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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Weberei

wandstuhls (Fig. 5, Taf. II). Dasselbe wird durch die beiden über die Rolle e gehängten Schäfte d1 und d2 gebildet, welche mittels der bei g drehbaren Trittschemel F1 und F2 durch die Füße des Leinwebers bewegt werden, um die Fächer zu öffnen, d. h. die Kettenfäden für den Durchgang des Schützen auseinander zu breiten. Bei c befindet sich das Blatt, auch Rietblatt, Kamm oder Rietkamm genannt, das in Fig. 3 in der Vorderansicht abgebildet ist. Dasselbe besteht aus einem leiterartigen Gestell, welches eine Menge feiner Sprossen aus Stahl oder Rohr trägt und zum Auseinanderhalten der Kettenfäden in gleichmäßiger Breite sowie znm jedesmaligen Heranschieben des durchgezogenen Schußfadens gegen das fertige Gewebe a (Fig. 5) in der Pfeilrichtung dient. Zur Einhaltung einer gleichmäßigen Breite und zum Aufheben des im Gewebe bestehenden Zuges in der Breitenrichtung wird das neu erzeugte Gewebe durch Einspannen eines Breithalters entsprechend auseinander gehalten. Der Breithalter (Fig. 5, Taf. I) ist ein zweiteiliger Holzstab, dessen beide Enden Haken zum Einspießen in das Gewebe besitzen, während er durch die Verschiebung der Befestigungsösen auf dem sägeförmigen Oberteil in seiner Breite verstellbar ist. Bei den mechan. Webstühlen sind die Handbreithalter durch selbstthätig wirkende Spannvorrichtungen (Tempel) ersetzt. Analog den Webstühlen für Leinwand sind die Tuchwebstühle gebaut. Eine Art Webstühle für Handbetrieb, bei denen die Einleitung der sämtlichen Bewegungen von einer wagerechten Griffstange aus erfolgt, wird als Dandyloom oder als mechan. Handwebstuhl, halbmechan. Webstuhl bezeichnet.

Für nicht ganz einfach gemusterte Gewebe genügt die Musterweberei mit Schäften und Tritten, auch Schaft- oder Kammweberei genannt, nicht mehr; man wendet alsdann das nach seinem Erfinder benannte Jacquardgetriebe (Jacquardmechanismus) an. Bei diesem Getriebe, dessen Arbeitsweise aus der nachstehenden schematischen Darstellung (Fig. 2) hervorgeht, hängen die Kettenfäden k, durch Helfen h gezogen, an Haken, den Platinen p, welche durch die Messer m gefaßt und gehoben werden, je nachdem die bei f durch Federn nach vorn gedrückten Nadeln n in ein Loch eines vorgelegten Kartenblattes l1 treffen oder nicht. Entsprechend dem Gewebemuster sind eine Anzahl derartiger Kartenblätter 11 aneinander befestigt, welche nach und nach an die Vorderseite des sich drehenden Prisma c treten und das Heben der vorbezeichneten Platinen veranlassen. Die Platinen stehen auf dem Platinenboden b und tragen unten die mit den Kettenfäden verbundenen Kordenschnüre s, wobei die Gesamtheit der Schnüre als Harnisch bezeichnet wird. Wird alsdann das Hebezeug oder der Messerkasten m gehoben, so werden die festgehängten, also die nicht zurückgebogenen Platinen und folglich auch die zugehörigen Kettenfäden mit emporgezogen. Diese Bewegung erhält der Messerkasten in der Regel mittels eines einzigen Trittes, der einen oberhalb in angreifenden zweiarmigen Hebel, den Schwengel, um seinen festen Drehpunkt bewegt. Die Karten l1 werden mittels besonderer Maschinen, Kartenschlagmaschinen, nach dem Muster gelocht. In Fig. 10, Taf. I und Fig. 10, Taf. II, ist das Jacquardgetriebe in perspektivischer Darstellung mit Karten, oben auf die Stühle montiert, erkennbar. Das zu webende Muster muß stets auf eine Vorlage, die Patrone, übertragen werden, auf Papier, das zwei sich rechtwinklig kreuzende Systeme enger paralleler Linien enthält. Die Zwischenräume des ersten Systems gelten für die Kettenfäden und heißen Korden, die des zweiten für die Schußfäden und werden Fache, Schußfache oder Latzen genannt. Die in einer Musterbreite vorkommenden Kettenfäden heißen zusammen der Kurs oder Chemin, während die Gesamtheit aller Schußfäden in der Höhe des Musters als Tour oder Marsch bezeichnet wird und die Wiederholung des Musters der Rapport heißt. - Die Handweberei wird, weil die Kettenfäden durch Tritte gehoben und gesenkt werden, auch Trittweberei oder Fußarbeit genannt im Gegensatz zur Herstellung gemusterter Stoffe mittels des Jacquardwebstuhls, die Zugarbeit genannt wird.

^[Fig. 2.]

In großen Webereien finden gegenwärtig fast ausschließlich Kraftstühle Verwendung. Sie verfolgen bezüglich der Gewebebildung das gleiche Princip wie die Handwebstühle und können für Schaft-, für Jacquardarbeit oder auch für beide gleichzeitig eingerichtet sein. So zeigt Fig. 7, Taf. II, einen einfachen mechan. Webstuhl mit einem Schützen. Eine Lade, in welcher mehrere Schützen arbeiten, heißt Wechsellade. Fig. 8 stellt einen derartigen Webstuhl (Wechselstuhl) dar. In Fig. 8 sind die Schäfte abgenommen und nur die Rollen, an denen sie aufgehängt werden, angedeutet; die vorn liegende Walze bildet den Zeugbaum, auf welchen das fertige Gewebe aufgewickelt wird. Der Wechselstuhl gestattet durch die Anwendung verschiedener Schützen das Einbringen eines mehrfarbigen oder verschieden starken Einschlags und die Herstellung quergestreifter Stoffe, während der erstgenannte Webstuhl, Fig. 7, nur leinwandbindiges Gewebe liefert; er ist insbesondere für Kaliko bestimmt. Ein zur Herstellung gemusterter Buckskinwaren bestimmter mechan. Webstuhl ist der in Fig. 10, Taf. II dargestellte, von der Sächsischen Maschinenfabrik in Chemnitz gebaute, der mit siebenfachem Schützenwechsel ausgestattet ist. Er ist mit dem Jacquardmechanismus ausgerüstet, welcher, wie aus der Figur ersichtlich, auf einem besondern