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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Weberfinken - Webersches Gesetz

Gestell über der Schützenbahn, der Kette u. s. w. angeordnet ist. Fig. 8 stellt einen Kraftstuhl dar, der mit einer dem Jacquardmechanismus ähnlichen Vorrichtung, einer sog. Schaftmaschine arbeitet, die statt der durchlochten Karten Musterrollen und Büchsen besitzt. Fig. 10, Taf. I, zeigt einen für Teppichweberei eingerichteten Jacquardstuhl der Sächsischen Webstuhlfabrik (vorm. Louis Schönherr) in Chemnitz. Auf der 1897er Ausstellung in Leipzig arbeitete ein 12 m breiter Stuhl derselben Fabrik. Es kommen auch mechan. Webstühle mit aufrecht gespannter Kette bei der sog. Hautelisseweberei zur Verwendung. Gewöhnlich werden die mechan. Webstühle mit verschiedenen Sicherheitsvorrichtungen ausgestattet. Eine solche ist der Schützenwächter, welcher das Herausfliegen des Schützen aus der Lade verhindert; eine andere ist der Schußwächter, der den zerissenen oder fehlenden Schußfaden durch Anhalten des Webstuhles signalisiert.

Um bei den mechan. Webstühlen eine möglichst hohe Leistung zu erzielen, hat man einerseits durch Ausbildung und Vervollkommnung der Bewegungsmechanismen eine thunlichst große Arbeitsgeschwindigkeit zu erreichen gesucht, andererseits hat man den Arbeitsvorgang selbst abgeändert (Rundwebstühle, Webstühle ohne Schützen), und endlich hat man in neuester Zeit Vorrichtungen ersonnen, welche die durch die Bedienung der Maschine verursachten Betriebsstillstände fast gänzlich vermeiden. So hat man Vorrichtungen, welche neue volle Schußspulen, nachdem die alten leer geworden sind, in den arbeitenden Webstuhl selbstthätig einlegen. Neben dem vollkommenen Austausch der leeren gegen eine volle Schußspule kann dies auch durch den Austausch des Schützen mit der leer gewordenen Spule gegen einen neuen mit voller Spule und sogar des ganzen Schützenkastens gegen einen andern erfolgen (Claviez & Co. in Leipzig). Wenn die Spule in dem Schützen während des schnellen Arbeitens des Webstuhles gewechselt werden soll, so sind hierzu besondere Schützen und besondere Spulen nötig. Der Amerikaner Northrop benutzt nun bei seinen Northropstühlen einen Schützen, in welchem die Spule ohne Spindel nur durch die seitliche Klemmung ihres Kopfes festgeklemmt wird, so daß sie einfach von oben in den Schützen hineingedrückt werden kann, wobei die neue volle Spule die leere nach unten aus dem Schützen drückt. Auf diese Weise gestaltet sich das Einlegen frischer Spulen in den Schützen einfach, und letzterer muß nur noch mit einer Einrichtung versehen sein, daß der Fadenanfang selbstthätig in die Führungsöse gelangt.

In Fig. 9, Taf. II, ist der Rundwebstuhl von G. Wassermann in Basel (Deutsches Reichspatent Nr. 76 105) dargestellt. Der Stuhl arbeitet von unten nach oben, d. h. die Kette ist unten, und oben wird die schlauchförmig hergestellte Ware abgezogen. Das Rietblatt ist ringförmig mit radialen Drähten, auf ihnen führt das Schiffchen seinen Umlauf aus, indem das Blatt eine kreisförmig schaukelnde Bewegung macht, wobei durch das einseitige Hochgehen immer der eingetragene Schußfaden festgedrückt wird.

Über das Weben von Bändern und Borten s. Bandfabrikation und Bortenweberei.

Geschichtliches. Die W. ist eine der ältesten Industrien und wahrscheinlich (worauf die Mythen der verschiedenen Kulturvölker hindeuten) die Erfindung der Frauen, wie sie ja auch in den frühesten Zeiten ausschließlich Frauenarbeit war. Die ursprüngliche, noch heute im Orient vorkommende Form des Webstuhls ist ein Rahmen, in welchen die Kettenfäden parallel ausgespannt und die Einschlagfäden mit der Hand eingeflochten werden. Im Mittelalter erreichte die W. einen hohen Grad der Vollkommenheit. In den spätern Jahrhunderten bildete sich dieselbe, bis dahin nur Hausindustrie, allmählich zum Fabrikbetrieb aus. Die Weber arbeiteten nicht mehr auf eigene Rechnung, sondern erhielten Garn und Muster, zuweilen auch den Stuhl, von einem Unternehmer, an welchen sie die fertige Ware gegen Stücklohn ablieferten. Bi5 zum Anfang dieses Jahrhunderts vermochte man auf den Webstühlen nur einfache Muster von geringer Ausdehnung herzustellen, da bei einer zu großen Anzahl der anzuwendenden Schäfte und Tritte dieselben leicht in Unordnung gerieten. Man ersetzte daher die Schäfte durch einfache Schnüre, an welche die Litzen derart angebunden wurden, daß alle gemeinschaftlich zu hebenden Kettenfäden durch das Emporziehen einer Schnur ihre Bewegung erhielten. Diese Einrichtung war indes unvollkommen, solange man das Aufziehen der Schnüre (Latzen) in der nötigen Reihenfolge durch eine besondere Person, den Lätzenzieher oder Ziehjungen, mit der Hand verrichten lassen mußte. Außerordentlich wichtig für die Leistungsfähigkeit der Webstühle in der Musterweberei war daher die Erfindung Jacquards, durch dessen um 1808 praktisch ausgeführten sinnreichen Mechanismus diese Arbeit von demselben Mann besorgt wird, der schon die Fachbildung und das Eintragen des Schußfadens bewirkt. Die wesentlichste Umgestaltung erfuhr jedoch die gesamte W. durch die Einführung der mechan. Webstühle, bei welchen die einzelnen Teile derart verbunden sind, daß die bewegende Kraft an einer Stelle eingeleitet werden kann. Im Princip verwandte Maschinen (jedoch noch für Handbetrieb) waren zum Weben von Bändern schon zu Ende des 16. Jahrh. in Gebrauch. Der erste Entwurf eines wirklichen Maschinenwebstuhls aus dem J. 1678 von De Game in London kam nicht zur Ausführung, und auch die 1747 von Vaucanson erfundene Webmaschine hatte keinen Erfolg. Vierzig Jahre später konstruierte Cartwright eine derartige Maschine, die sich aber ebenfalls nicht allgemein einführte. Nachdem Horrocks in Stockport seinen 1803 patentierten Maschinenstuhl bis 1813 mannigfach verbessert hatte, gelang es ihm, demselben in der Baumwollindustrie einige Bedeutung zu verschaffen; doch erst von 1822 an wurde durch Roberts der mechan. Webstuhl allgemein eingeführt. - Das Wappen der Weber zeigt Tafel: Zunftwappen I, Fig. 8.

Litteratur. Lembcke, Mechan. Webstühle (Braunschw. 1886-97); E. Müller, Handbuch der W. (1893-96); Ölsner, Die deutsche Webschule (Altona 1891); Reh, Lehrbuch der mechanischen W. (Wien 1889); Reiser und Spennrath, Handbuch der W. (Münch. 1885 fg.); Schams, Handbuch der gesamten W. (Weim. 1890); Kinzer und Fiedler, Technologie der Handweberei (2. Aufl., Wien 1891). - Zeitschrift: Der Spinner und Weber (Lpz. 1884 fg.).

Weberfinken, s. Webervögel.

Weberkamm, Rietkamm, s. Blattbinder und Weberei.

Weberkarde, Weberdistel, s. Dipsacus.

Weberknechte, s. Kanker.

Weberknoten, eine eigentümliche Verschlingung von zwei Fadenenden, deren sich der Weber zum Anknüpfen abgerissener Fäden bedient.

Webersches Gesetz, s. Psychophysik.