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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Uhren

einem Holz- oder Metallstabe, an welchem unten ein linsenförmiger Körper befestigt ist, während er oben mittels einer biegsamen Stahlfeder aufgehängt ist (Federaufhängung). Hinsichtlich der bewegenden Kraft unterscheidet man Gewichtuhren, Federuhren, Elektrische Uhren (s. d.), nach der Art des Gebrauchs Schlaguhren, Wecker, Taschenuhren, Stutzuhren, Standuhren, Wand- und Turmuhren, astronomische U., Schiffsuhren u. s. w. Bei den Gewichtuhren, welche fast ohne Ausnahme Pendeluhren sind, wird das Räderwerk durch ein Gewicht in Bewegung gesetzt, das an einer um eine bewegliche Walze gewundenen Schnur hängt, vermöge seiner Schwere herabsinkt und dadurch jene Walze um ihre Achse dreht. Ein mit der Walze verbundenes Zahnrad setzt nun weiter eine Reihe von Rädern und Getrieben in Bewegung, so daß das letzte Rad sich mit der größten Geschwindigkeit umdreht. Dieses letzte Rad wird aber vermöge der Schwingungen des Pendels durch die Hemmung (s. unten) dergestalt verzögert, daß die Gewichtwalze und das niedersinkende Gewicht nur äußerst langsam sich bewegen können und das Werk geraume Zeit nach einem Aufzuge im Gange bleibt (12-Stunden-, 24-Stunden-, 8-Tage-, Monats- und Jahruhren). Zufolge gehöriger Einrichtung des Räderwerkes muß darin ein Rad vorkommen, welches genau in einer Stunde einmal sich umdreht (Minutenrad); auf die Achse dieses Rades wird der Minutenzeiger gesteckt, und durch ein besonderes kleines Räderwerk (Zeiger- oder Vorlegewerk) empfängt der Stundenzeiger seine zwölfmal langsamere Bewegung. Bei den Federuhren, welche Pendeluhren (wie die Stutzuhren) oder Unruhuhren (wie die Taschen- und Reiseuhren) sein können, ist die bewegende Kraft die Elasticität einer langen, mehr oder weniger breiten, sehr dünnen Stahlfeder, die im Innern einer Trommel (des Federhauses) um deren Achse (den Federstift) spiralförmig gewunden, mit einem Ende an dieser Achse, mit dem andern an der Wand der Trommel befestigt ist (s. Tafel: Uhren II, Fig. 1 a u. b). Entweder die Trommel oder ihre Achse ist unbeweglich; durch das Bestreben der Feder, sich zu entwickeln, wird daher im ersten Falle der Federstift, im zweiten Falle das Federhaus umgedreht und kann so das Räderwerk in Gang setzen. Dabei nimmt die Kraft der Feder desto mehr ab, je weiter sie sich entwickelt. Damit aber dieser Umstand keinen nachteiligen Einfluß auf den gleichförmigen Gang der Uhr habe, muß eine vollkommen konstruierte Hemmung angewendet werden; außerdem macht man die Feder möglichst lang, gebraucht jedoch nur die mittelsten Umgänge derselben, während welcher die Kraft annähernd gleichmäßig bleibt. In andern Fällen benutzt man zur Ausgleichung des allmählich abnehmenden Zugs der Feder die Schnecke (Fig. 2), einen abgestutzt kegelförmigen Körper, welcher mit dem Federhause durch die Kette verbunden ist. Letztere befindet sich, wenn die Uhr aufgezogen ist, ganz um die Schnecke, von dem dickern nach dem dünnern Ende derselben aufgewunden. Wenn nun die Feder das Federhaus umdreht, zieht dieses die Kette an sich, durch deren Abwicklung von der Schnecke auch letztere sich dreht. Indem die Kette zuerst an dem kleinsten, später mehr und mehr an einem größern Halbmesser der Schnecke thätig ist, erfolgt die Ausgleichung der Zugkraft der Feder. Die frühern Taschenuhren mit der jetzt nicht mehr angewendeten Spindelhemmung konnten infolge der Unregelmäßigkeiten der Zugfeder, des Räderwerkes und der Mängel, welche mit dem Spindelgange unzertrennlich waren, Schnecke und Kette nicht entbehren; jetzt wendet man die Schnecke nur noch in Präcisionswerken an, in den Chronometern ausschließlich. Von den Hemmungen ist die älteste die Spindelhemmung der Waguhr (Fig. 3). Die Schwingungen des Wagebalkens (Bilanz) a a, deren Dauer durch versetzbare Gewichte reguliert werden kann, werden auf die Spindel b übertragen; die beiden an der Spindel befestigten Lappen stellen sich abwechselnd den Zähnen des kronenförmigen Hemmungs-, Steig- oder Gangrades c entgegen und zwingen es zu einer ruckweisen Bewegung, deren Abschnitte unter sich gleich sind. Für Pendeluhren geringerer Art (Schwarzwälder U.) hat man die einfache Hakenhemmung, bestehend aus einem Rade mit schräg eingeschnittenen, spitzen Zähnen (dem Steigrade) und dem stählernen Haken, welcher durch die Schwingungen des Pendels sich derartig hin und her bewegt, daß er wechselweise auf der einen und auf der andern Seite des Steigrades einem Zahne desselben sich entgegenstellt und so dasselbe einen Augenblick anhält. Bei weitem vorzuziehen ist die Ankerhemmung von Graham (Fig. 4), bei der das Gangrad von ähnlicher Beschaffenheit ist, an die Stelle des Hakens aber der nach seiner Gestalt benannte Anker tritt. Dieser Anker a hat zwei Arme, an deren Enden verstellbare Klauen m und n sitzen, die abwechselnd die Zähne des Steigrades b aufhalten. Bei der Stiftenhemmung (Fig. 5) hat der Anker v eine veränderte Form und das Gangrad w statt der Zähne einen Kreis von Stiften auf seiner Fläche. Künstlichere Hemmungen werden bei astron. Pendeluhren angewendet; doch ist man in neuerer Zeit fast allgemein auf die allereinfachste Form, auf den vorzüglichen Grahamschen Anker zurückgekommen und erzielt damit große Erfolge. Die Normaluhr der Berliner Sternwarte ergiebt beispielsweise nur eine Abweichung von 0,015 Sekunde in ihrem täglichen Gange; doch genügt für die Präcisionsbestimmung der Zeit eine Genauigkeit von 0,1 Sekunde täglicher Abweichung, während für den bürgerlichen Gebrauch eine größere Anzahl von Sekunden zulässig ist; bei den alten Spindeluhren bestand die Abweichung allerdings in Minuten. Unruhuhren der ältesten Art haben die Spindelhemmung, die schon die alte Waguhr (s. oben) besaß, und heißen aus diesem Grunde Spindeluhren. Die allgemein verbreitetsten Unruhuhren besitzen die Cylinderhemmung (von Tompion 1695 erfunden und von Graham wesentlich verbessert), welche statt der Spindel einen kleinen stählernen, halb ausgeschnittenen Cylinder und ein Gangrad (Cylinderrad) mit eigentümlich gestalteten, senkrecht gegen die Radfläche stehenden Zähnen enthält. Die perspektivische Ansicht des Cylinders und des Cylinderrades giebt Fig. 6. In Fig. 7 sind fünf Stellungen des im Querschnitt gezeichneten Cylinders gezeichnet; m ist die Eingangs- und n die Ausgangslippe des Cylinders. In Fig. 13 ist das ganze Räderwerk einer Taschenuhr mit Cylinderhemmung (Cylinderuhr) wiedergegeben. Das mit einem Zahnkranz versehene Federhaus a ist links in Ansicht, rechts im Schnitt dargestellt; t und v sind die beiden Haken zum Einhängen der Zugfeder, b der vierkantige Stift, über den zum Aufziehen der hohle Uhrschlüssel gesteckt wird; c ist das Sperrrad, in welches ein Sperrzahn