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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wohnsitz - Wohnung

das Dining-room (Eßzimmer); im Obergeschoß sind die Schlafzimmer. Als Erweiterung dient bei größern W. die Hall, hinter dem Haus findet sich ein Hof. Das französische W. hat im Erdgeschoß eine Durchfahrt, zu deren Seite den Vorratsraum und den Laden mit nach dem Hof zu liegendem Ladenzimmer, die Wohnräume sämtlich in dem durch bequeme Treppenanlage zugänglichen Obergeschoß. In Berlin hat man, um bei den großen Abmessungen der Grundstücke Licht in jenen Raum zu bringen, welcher zwischen Hauptbau und Flügel in der Ecke liegt, diese gebrochen und mit einem breiten Fenster ausgestattet. Es entsteht so ein ungünstig beleuchteter Raum, der vielfach auch als Durchgang zu den Flügeln benutzt wird (s. Berliner Zimmer). In Wien hatte man früher die Hofarkaden der Italiener nachgebildet, zwischen diese und die Wohnräume aber noch Kammern mit indirektem Licht eingeschoben (dort Kabinett genannt). Jetzt konzentriert man die Wohnungen mit Vorliebe um ein stattliches Vorhaus.

Über W. in den Tropen s. Tropengebäude nebst Tafel (Bd. 17).

Litteratur. Geul, Die Anlage von Wohngebäuden (2. Aufl., Lpz. 1884-85); Lange, Haus und Halle (ebd. 1885); A. Sacchi, Le abitazioni (3. Aufl., 2 Bde., Mail. 1880); Bethke, Praktische W. und Villen (Stuttg. 1884); ders., Einfamilienhäuser (ebd. 1888); Abel, Das elegante W. (Wien 1890); Aster, Villen und kleine Familienhäuser (5. Aufl., Lpz. 1897); Hartig, Skizzen bürgerlicher Wohnhäuser (1. Reihe, 2. Aufl., ebd. 1896); Keller, Der Bau kleiner und wohlfeiler Häuser für eine Familie (3. Aufl., Weim. 1894); Viollet-le-Duc, Histoire de l'habitation humaine (Par. 1875).

Wohnsitz, Domizil, der dauernde Mittelpunkt der Verhältnisse und der Thätigkeit eines Menschen, also im Zweifel der Ort, wo sich jemand dauernd aufhält, wo er wohnt, wohin er von seinen Reisen immer wieder zurückkehrt, auch wenn er sich daselbst nicht fortwährend, vielleicht sogar nur vorübergehend aufhält, für den Beamten der Ort der Anstellung (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 7 fg.). Der W. ist in vielen Fällen maßgebend für das anzuwendende örtliche Recht (s. Örtliche Kollision der Gesetze oder Statuten) und begründet einen allgemeinen Gerichtsstand.

Nach Code civil Art. 111 ist es zulässig, im Vertrage einen W. (domicile élu) zur Vollziehung des Vertrags zu wählen und dadurch zu bewirken, daß an einem andern Orte als dem des wirklichen W. Zustellung erfolgen und ein Richterspruch erlangt werden kann. Diese Vorschrift ist, weil in die Deutsche Civilprozeßordnung nicht aufgenommen, für Deutschland auch im Geltungsbereiche des Code civil außer Wirksamkeit.

Kinder teilen regelmäßig den W. der Eltern, uneheliche Kinder den der Mutter. Dies gilt auch für die Kinder, welche legitimiert oder an Kindesstatt angenommen sind. Findelkinder (s. d.) bedürfen der Begründung eines W. durch den gesetzlichen Vertreter. Nach manchen Rechten teilen Dienstboten den W. der Herrschaft, bei welcher sie im Dienste sind, vgl. z. B. Preuß. Allg. Landr. I, §. 4; Preuß. Allg. Gerichtsordn. 1,2, §. 13; Code civil und Badisches Landr. Art. 109 (auch auf ständige Arbeiter ausgedehnt). Jurist. Personen bedürfen für alle Rechtsverhältnisse ebenfalls eines als W. anzusehenden Sitzes, obschon für sie der an die Lebensverhältnisse anknüpfende Begriff des W. der Anwendbarkeit entbehrt. In der Regel entscheidet der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird. Jedoch pflegt das Statut den als W. zu behandelnden Sitz zu bezeichnen. Nach manchen Rechten muß dieser Sitz bestimmt sein, bevor die Rechte der jurist. Person erlangt werden.

Wohnung, diejenigen meist in einem Wohnhause (s. d.) belegenen Räume, die zur Aufnahme eines Haushaltes bestimmt und in der Regel unter gemeinsamem Verschluß sind. Man unterscheidet die W. nach der Zahl und Art ihrer Räume (Zimmer) sowie nach dem Umstand, ob das betreffende Haus nach allen Seiten Licht hat (in offener Bauweise liegt), oder ob es Licht nur von zwei Seiten erhält (in geschlossener Bauweise liegt). Die offene Bauweise gestattet eine freiere Ausbildung des Grundrisses in Hinsicht auf die Gruppierung der Räume, während bei geschlossener Bauweise meist große Schwierigkeiten daraus erwachsen, den Vorräumen genügendes Licht zuzuführen. Während dort die Haupträume a, b, c, e, f, g (hierzu Tafel: Wohnung I, Fig. 2, Grundriß zu Fig. 1: Villa Ende im Thiergarten bei Berlin; Architekt: Hermann Ende; a Speisezimmer, b Zimmer der Frau, c Zimmer des Herrn, e Anrichteraum, f Toilette und Klosett, g Blumenhalle) von dem bescheidenen Vorzimmer d aus sämtlich zugänglich sind, bedarf es in einem eingebauten Haus zahlreicher, teilweise von engen Lichthöfen erleuchteter Gänge, um die Verbindung namentlich mit den Hofflügeln herzustellen. Die vornehmsten Wohnräume werden hier meist in einer Flucht längst der Straßenfront angeordnet. Dagegen bietet die offene Bauweise viel mehr äußere Façadenfläche, die bei entsprechender guter Ausführung den Bau wesentlich verteuert. Fig. 3 zeigt die Façade eines eingebauten Wohnhauses in Dresden (Architekt: Karl Weißbach), Fig. 4 dazu den Grundriß des ersten Stocks, und zwar ist hier a der Salon, b die Wohnzimmer, c die Schlafzimmer, d das Vorzimmer, e die Mädchen-, f die Speisekammer, g die Küche. Die drei notwendigsten Räume sind Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche. Nach dem Bedürfnis erweitert sich die Zahl der Räume durch das Hinzukommen eines Salons (oder einer sog. guten Stube), eines Zimmers des Herrn (Arbeitsraums, Studierzimmers), eines Zimmers der Frau (Boudoirs), Kinderzimmers u. s. w. W. mit vier Zimmern und Zubehör nennt man Mittelwohnungen. Unter Zubehör versteht man Küche, Mädchengelaß, Speisekammer, Keller und Bodenraum. Bei großen W. kommt noch hinzu ein Speisezimmer, ein Sprechzimmer, Zimmer für größere Kinder und Bedienung. Herrschaftliche W. enthalten ferner ein Rauchzimmer, Spielzimmer, Billardzimmer, Bibliothekszimmer. Ein Badezimmer (s. d.) sollte in keiner größern W. fehlen und wird jetzt auch in allen bessern Mietwohnungen angebracht. Die künstlerische Einrichtung der W. richtet sich nach den persönlichen Wünschen des Besitzers. Sie wird in Mietwohnungen nicht in gleicher Weise individuell durchgeführt werden können, wie in für den Bewohner erbauten Häusern, bei denen das Bedürfnis nach traulicher Einfachheit, nach Pracht, oder nach stilistischer Strenge entscheidet. So zeigt Fig. 5 (Frühstückzimmer eines Privathauses in Guben; Architekt: Hugo Licht) einen in deutscher Renaissance, mehr in ländlichem Geschmack behandelten Raum mit einfachsten Möbeln, Fig. 6 (Speisesaal in der Villa Oppenheim in Wannsee; Architekt: Joh. Otzen)