Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

172

Variationsrecht - Varna

Variationsrecht (lat. jus variandi), das Recht, eine erklärte Entschließung, z. B. eine getroffene Wahl, aufzugeben und statt derselben eine andere zu treffen. Das Recht steht, wenn nicht für den einzelnen Fall durch Gesetz oder Vertrag etwas anderes bestimmt ist, so lange zu, als der Wahl noch keine weitere Folge gegeben ist, z. B. der Schuldner noch nicht den gewählten Gegenstand geleistet hat. (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 262 fg.) Bei öffentlichen Wahlen ist die Wahlhandlung mit der Wahl geschlossen. Ein V. kann nicht in Frage kommen; vielmehr wird, wenn der Gewählte nicht annimmt, eine Neuwahl erforderlich. Im Kirchenrecht hat der Laienpatron bis zum Ablauf der kanonischen Frist von vier Monaten, solange eine bischöfl. Entscheidung noch nicht erfolgt ist, das Recht, dem Bischof noch neue Kandidaten zu präsentieren. Dies Recht heißt hier V.

Variationston, der Ton, der auftritt, wenn man den Ton einer Stimmgabel z. B. durch die Löcher einer rasch rotierenden Scheibe beobachtet, wie dies Helmholtz, Stefan, König, Mach u. a. gethan haben. Ist n die Schwingungszahl der Gabel, n’ die Zahl der in der Sekunde vorbeigehenden Löcher, so hört man V. von den Schwingungszahlen n-n’ und n+n’. Der V. ist seiner Entstehung nach mit dem Kombinationston (s. d.) sehr verwandt. Verkürzt oder verlängert man rasch eine stark tönende Pfeife, so daß der Ton von der Schwingungszahl n auf n’ schleift, so hört man einen tiefern Ton, n-n’, den Dvořák ebenfalls V. genannt hat. Er ist ein Kombinationston, der durch das Zusammentreffen des ursprünglichen Tons mit dem von den Zimmerwänden reflektierten Ton (von anderer Tonhöhe) entsteht.

Varicellen (lat.), Spitzpocken, Wasserpocken, Windpocken, Schafpocken, eine Kinderkrankheit, die mit den Pocken gar nichts gemein hat, sondern eine von diesen durchaus verschiedene Infektionskrankheit darstellt. Das Überstehen der wahren Pocken schützt nicht vor der Erkrankung an V. und umgekehrt. Auch sind der Verlauf, die Form und die Schwere der Erkrankung ganz anders wie bei den Pocken oder den Varioloiden. Endlich ist das Auftreten der V., das öfters in kleinen Epidemien erfolgt, vollständig ohne Zusammenhang mit Pockenepidemien; beide Epidemien können gleichzeitig oder getrennt auftreten. Die V. treten entweder ohne weiteres auf oder nach einem leichten Übelbefinden, und verlaufen meistens fieberfrei. Der Ausschlag zeigt sich in der Form von kleinen roten, voneinander getrennten Flecken, auf denen sich nach einigen Stunden linsen- bis erbsengroße, wasserhelle, später trüb werdende Bläschen bilden, die nur selten vereitern und beim Abheilen keine Narben zurücklassen. Die Bläschen breiten sich ohne Regelmäßigkeit aus, treten zuerst im Gesicht auf und werden am zahlreichsten auf Brust und Rücken. Dieselben sind in 6‒12 Stunden vollständig entwickelt und trocknen schon am vierten Tage ein; durch unregelmäßige Nachschübe kann sich jedoch die Krankheit bis 14 Tage und länger hinziehen. Eine besondere Behandlung erheischt die ungefährliche Krankheit nicht, doch sollen die Kranken während der Dauer des Ausschlags das Zimmer hüten und vor Diätfehlern sowie vor Erkältungen bewahrt werden.

Varīcen (lat., Einzahl: varix), Krampfadern.

Variëtät (lat.), Spielart.

Variieren (lat), verändern; abweichen, schwanken. Über V. in der Mathematik s. Kombination.

Varikocēle (lat.-grch.), der Krampfaderbruch; varikös (lat.), mit Krampfadern behaftet; Varikosität, die krankhafte Anschwellung der Blutadern oder Venen.

Varīnas, Stadt in Venezuela, s. Barinas.

Variŏlae (lat.), die Pocken (s. d.).

Variolarĭa Ach., früher eine Anzahl Flechten, die nicht als selbständige Arten betrachtet werden können, sondern Soredienzustände anderer Flechten (s. d.) darstellen. Sie bilden einen grauen Überzug auf Baumrinden oder Felsen. Die früher als V. lactea Pers. bezeichnete Art enthält einen roten Farbstoff.

Variolation (neulat.), Einimpfung der Menschenblattern (s. Impfung).

Variolīt (vom lat. variola, die Pocke), Blatterstein, ein an den Diabas sich anschließendes Gestein, das in einer schmutzig dunkelgrünen Grundmasse helle grünliche Kügelchen von 1 bis 5 mm im Durchmesser und von porzellanähnlichem Aussehen enthält; letztere verwittern schwerer und sind härter als die Hauptmasse und treten daher an der Oberfläche halbkugelartig hervor oder erscheinen pockennarbenähnlich. Die bald unregelmäßig verstreuten, bald eng gehäuften Kügelchen sind Bildungen, die den Sphärolithen in den Obsidianen nahe verwandt erscheinen; bisweilen, wo ihre Struktur etwas deutlicher wird, sind sie als aus verzwillingten Plagioklasen und skelettartigen Augiten aufgebaut zu erkennen. Die Grundmasse ist sehr zersetzt, reich an Viridit und umgewandeltem Titaneisen.

Varioloīden (lat. Variolōis), eine mildere Form der echten Pocken (s. d.), sonst aber mit diesen identisch. Durch Übertragung der V. auf einen Gesunden können schwere Pocken, durch Ansteckung mit den echten Pocken nur V. entstehen. Letzteres findet vorzugsweise in den seltenen Fällen statt, in denen Geimpfte, bei denen der Impfschutz kein ganz vollkommener war, angesteckt werden, woher es kommt, daß die Pocken nicht mehr so verheerend auftreten wie früher. Während früher von den an den wahren Pocken Erkrankten der dritte Teil, selbst die Hälfte starben, beträgt die Sterblichkeit an V. nur 4 bis 5 Proz. Schon die dem Ausbruche des Pockenausschlags vorausgehenden Erscheinungen sind bei den V. milder als bei den echten Pocken. Das Fieber ist geringer und von kürzerer Dauer; gewöhnlich schon am dritten Fiebertage zeigt sich der Ausschlag. Nach 24 bis 36 Stunden sind die Pockenbläschen ausgebildet, womit das Fieber sein Ende erreicht. Bei den V. zerstören die Pusteln die Haut nicht in dem Grade wie bei den echten Pocken. Die Pusteln fließen viel seltener zusammen, dringen nicht so tief in die Haut ein und heilen schneller (in drei bis vier Tagen) und ohne Hinterlassung von Narben, auch ohne Fieber. Die Behandlung erfordert sorgfältiges diätetisches Verhalten, Bäder, Waschungen und antifebrile Heilmittel.

Varisker, Varisten, german. Volk, s. Narisker.

Varix (lat.), die Krampfader (s. d.).

Vármegye (spr. wáhrmeddje), ungar. Ausdruck für Komitat (s. d.).

Varna oder Warna, das alte Odessos, Hauptort eines Kreises im Fürstentum Bulgarien, an der Westküste des Schwarzen Meers, Endpunkt der Linie Rustschuk-V. (124 km), besitzt bis jetzt zwar nur eine offene Reede, ist aber der bedeutendste Seehandelsplatz zwischen der Donau- und Bosporusmündung, Sitz eines griech. und eines bulgar. Metropoliten so-^[folgende Seite]