften, 1674 von Guarini als Jesuitenkollegium erbaut, enthält im Erdgeschoß ägypt. und röm.-griech. Skulpturen, im ersten Stock kleinere Altertümer und im zweiten Stock die Gemäldesammlung mit Bildern von Gaudenzio Ferrari, Sodoma, Caravaggio, Paolo Veronese, Rembrandt, Holbein d. J., van Dyck, Memling, Velazquez u. a.; der Palazzo delle Torri, ein röm. Stadtthor, ist umgebaut und zur Zeichenschule eingerichtet; der Palazzo di Città, Sitz der städtischen Behörden, ist 1659 erbaut. Das Arsenal nimmt ein ganzes Straßenviertel ein und enthält das Artilleriemuseum, eine Sammlung von Geschützen vom 14. Jahrh. bis auf die Gegenwart; die Universität, nach Plänen des Genuesen Ricca erbaut, mit schönem Spätrenaissancehof und einem Museum röm. Altertümer, namentlich Inschriften; die Akademie der schönen Künste, 1652 gegründet, mit einer Gemäldesammlung, und das städtische Museum mit Skulpturen, Terrakotten, Holzschnitzereien des 16. Jahrh., Gemälden und Altertümern. Der Neuzeit gehört an die sog. Mole Antonelliana, 1863 von Antonelli als Synagoge begonnen, 1878-89 auf Kosten der Stadt umgebaut und zu einem dem Andenken Victor Emanuels II. gewidmeten Nationalmuseum bestimmt; das turmartige Gebäude (40 m im Quadrat) hat eine Kuppel und ist 164 m hoch.

Behörden. T. ist Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Appellhofs, Kassationshofs, einer Eisenbahn-Betriebsdirektion und eines Eisenbahn-Bezirksaufsichtsamtes sowie des Generalkommandos des 1. Armeekorps, der Kommandos der Infanteriebrigaden "Pinerolo" und "Puglie" und der 1. Kavalleriebrigade.

Unterrichtswesen. Die Universität, 1412 gestiftet und 1632, nachdem sie in Verfall geraten war, von Victor Amadeus neu eingerichtet, hat eine jurist., mediz.-chirurg., philos. und mathem.-naturwissenschaftliche Fakultät, eine pharmaceutische Schule, ein Collegio Carlo Alberto und ein Istituto Dionisio und zählt (1895/96) 2418 eingeschriebene Hörer. Die königl. Akademie der Wissenschaften (s. Akademien IV) hat eine physik.-mathem. und eine moralwissenschaftlich-histor.-philol. Klasse. Mit der königl. Ingenieurschule (380 Hörer) ist das königl. Industriemuseum vereinigt. Die Nationalbibliothek, zugleich Universitätsbibliothek, enthält 212 933 Druckbände, 4138 Manuskripte und 10 321 Kupfer, die städtische Bibliothek (1714) 74 684 Druckbände und 22 133 kleinere Schriften. Das Staatsarchiv ist 1871 aus dem Archivio di Corte des Hauses Savoyen und dem Archivio Camerale gebildet und durch die Akten der Centralverwaltungskörper des Königreichs Sardinien vervollständigt. Ferner hat T. eine Militärakademie, eine Schule für Artillerie und Genie und eine Kriegsschule, eine Tierarzneischule, eine Gewerbeschule, eine Akademie der schönen Künste, eine Musterturnschule, ein erzbischöfl. Seminar, vier öffentliche Gymnasien und drei Lyceen, ein technisches Institut, mehrere Handelsschulen, eine Ackerbauschule, eine philharmonische Akademie, eine Musikschule u. s. w.

Unter den zahlreichen Theatern sind hervorzuheben: das Teatro Regio (königl. Theater), vom Grafen Alfieri in edelm Stile erbaut, mit sechs Logenreihen übereinander, für Oper und Ballett während des Winters bestimmt, eins der schönsten Theater Italiens; das große und elegante Teatro Carignano für Schauspiele, auch geeignet für Opern; das neue Teatro Vittorio Emanuele, ohne Logen in Form eines Amphitheaters, auch als Hippodrom benutzt, das größte der Stadt; das Teatro Scribe, das Teatro Alfieri, die Arena, das Teatro Gerbino für Lustspiele, und das Teatro Rossini, meistens für eine piemont. Truppe reserviert.

Unter den Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben das große städtische Ospedale di San Giovanni Battista e della Città di Torino, das großartige neue Ospedale Mauriziano Umberto I. und das Ospedale di San Luigi; ferner das große königl. Hospital di Carità (für 2500 Kranke); das Armenasyl, die Piccola Casa della Divina Provvidenza, das Kinderhospital, das Ospedale Maria Vittoria und das Blindeninstitut.

Das große Centralgefängnis, nach pennsylv. System eingerichtet, liegt außerhalb der Stadt, doch innerhalb ihres Weichbildes. Sehr zur Verschönerung der Stadt tragen auch die Getreidehalle und die vielen mit Marmor belegten und mit fließendem Wasser reichlich versehenen Markthallen bei.

Die Industrie ist bedeutend; es bestehen zu T. Fabriken für Seidenstoffe, für Bijouteriewaren, Möbel, Pianofortes, Schokolade, Bier, Liqueure, Handschuhe, Lederarbeiten, Stearinkerzen, Papier, Seife, Zucker, Tabak, künstlichen Marmor, Maschinen und Wagen. T. hat einen bedeutenden Durchfuhrhandel. Hauptgegenstände des Exports sind piemont. Seide und Wein. Unter den Geld- und Kreditinstituten sind hervorzuheben: eine Filiale der Banca d'Italia, eine Filiale der Neapolitanischen Bank, eine Skontobank, der Credito Mobiliaro Italiano, die Banca di Torino, Banca Subalpina, der Credito Torinese und eine Kleinhandelsbank (Banca del piccolo commercio).

Verkehrswesen. T. liegt an den Linien Modane-T.-Alessandria-Genua, Mailand-T. (150 km), T.-Pinerolo-Torre Pellice (55 km), T.-Settimo-Volpiano-Castellamonte, T.-Trofarello-Chieri, T.-Bra-Ceva-Savona, T.-Carmagnola- Savigliano-Mondovi, T.-Ciriè-Lanzo (32 km) und T.-Rivoli (12 km) des Mittelmeernetzes, hat Dampfstraßenbahnen nach Volpiano, Settimo, Chivasso und Brusasco, Moncalieri und Poirino, Carmagnola, Saluzzo, Cuneo und Dronero, Vinovo, Cumiana und Giaveno, Pianezza, Druent, Venaria und Lingotto; ferner zahlreiche elektrische und Pferdebahnlinien innerhalb der Stadt und eine Drahtseilbahn auf die Superga.