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Venedig (ehemalige Republik)
stadt durch die Vermittelung des Dogen Sebastiano Ziani gesucht und gefunden hatte. Jetzt zerschlug V. an der Spitze der Kreuzfahrer das Oströmische Reich (s. Byzantinisches Reich) und schuf in dessen Gebiet das lat. Kaisertum mit den von ihm abhängigen Vasallenstaaten, während es zugleich sich die ausschlaggebende Stellung an der Seite des neuen lat. Kaisertums und diejenigen Plätze vorbehielt, welche den Levantehandel, der durch das Schwarze Meer ging, beherrschten. Als die erschlaffenden Einflüsse des orient. Lebens die in Byzanz gegründeten Reiche und Fürstenhäuser rasch zersetzten, deren Macht V. aus Politik von vornherein unterbunden hatte, begann der Sturz von V.s Herrschaft im Osten. Das guelfische Genua, längst von Neid erfüllt gegen V., aber durch das feindliche normännisch-deutsche Stauferreich und das mit ihm verbündete Pisa am Kampfe verhindert, eröffnete ihn nun, wo es nach Friedrichs II. Tod nicht mehr selbst bedroht war, indem es das in Nicäa wieder aufgestandene griech. Kaiserreich bei der Rückeroberung von Konstantinopel 1261 unterstützte; dafür dankten die griech. Kaiser den Genuesen dadurch, daß sie ihnen die Handelsstraße nach dem Orient durch das Schwarze Meer unter Verjagung der Venetianer eröffneten. V. sah sich so genötigt, sich einen neuen, südlichen Weg nach der Levante über Arabien zu erschließen; allein das Wachstum der dort sich erhebenden Moslimherrschaften und der Rückgang der christl. Reiche in Syrien und Palästina machte dies zu einer schwierigen Aufgabe, und als dem Falle des Stauferreichs in Unteritalien (1268) auch der von Pisa (1284) folgte, während andererseits die Bildung einer für Genua hinderlichen starken angiovinischen Gegenmacht in Unteritalien durch die Festsetzung der Aragonesen in Sicilien ausgeschlossen wurde, da konnte Genua an die Vernichtung V.s denken, unterstützt von dem Haß der übrigen Städte Italiens gegen die Handelsherrschaft der Lagunenstadt. Dazu kamen die innern Wirren der Republik, in welcher die leitende Aristokratie sich unter Pietro Gradenigo (1297) zur Ausschließung aller neu aufkommenden Elemente hatte verführen lassen; dies und der Übermut dieser Patricier gegen das geringe Volk führte im 14. Jahrh. zu einer Reihe von Empörungen (s. Tiepolo und Falieri). Mehrmals (1298, 1358, 1379) brachte der mehr als hundertjährige Krieg V. dem Untergang nahe, um so mehr, als Genua die Unterstützung von Ungarn und Padua für sich hatte. Endlich aber hatte die Festsetzung der Genuesen in Chioggia (1379) die alte Kraft wieder wachgerufen; die Gegner wurden dort von Andrea Contarini und Carlo Zeno eingeschlossen und Genua zum Frieden und zur Anerkennung der Seeherrschaft der Lagunenstadt gezwungen. 1387 erhielt dann durch den Anschluß der bisher zu Neapel gehörigen Insel Korfu V. einen gewissen Ersatz für Dalmatien, welches 1380 an Ungarn abgetreten worden war, um dieses vom Bunde mit Genua abzuziehen, und am Ende des Jahrhunderts sah sich Genua von Mailand so bedroht, daß es sich unter die Schutzherrschaft von Frankreich begab, während die Verbindung von Neapel und Ungarn V. erspart blieb infolge des Widerstandes der Päpste gegen diese auch für sie gefährliche Umspannung. Die Kriege mit Genua, Ungarn und dem eigenen Hinterland hatten aber in V. dem Gedanken Eingang verschafft, sich auf dem Festlande eine starke Rückendeckung zu schaffen, und nachdem bereits mehrere Herrschaften durch die Bedrohung von seiten Mailands gezwungen worden waren, sich unter V.s Schutz zu flüchten, begann die Republik unter F. Foscari (s. d.), sich der Eroberung der Terra firma (s. d.) in weiterm Umfange zuzuwenden. Im ganzen glücklich bei dieser Unternehmung, hatte V. 1448 seinen Besitz ausgedehnt über Padua, Vicenza, Verona, Feltre, Bassano, Belluno, Friaul, Brescia und Bergamo sowie Crema. Zugleich erweiterte sich V.s Macht im Osten infolge des Vordringens der Osmanen, welches die griech. Despoten des Rückhalts an einem starken Kaisertum in Byzanz beraubte; deren Gebiete wurden nun teils mit Gewalt, teils durch Auskaufung an die Republik gebracht. Die bedeutendste dieser Neuerwerbungen war Cypern 1473 (s. Cornaro). Ebenso trug das Vordringen der Osmanen dazu bei, Ungarn, das auch an innern Wirren zu leiden begann, von der bisherigen Bedrohung der venet. Besitzungen in Istrien und Dalmatien abzuziehen. So spielte jetzt die nationale Zerrissenheit in Italien einerseits und andererseits das europ. Unglück des Vordringens der Osmanen den Venetianern das in die Hand, was ihre größten Kraftanstrengungen ehemals kaum zu erreichen vermocht hatte; diese äußere Lage mußte dahin wirken, daß die leitenden Persönlichkeiten der Republik nicht in einer umfassenden Wertung der Weltlage und Entwicklung kühner Energie, sondern in handelsmännisch-kluger Benutzung der jedesmal vorliegenden Konjunktur das Heil suchten. In demselben Sinne wirkte auf die leitenden Männer die Verfassung und innere Lage des Staates, in welchem es sich darum handelte, durch geringe Staatslasten und Freiheit vom Kriegsdienste, der den Söldnern (s. Condottieri) überlassen wurde, die von der Leitung des Staates ausgeschlossene Masse in Zufriedenheit und Ruhe zu erhalten und große Unternehmungen auch deshalb vermieden werden mußten, damit nicht durch deren glückliche Durchführung aus der Mitte der Aristokratie eine überragende Persönlichkeit zur alleinigen Herrschaft emporgetragen werde. Diesem innern Verfall folgte der äußere auf dem Fuße; zuerst nahmen die Osmanen, nach der Eroberung von Konstantinopel nun mit voller Kraft sich gegen V. wendend, diesem die Inseln des griech. Meeres einschließlich Euböas, ihre Besitzungen auf Morea und Albanien ab. Dann brachten die Portugiesen durch die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien (1498) die Venetianer um den Handel mit diesem, während gleichzeitig die Auffindung der Neuen Welt den Spaniern unermeßliche Mittel in die Hände gab, die eine auch für V. verderbliche Preisrevolution in Europa bewirkten. Und schließlich einigten sich die fremden Mächte, deren Einfällen in Italien V. ruhig zugesehen, um sie nur zur eigenen Machterweiterung zu benutzen, in der Liga von Cambrai (1508) zur Vernichtung der Republik. Dieses Äußerste gelang nun zwar der Diplomatie V.s zu vermeiden durch die Bildung der Heiligen Liga (1511) und ein Bündnis mit Frankreich (1513); dennoch verlor V. Cremona und die Romagna dauernd. Der Krieg gegen die Türken (1540) im Bund mit Karl V. und dem Papste kostete der Republik neue Opfer; außer der Zahlung von 300000 Scudi mußte man die Abtretung von Skio, Palmosa, Cesina, Nio, Parov, Malvasia und Nauplia zugestehen, und infolge der Zögerungen der Verbündeten ging dann 1571 auch noch Cypern verloren. Aber mit der Schlacht von Lepanto (s. d.) begann auch äußerlich der neue Auf-^[folgende Seite]