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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Verroterie; Verruca; Verrucano; Verrücktheit; Verruf; Vers; Ver sacrum; Versailles

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Verroterie - Versailles

cottarelief die Madonna in Sta. Maria Nuova daselbst aus. Von 1483 bis 1488 war er in Venedig mit dem Reiterstandbild des Bartolommeo Colleoni beschäftigt, einem der bedeutendsten Werke dieser Art. (S. Tafel: Italienische Kunst IV, Fig. 7.) - Von seinen Gemälden ist beglaubigt Die Taufe Christi in der Akademie zu Florenz, die von Leonardo vollendet worden sein soll, und eine Madonna (unfertig) im Berliner Museum.

Verroterie (frz., spr. wärott'rih), kleine Glaswaren, Glasperlen.

Verruca (lat.), die Warze, s. Warzen.

Verrucano, ein aus Schiefern, Sandsteinen oder Konglomeraten bestehender Schichtenkomplex in den Alpen, der wohl der Permischen Formation (s. d.) angehört. - Vgl. Milch, Beiträge zur Kenntnis des V. (Tl. 1-2, Lpz. 1892-96).

Verrücktheit (Paranoia), im psychiatrischen Sinne Bezeichnung für eine bestimmte Form krankhaften Geisteszustandes, deren Hauptsymptom die fixe Wahnidee ist. Man unterscheidet akute und chronische V. Bei chronischer V. treten einzelne oder meist Gruppen fixer Ideen auf, die untereinander logisch verbunden sind (systematisierter Wahn). Der Inhalt der Wahnideen ist sehr verschieden: Verfolgungswahn, Größenwahn, religiöser, hypochondrischer Wahn, Erotomanie u. dgl. m. Chronisch Verrückte können jahrzehntelang ihrer Umgebung als geistesgesund erscheinen oder höchstens als Sonderlinge, weil der Wahn häufig lange Zeit geheimgehalten wird. Die Kranken sind oft im stande, mit scheinbar durchaus normaler Logik ihre verrückten Ideen zu verteidigen und im übrigen durchaus vernünftig zu handeln (partielle V.).

Bei der akuten V. zeigen sich starke Affekte, zeitweise auch hochgradige Verworrenheit. Die chronische V. ist fast immer unheilbar, die akute dagegen häufig einer Heilung fähig; beide gehen oft schließlich in allgemeine Verwirrtheit und Blödsinn über. Bei der Entstehung der V. spielt erbliche krankhafte Geistesanlage eine große Rolle. Bisweilen treten hier die ersten krankhaften Erscheinungen schon in früher Jugend hervor (originäre V.). Eine für die V. charakteristische Hirnveränderung kennt man nicht; man rechnet nur solche Fälle zur V., die nicht auf einer anatomisch wohl charakterisierbaren Erkrankung (z. B. Entzündung) beruhen. Eine für alle Fälle von V. passende Behandlungsweise giebt es nicht; bei den chronischen Fällen ist methodische Beschäftigung insofern von Nutzen, als sie die Kranken vor völligem Versinken in ihren Wahn auf lange Zeit bewahren kann. (S. auch Geisteskrankheiten.)

Verruf, übler Ruf, die gegen einzelne Personen, gegen Verbindungen oder gegen irgend welche Kategorien von Persönlichkeiten ergehende Erklärung, infolge deren diese gewissermaßen für unehrlich zu halten, jeder Verkehr mit ihnen zu meiden u. s. w. sei. Nach der Gewerbeordnung §. 153 ist Gefängnis bis zu 3 Monaten angedroht denen, welche durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung andere bestimmen oder zu bestimmen versuchen, an Verabredungen der Gewerbtreibenden, gewerblichen Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- oder Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter teilzunehmen, oder andere durch gleiche Mittel hindern oder zu hindern versuchen, von solchen Verabredungen zurückzutreten. Diese Bestimmung findet nach §. 154 der Gewerbeordnung in Verbindung mit Art. 7 des Arbeiterschutzgesetzes (Reichsgesetz betreffend Abänderung der Gewerbeordnung) vom 1. Juni 1891 auch Anwendung auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdisch betriebenen Brüchen oder Gruben. Über Boycotten s. d.

Vers (lat. versus, von vertere, umwenden), eine aus mehrern Füßen oder Takten bestehende, mit einer Pause abschließende rhythmische Reihe (s. Rhythmus). Ursprünglich bedeutete das Wort V. nur soviel als Zeile und wies darauf hin, daß der V. eine Zeile in der Schrift zu füllen bestimmt sei. Auch eine Reihe verbundener V. nennt man wiederum V., daher man häufig von Liederversen spricht, wofür jedoch genauer Strophe (s. d.) gebraucht wird. Ebenso hat das Wort Versmaß eine mehrfache Bedeutung, indem man das Verhältnis der Arsis und Thesis oder der Hebungen und Senkungen, dann aber das Hauptbedingnis der metrischen Periode, den Fuß, und endlich die metrische Reihe oder Periode selbst darunter begreift. Die Verskunst lehrt die Anwendung dieses Maßes.

Es war in der antiken Metrik von alters her Regel, die daktylischen, kretischen, choriambischen, ionischen, päonischen und antispastischen V. nach Füßen, so daß jeder ein Metrum bildete, dagegen die anapästischen, trochäischen und iambischen V. nach Dipodien (s. d.) zu messen. Je nachdem nun die metrische Periode in einem V. ein- oder mehrmal enthalten ist, heißt der V. Monometer, Dimeter, Trimeter, Tetrameter, Pentameter oder Hexameter. Da aber mancher Takt nicht jederzeit real ausgefüllt ist, so gründet sich hierauf die Einteilung in katalektische oder unvollzählige und akatalektische oder vollzählige V. (S. Katalexis.)

Unter den V. der altdeutschen Metrik waren die wichtigsten die achttaktige Langzeile (s. d.), aus der z. B. der Nibelungenvers erwuchs, und die viertaktige Kurzzeile (s. d.), der V. der Reimpaare, der Knittelvers. Die Franzosen bevorzugten im Mittelalter den Zehnsilber, der als Blankvers (s. d.) und fünffüßiger Iambus im Drama der Engländer und Deutschen seine Rolle gespielt hat, und den Alexandriner (s. d.). In der modernen Metrik spielen dank der zahllosen wechselseitigen Beeinflussungen der Kulturvölker die alten nationalen Lieblingsverse gar nicht oder doch nur in der Volksdichtung noch eine maßgebende Rolle.

Ver sacrum (lat., d. h. heiliger Frühling), die Erzeugnisse eines Frühlings an Früchten, Vieh und Menschen, die man nach altitalischem Brauche in schweren Zeiten den Göttern weihte, worauf man Früchte und Vieh opferte, die Kinder aber, wenn sie herangewachsen waren, aus dem Lande ausstieß und sich neue Sitze suchen hieß; die Ansiedelung mehrerer italischer Stämme, besonders der Samniter (s. d.), soll auf diesem Wege erfolgt sein.

Versailles (spr. wärrsáj). 1) Arrondissement des franz. Depart. Seine-et-Oise in der Isle-de-France, hat auf 847,73 qkm (1896) 249 643 E., 10 Kantone und 115 Gemeinden. - 2) Hauptstadt des Depart. Seine-et-Oise und ehemalige Residenz der Könige von Frankreich (Ludwigs XIV., XV. und XVI.), 18 km südwestlich von Paris, an der Südseite des Waldes von Marly und den Linien Paris (rive droite)-V. (23 km), Paris (rive gauche)-V. (18 km), Paris-Granville und Paris-Brest der