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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Verviers - Verwaltungsgemeinschaft

Verviers (spr. wärrwĭeh), Stadt in der belg. Provinz Lüttich, an der Vesdre und der Bahnlinie Brüssel-Herbesthal, im Thale und am Abhange eines Berges, hatte 1880: 40944, 1890: 48907, 1897: 52396 und mit den anstoßenden Vororten Dison (12881 E.), Ensival (6408 E.) und Hodimont (5065 E.) 76750 E., eine neue got. Backsteinkirche, ein Denkmal des Bürgers Chapuis (1880), ein neues Theater, höhere Schule, Handelsgericht. V. ist Mittelpunkt der großartigsten Tuch- und Kasimirfabrikation; daneben ist Wollfärberei, Gerberei, Maschinenindustrie und Brauerei wichtig. Nach Lüttich führt auch eine Nebenbahn über Battice. In der Nähe von Limburg bei Dolhain die großartige Thalsperre, Barrage de la Gileppe, durch die den Tuchfabriken der Bedarf an kalkfreiem Wasser gesichert wird.

Verwachsung. Wenn künstlich oder natürlich getrennte Körperteile in andauernder Berührung gehalten werden, so verwachsen sie miteinander, namentlich dann, wenn sie von Oberhaut entblößt sind. Diesen Zustand führt man absichtlich herbei bei störenden Gewebstrennungen, z. B. Wunden, Knochenbrüchen. Die V. kann aber auch zu stande kommen, ohne daß man dieselbe beabsichtigt, so wachsen nach Verbrennungen bei schlechten Verbänden Körperteile aneinander, die getrennt sein sollen, z. B. ein Arm oder das Kinn an die Brust. In solchen Fällen kann nur der Chirurg den normalen Zustand wiederherstellen. Über die V. der Öffnungen und Kanäle des Körpers s. Atresie. Oft finden sich V. bei den Mißgeburten, indem entweder zwei Fötus ganz oder teilweise miteinander verwachsen (sog. Doppelmonstra) oder die Finger und Zehen während des Embryonalzustandes verwachsen u. dgl. (S. Mißbildungen.)

In der Botanik nennt man V. die besonders durch Untersuchungen Eduard Strasburgers (s. d.) festgestellten merkwürdigen Erscheinungen, die sich in mancher Hinsicht an die Bastardbildung durch Pfropfen, Okulieren u. s. w. anschließen. Sog. Pfropfhybriden, bei denen die aufgepfropften Reiser einen bestimmten Einfluß auf die Unterlage ausüben, kannte man schon seit längerer Zeit, und besonders waren in den Gärtnereien schon mehrfach derartige Versuche ausgeführt worden. Strasburger hat nun eine größere Anzahl verschiedener Impfungen angestellt, um den Einfluß dieser V. genauer zu studieren.

Interessant ist nun, daß bei vielen dieser Versuche ein Einfluß des Impflings auf die Unterlage sich bemerkbar machte. Die Kartoffel bildete in den meisten Fällen, wenn sie als Unterlage benutzt wurde, ziemlich normal entwickelte Knollen. In denjenigen Knollen, die sich entwickelten, wenn Stechapfel aufgepfropft war, ließen sich sehr geringe Mengen von Atropin nachweisen. Hier muß demnach das von dem Impfling gebildete Atropin in die von der Unterlage erzeugten Knollen übertragen worden sein.

Im umgekehrten Falle, wenn Kartoffel auf Stechapfel u. dgl. geimpft wurde, konnten die Kartoffeln zwar nicht im Boden Knollen ansetzen, doch entwickelten sich dabei kleine Knöllchen in den Blattachseln, welche etwa die Größe einer Walnuß erreichten; es entstanden außerdem an ihnen kleine laubblattähnliche Blattorgane, während an den in dem Boden sich bildenden Knollen bekanntlich nur unscheinbare schuppenförmige Blätter erzeugt werden. Weitere Versuche in dieser Richtung werden höchst wahrscheinlich noch manche merkwürdige Beispiele von V. und dem Einfluß des Impflings auf die Unterlage beibringen.

Verwahrung, s. Protestation; über vorläufige V. im Strafprozeß s. Festnahme und Untersuchungshaft.

Verwahrungsvertrag, s. Depositum.

Verwalter, s. Administrator.

Verwaltung, s. Administration, Staatsverwaltung und Verwaltungssachen.

Verwaltungsartillerie, s. Artillerie.

Verwaltungsexekution, s. Verwaltungszwang.

Verwaltungsgemeinschaft oder Gütereinheit, das Eheliche Güterrecht (s. d.), nach welchem zwar rechtlich das Eigentum beider Ehegatten an ihrem Vermögen während der Ehe getrennt bleibt, aber thatsächlich eine Vereinigung in der Hand des Ehemanns stattfindet. Der Ehemann hat das Recht auf Verwaltung und Verwendung des Vermögens der Frau, auch des während der Ehe Erworbenen. Der Ehemann erwirbt an den Früchten des Frauengutes Eigentum, jedoch mit der Verpflichtung, den Ertrag für den Unterhalt der ehelichen Gemeinschaft und die Lasten der Ehe zu verwenden. Die bewegliche Habe der Ehefrau kann der Mann veräußern, Grundstücke und was dem gleichgestellt ist, in der Regel nicht ohne Einwilligung der Ehefrau. Aus den eingegangenen Schuldverhältnissen wird der Ehemann allein Gläubiger und Schuldner. Nach Deutschem Bürgerl. Gesetzb. §. 1410 dürfen Gläubiger des Ehemanns sich nie an das Frauengut halten. In Ansehung der sog. Schlüsselgewalt (s. d.) verpflichtet die Ehefrau durch ihre Handlungen den Ehemann. Einzelne Vermögensgegenstände können als sog. Vorbehaltsgut der ausschließlichen Verwaltung und Verfügung der Frau unterstehen; nach einigen Rechten (auch Deutschem Bürgerl. Gesetzb. §§. 1366 fg.) sind gewisse Vermögensstücke (Kleider u. s. w.) oder was sie durch ihre Arbeit oder selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes erwirbt, gesetzliches Vorbehaltsgut der Frau. Nach Auflösung der Ehe erhält die Frau ihr Vermögen zurück (Bürgerl. Gesetzb. §. 1421); sie hat zwar nicht Anspruch auf das ordnungsmäßig Verbrauchte, wohl aber auf Ersatz desjenigen, was vom Ehemanne durch seine Schuld abhanden kam. Statt des Anspruchs auf Rückerstattung kann der überlebende Ehegatte nach manchen Rechten einen Bruchteil der gesamten Vermögensmasse fordern, oder es steht ihm doch ein Wahlrecht dieses Inhalts zu (z. B. in großen Gebieten der Provinz Brandenburg die Hälfte). Die V., die älteste Form des ehelichen Güterrechts in Deutschland und daher noch das gesetzliche Güterrecht des gemeinen Sachsenrechts, ist, im einzelnen weiter entwickelt, das gesetzliche eheliche Güterrecht des Preuß. Allg. Landr. Ⅱ, 1, §§. 205 fg., das des Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1233 fg., der oldenb. Gesetze von 1873 und 1879 (Fürstentum Lübeck), der Stadt Lübeck (Gesetz vom 10. Febr. 1862) sowie einer Reihe kleinerer Staaten und nun auch des Deutschen Bürgerl. Gesetzb. §. 1363‒1425. Das Österr. Bürgerl. Gesetzbuch hingegen steht im wesentlichen auf der Grundlage des sog. Dotalsystems (s. d.). Nach Code civil und Badischem Landr. Art. 1530 fg. gilt ein ähnliches System, falls durch Ehevertrag lediglich die Gütergemeinschaft ausgeschlossen wird (zu trennen von der Abrede völliger Vermögenstrennung, s. Trennung der Güter). Die neuere Wissenschaft neigt auch dazu, das System des sog. Lübischen Rechts nach der Reformation von 1586 zur V. zu rechnen.