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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Untersuchungsmaxime – Unterwalden

zurückgenommen hat, oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat (§. 482 der Deutschen Strafprozeßordnung). Im Fall der Freisprechung kann von einer Anrechnung der U. nicht die Rede sein. Ob der Staat zu einer Entschädigung der Freigesprochenen verpflichtet ist, ist eine Streitfrage, die wesentlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen ist wie die Entschädigung (s. d.) unschuldig Verurteilter. – Vgl. Heinze, Das Recht der U. (Lpz. 1865).

Untersuchungsmaxime, soviel wie Inquisitionsprincip (s. d.).

Untersuchungsprozeß, s. Strafprozeß.

Untersuchungsrichter. Nach §. 60 des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes sind bei den Landgerichten (nach §. 11 der Österr. Strafprozeßordnung bei den Gerichtshöfen erster Instanz) U. nach Bedürfnis zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch die Landesjustizverwaltung auf die Dauer eines Geschäftsjahres. Dem U. liegt es ob, die Voruntersuchung in Strafsachen zu eröffnen und zu führen. Nach §. 176 der Strafprozeßordnung findet die Voruntersuchung in denjenigen Strafsachen statt, welche zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehören. Auch in den zur Zuständigkeit der Landgerichte (Strafkammern) gehörenden Strafsachen kann die Voruntersuchung stattfinden: 1) wenn die Staatsanwaltschaft dieselbe beantragt; 2) wenn der Angeschuldigte dieselbe beantragt und erhebliche Gründe geltend macht, aus denen eine Voruntersuchung zur Vorbereitung seiner Verteidigung erforderlich erscheine. In den vor das Schöffengericht gehörigen Sachen ist die Voruntersuchung an sich unzulässig. Nach §. 91 der Österr. Strafprozeßordnung ist die Voruntersuchung notwendig in Schwurgerichtssachen und im Verfahren gegen Abwesende (s. Abwesenheit), in allen andern Fällen zunächst vom Ermessen des Staatsanwalts oder Privatanklägers abhängig. Durch Beschluß des Landgerichts (in Österreich der Ratskammer, s. d.) kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Führung einer einzelnen Voruntersuchung auch einen Amtsrichter (in Österreich einem Bezirksgericht) übertragen werden. Bei dem Reichsgericht wird der U. für jede Strafsache aus der Zahl der Mitglieder durch den Präsidenten bestellt. Der Präsident kann auch jedes Mitglied eines andern deutschen Gerichts und jeden Amtsrichter zum U. oder für einen Teil der Geschäfte des U. zum Vertreter desselben bestellen. Bei allen Vernehmungen sowie bei Einnahme des Augenscheins hat der U. einen Gerichtsschreiber beizuziehen. Wer in einer Sache als U. thätig gewesen, darf nicht an der Erkenntnisfällung teilnehmen. In Österreich bleibt der U. in dauernder Fühlung mit der Ratskammer, der er monatlich einmal und außerdem, wenn er eine Entscheidung derselben einholt, mündlich in Anwesenheit des Staatsanwalts Bericht erstattet (§. 94).

Untertaunuskreis, Kreis im preuß. Reg.-Bez. Wiesbaden, hat 521,42 qkm und (1895) 34222 (17194 männl., 17028 weibl.) E., 2 Städte und 86 Landgemeinden. Sitz des Landratsamtes ist Langenschwalbach.

Unterthan (lat. subditus), ursprünglich der Schutzpflichtige, welchem das Recht und der Rechtsschutz weder durch seine eigene Machtstellung noch durch die Mitgliedschaft in einem selbstherrlichen Gemeinwesen, sondern von einer bevorzugten Körperschaft oder einem sonstigen Oberherrn gegen das Bekenntnis der Abhängigkeit gewährt wird. So waren die Schutzverwandten (metoikoi) in Athen, die Bundesgenossen im röm. Freistaate, die Laten oder Liten der deutschen Vorzeit U. des Vollbürgertums, und die Gutsunterthänigkeit lieferte ebenfalls ein bis in neuere Zeiten herabreichendes Beispiel des gleichen Verhältnisses. Nach der Ausbildung der Landeshoheit wurden überhaupt diejenigen, welche in ein fürstl. Territorium gehörten, als dem Landesherrn befohlene Schulpflichtige angesehen. Die danach aufkommenden Staatstheorien erkannten in der Unterthanenschaft ein notwendiges Ergebnis der Souveränität, da man dem wirklichen Staatsoberhaupte gegenüber nur U. sein und sich auch während des Aufenthalts in einem fremden Staatsgebiete zu einer «temporären Unterthanenschaft» verstehen müsse. Bloß die diplomat. Vertreter eines andern Staates behaupten, kraft ihrer Anerkennung als solche, das Vorrecht der Exterritorialität (s. d.). Neuerdings wird die Stellung der Staatsangehörigen zur obersten Gewalt weniger aus ihrer Unterthänigkeit als aus dem Gesichtspunkte des Staatsbürgertums beurteilt, das nicht bloß die pflichtmäßige, sondern auch die berechtigende Seite des Verhältnisses hervorhebt. Die Erbunterthänigkeit war ein Überrest der Leibeigenschaft (s. d.), der die davon Betroffenen wenigstens an dem eigenmächtigen Verlassen des Gutsgebietes hinderte und sie außerdem zu örtlich verschiedenen Abhängigkeitsbezeigungen verpflichtete.

Untertöne, nur mit Instrumenten hörbare Beitöne eines musikalischen Tons, die harmonisch nach der Unterdominantseite des Haupttons neigen. Der Ausdruck wird als Seitenstück zu den Obertönen erst neuerdings angewendet.

Untertürkheim, württemb. Dorf, s. Bd. 17.

Unterwalden, der 6. Kanton der Schweiz, grenzt im N. an den Vierwaldstätter See, im O. an den Kanton Uri, im S. an Bern, im W. an Luzern, hat eine Fläche von 765,3 qkm und wird durch den Kernwald in die Halbkantone Obwalden und Nidwalden geteilt. Obwalden oder U. ob dem Wald, 474,8 qkm, umfaßt das Gebiet der Sarner Aa und des Sarner Sees sowie die Hochthäler von Lungern und Engelberg, Nidwalden oder U. nid dem Wald, 290,5 qkm, das übrige Gebiet der Engelberger Aa und die Ufergelände des Vierwaldstätter Sees.

Bevölkerung. 1) Obwalden. Der Halbkanton hatte 1880: 15356, 1888: 15043 (7515 männl., 7528 weibl.) E., darunter 335 Evangelische; ferner 2402 bewohnte Häuser mit 3440 Haushaltungen in 7 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 13144, in der übrigen Eidgenossenschaft 1500, im Auslande 399; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 10231, einer andern Gemeinde des Kantons 2336, eines andern Kantons 2020, Ausländer 456. Der Muttersprache nach sind 14702 Deutsche, 30 Franzosen und 300 Italiener. Die Zahl der Geburten (einschließlich Totgeburten) betrug 1895: 325, der Eheschließungen 94, der Sterbefälle 245. – 2) Nidwalden. Der Halbkanton hatte 1880: 11992, 1888: 12538 (6146 männl., 6392 weibl.) E., darunter 112 Evangelische; ferner 1659 bewohnte Häuser und 2884 Haushaltungen in 11 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 10371, in der übrigen Eidgenossenschaft 1610, im Auslande 557; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 7854, einer andern Gemeinde des Kantons 2295, eines andern Kantons 1773, Ausländer 616. Der Muttersprache nach sind 12116