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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Urteilsberichtigung; Urteilsjury; Urteilsvollstreckung; Urtīca; Urticacēen; Urticarĭa; Urticīnen; Urtiere

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Urteilsberichtigung - Urtiere

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Urteil'

Prozeßordnung §§ 259-275, 313, 315; Österr. Strafprozeßordnung §§. 258-270, 333 fg.

Urteilsberichtigung, die Berichtigung eines falschen, dem Willen des Richters offenbar nicht entsprechenden Ausdrucks im Urteil, z. B. Schreibfehler und Rechnungsfehler. Die Deutsche und die Österr. Civilprozeßordn. §. 290 bez. §. 419 gestattet, solche jederzeit auch von Amts wegen zu berichtigen. Andere Unrichtigkeiten dürfen nur berichtigt werden, wenn die Berichtigung von einer Partei binnen einer achttägigen Frist beantragt ist (§. 292). (S. Declaratio sententiae.)

Urteilsjury, s. Schwurgericht.

Urteilsvollstreckung, s. Strafvollzug und Zwangsvollstreckung.

Urtīca L., Nessel, Pflanzengattung aus der Familie de Urticaceen (s. d.) mit 30 in den gemäßigten Zonen weit verbreiteten Arten, einjährige oder ausdauernde Kräuter mit ein- oder zweihäusigen, unansehnlichen grünlichen Blüten. Die gegenständigen Blätter sowie die Zweige und Blüten sind mit Brennhaaren besetzt, die bei der Berührung an der Spitze abbrechen, die Haut ritzen, einen brennendscharfen Saft in die kleine Wunde fließen lassen und dadurch Brennen und Entzündung erregen (Brennnesseln). Das von deutschen Nesseln verursachte Brennen ist zwar lästig, aber nur sehr unbedeutend im Vergleich mit dem einiger südasiat. Nesseln. Unter diesen erregt die in Bengalen einheimische feingekerbte Nessel (U. crenulata Roxb.) bei nur leiser Berührung mit einem Finger ein anfangs schwaches Brennen, das sich jedoch binnen einer Stunde zu einem wütenden Scbmerze steigert, ohne daß Geschwulst oder Röte erscheint. Der Schmerz verbreitet sich bald über das Glied, z. B. den ganzen Arm, erregt fast Kinnbackenkrampf und dauert in gleicher Heftigkeit an 24 Stunden. Derselbe läßt die folgenden Tage zwar nach, verschwindet aber erst am achten oder neunten Tage, kehrt indes in dieser Zeit bei Benetzung mit kaltem Wasser sogleich in voller Heftigkeit wieder. Überhaupt werden alle durch Nesseln verursachten Entzündungen durch hinzugebrachte Nasse nur verlängert; noch stärker wirkt die U. urentissima Bl. der Sunda-Inseln, deren Brennhaare sehr starke, jahrelang andauernde Schmerzen hervorrufen. Von der in Deutschland überall gemeinen ausdauernden zweihäusigen oder grossen Nessel (U. dioica L.) und der einhäusigen kleinen Nessel (U.urens L.) waren sonst Kraut und Samen als Heilmittel gebräuchlich. Die jungen! Triebe der erstern werden hier und da als Salat und die jungen Pflanzen wie Spinat oder Kohl als Gemüse gegessen. Die festen Fasern des Stengels können von allen etwas stärkern Arten zu Gespinsten und Geweben verwendet werden, und zwar nennt man das aus den Bastfasern der Nesselstengel produzierte zarte Gespinst Nesselgarn, das Gewebe Nesseltuch. Vor Einführung der Baumwolle wurden in Deutschland und in der Picardie diese Fabrikate regelmäßig hergestellt; auch ist seit 1875 eine Agitation zur Wiederaufnahme der Nesselfaserindustrie von Berlin aus in Gang gekommen, doch bisher ohne Erfolg geblieben. Dagegen werden mehrere Arten der verwandten Gattung Boehmeria (s. d.) in China und andern Ländern als wichtige Gespinstfaserpflanzen im großen angebaut.


Textfigur:

Urticacēen (Urticacĕae), Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Urticinen (s. d.) mit gegen 1400 über die ganze Erde verbreiteten Arten, Bäume, ↔ Sträucher oder krautartige Gewächse von sehr verschiedenem Habitus. Die Blüten sind eingeschlechtig und regelmäßig gebaut, bestehen aus einem einfachen, kelchartig entwickelten Perianth mit mehrern Lappen, meist vier Staubgefäßen in der männlichen und einem einfächerigen Fruchtknoten in den weiblichen Blüten. Die Früchte sind in der Regel Nüßchen, seltener mit fleischiger Fruchthülle versehen, in einigen Fällen zu Scheinfrüchten (s. beistehende Abbildung) vereinigt. Viele Arten enthalten reichlich Milchsaft, der technische Verwendung findet, so der Gummibaum (s. d.); andere dienen zur Gewinnung von Fasern, wie einige Böhmeria-Arten und der Hanf, oder liefern wichtige Früchte, wie der Brotfruchtbaum (Artocarpus, s. d.) und die Feige (s. d.). Neuerdings rechnet man unter die U. mehrere früher besonders betrachtete Familien, die Moreen, Artocarpeen, Cannabineen.

Urticarĭa (lat.) die Nesselsucht (s. d.).

Urticīnen, Pflanzenordnung aus der Gruppe der Dikotyledonen, Abteilung der Choripetalen, charakterisiert durch eingeschlechtige Blüten, die meist nur eine rudimentäre aus Schüppchen bestehende Hülle besitzen. Die Anzahl der Staubgefäße ist verschieden. Der Fruchtknoten ist einfächerig und einsamig, die Frucht in der Regel ein Nüßchen. Die Blüten sind meist zu dicht gedrängten, selten kätzchenartigen Blütenständen vereinigt. Die Ordnung umfaßt die Familien der Urticaceen (s. d.) und Ulmaceen (s. d.). Hierzu Tafeln: Urticinen I, II; zur Erklärung vgl. die Artikel Artocarpus, Feige, Morus, Hanf, Hopfen, Boehmeria.

Urtiere (Protozoa), jene niedersten und einfachsten Organismen, die in ihrem Körper keinerlei Gewebe und Organe besitzen, vielmehr ihr Leben lang niemals über die Stufe der einzelnen Zelle (s. d., II.), die alle Funktionen des Lebens besorgen muß, sich entwickeln, und sich nicht selten nicht einmal bis zu dieser Stufe erheben (einige Wurzelfüßer, s.d.). Solche niedrigst stehende Wesen, Cytoden genannt, sind dann in der That nichts als Klümpchen nackten Eiweißes, aber begabt mit denselben Fähigkeiten, die auch die höchsten Organismen besitzen und die als die Merkmale des Organismus gelten: Nahrung aufzunehmen und sie in Körpersubstanz umzusetzen (zu assimilieren), zu wachsen und sich fortzupflanzen. Diese Fortpflanzung geschieht in den meisten Fällen durch einfache Teilung, die unter denselben innern Veränderungen zustande kommt, wie es bei den Gewebezellen der höhern Tiere der Fall ist. (S. Zelle.) Das bis zu einer gewissen Größe herangewachsene Tier bekommt, nachdem der Kern bereits vorher unter Bildung sog. Kernfiguren in zwei Hälften zerfallen ist, eine Einschnürung, die sich vertieft und schließlich zum völligen Zerfall in zwei Teilstücke führt. Nach öfter wiederholter Teilung muß eine Konjugation stattfinden, ein Prozeß, der jedenfalls dem der Befruchtung bei den geschlechtlich unterschiedenen Tieren entspricht. Zwei Individuen legen sich mit ihren Flächen aneinander, wobei ein Austausch von Stoffen stattfindet; nach geschehener Konjugation gehen die Tiere wieder auseinander, oder sie verschmelzen vollkommen, und eine neue Periode reger Teilung beginnt. Viele U. scheiden zuweilen feste Kapseln um sich herum ab, unter deren Schutze die gesamte Körpermasse in eine größere oder geringere

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 134.