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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zeitalter - Zeitbestimmung

oder im Flusse befindet. Macht man die undurchführbare Fiktion, diesen stetig wechselnden Inhalt fortzudenken, so entsteht (nach Analogie des leeren Raums) der Begriff der leeren Z., und dieser gegenüber gelten jene Inhaltsbestimmungen als Erfüllung der Z. Die Abschätzung der Zeitverhältnisse, der Gleichzeitigkeit, der Zeitdauer, der Zeitintervalle u. s. w. geschieht im Individuum auf Grund mannigfaltiger Erfahrung und Erinnerung und ist daher durch diese bedingt und vielen Täuschungen ausgesetzt. Das gemeinsame Denken fordert daher der subjektiven Z. gegenüber eine objektive Z. als die Annahme eines gleichmäßigen Abflusses aller Ereignisse im Weltlauf, eines Abflusses, der weder als anfangend noch als endend gedacht werden kann und dem die Ewigkeit als zeitlose Wirklichkeit gegenübersteht. Diese objektive Z. ist es, die mit Hilfe gleichmäßig bewegter Körper (Himmelskörper und mechan. Instrumente) gemessen wird. (S. Zeitbestimmung.) Die philos. Schwierigkeiten in der Behandlung des Begriffs der Z. sind namentlich in der neuern Philosophie hervorgehoben und dadurch vermehrt worden, daß Kant die Z. als Anschauungsform des innern Sinnes in Parallele mit dem Raum (s. d.) als der Anschauungsform des äußern Sinnes behandelte. - Vgl. Baumann, Die Lehren von Raum, Z. und Mathematik in der neuern Philosophie (2 Bde., Berl. 1868-69); Eysserth,, über die Z. Philos. Untersuchung (ebd. 1871).

Über Offene Zeit s. d.

Zeitalter, jede größere Zeitspanne, deren Geschichte von einer Person, einem Ereignis, einer Reihe solcher, einer bestimmten Idee oder Thatsache beherrscht wird. Der Versuch, die Weltgeschichte in einzelne Z. zu zerlegen, ist sehr alt; den vier Weltmonarchien des Propheten Daniels, welche ein Teil der Kirchenväter und Schriftsteller des Mittelalters beibehielten, indem sie das Heilige Römische Reich Deutscher Nation mit dem altrömischen zusammenfaßten, stellten andere die Einteilung in sechs Weltalter zur Seite; am meisten wurde herrschend die einfache Spaltung in ein heidnisches und ein christliches Z. Wie diese Einteilung so macht auch unsere moderne in Altertum, Mittelalter und Neuzeit, welche von dem Verfasser populärer Geschichtsbücher, Christoph Cellarius (1638-1707), herstammt, aus religiösen Anschauungen bei der Reformation einen Einschnitt; erst später wurde auch der Schlußeinschnitt des Mittelalters verweltlicht mit dem Hinweis auf die Entdeckungen und Erfindungen und die Renaissance. Neuerdings gewöhnt man sich, ein viertes Z. von der Französischen Revolution ab zu zählen als "neueste Zeit".

Z. heißen auch die Entwicklungsperioden des Menschengeschlechts, die alte Dichter und Philosophen in unbestimmten Grenzen nach moralischen Gesichtspunkten annahmen. Besonders verbreitet waren die Sagen von einem goldenen Z., einer bessern Zeit, wo die Erde Gemeingut der Menschen war und von selbst alles zu einem heitern Genußleben Nötige hervorbrachte, und wo der Mensch noch nicht durch Laster und Leidenschaften entartet war. Die Griechen und Römer setzten das goldene Z. unter die Herrschaft des Kronos oder Saturnus, und viele ihrer Dichter, wie Aratus, Ovid und Virgil haben diesen poet. Stoff nach dem Vorgange des Hesiod benutzt, der die stufenweise Verschlechterung der Welt als silbernes, ehernes, heroisches und eisernes Z. bezeichnet. Im silbernen Z. waren die Menschen schon verändert, sie vergriffen sich aneinander und bereiteten sich Schmerz und Kummer; den Göttern gehorchten und opferten sie mangelhaft. Die Menschen des ehernen Geschlechts, welche Zeus nach Hesiod aus hartem Eschenholz geschaffen hatte, waren riesig gebaut und besaßen gewaltige Kraft, waren aber unbändigen Sinnes und nur auf Krieg bedacht. Sie benutzten nur das Erz, d. h. die Bronze, die in Homerischer Zeit noch besonders zur Herstellung der Waffen verwendet wurde. Durch Kampf untereinander rieben sie sich endlich auf. Es folgte ihnen das Geschlecht der Heroen (s. Heros) und dann das eiserne Geschlecht, das mit eisernen Werkzeugen im Schweiße seines Angesichts dem nicht mehr ertragreichen Boden seinen Unterhalt abringen muß. Auch in den Mythen anderer indogerman. Völker, wie in denen der Inder, Perser und Germanen, finden sich Anklänge an die Sagen vom goldenen Z. In der alttestamentlichen Sage vom Paradiese spricht sich ein ähnlicher Gedanke aus. - Vgl. Roth, über den Mythus von den fünf Menschengeschlechtern bei Hesiod und die ind. Lehre von den vier Weltaltern (Tüb. 1860); Pfleiderer, Die Idee eines goldenen Z. (Berl. 1879); H. E. Graf, Ad aurae aetatis fabulam symbola (Dissertation, Lpz. 1884).

Zeitball, eine Vorrichtung, um zu einer bestimmten Zeit täglich ein weithin sichtbares Zeichen zu geben. Die in Hafenorten angebrachten Z. bestehen aus hohen Masten, an denen sich ein ballförmiger Körper von 1 bis 2 m Durchmesser auf und ab bewegen läßt. Dieser Ball wird einige Minuten vor der festgesetzten Fallzeit in die Höhe gezogen und in dem Augenblick, wo das Zeichen gegeben werden soll, meist von einer Sternwarte aus direkt oder durch Vermittelung eines Telegraphenamtes, elektrisch ausgelöst. Durch Beobachtung des Fallens bestimmen die im Hafen liegenden Schiffe den Stand ihrer Chronometer (s. d.). Der erste derartige Apparat wurde zu Greenwich 1833 eingerichtet, seitdem sind an allen Küsten ähnliche Z. aufgestellt; an manchen Orten werden sie auch ersetzt durch Kanonenschüsse oder Flaggensignale. Gegenwärtig giebt es auf der ganzen Erde 115 Zeitballstationen. An den deutschen Küsten befinden sich solche Einrichtungen in Wilhelmshaven, Bremerhaven, Cuxhaven, Hamburg, Kiel, Swinemünde und Neufahrwasser, die den Eintritt des mitteleurop. Mittags und des mittlern Mittags zu Greenwich ankünden, mit Ausnahme von Hamburg, wo nur der letztere signalisiert wird. Auf allen deutschen Zeitballstationen wird der Ball 10 Minuten vor Abgabe des Signals auf halbe und 3 Minuten vorher auf ganze Höhe des Mastes geheißt.

Zeitberechnung, juristische, s. Computatio.

Zeitbestimmung, die Bestimmung des Zeitbetrags, um den der Gang einer Uhr von der richtigen Ortszeit abweicht. Sie wird am einfachsten durch die Beobachtung des Meridiandurchgangs eines Fixsterns von bekannter Rektascension mittels des Passageninstruments ausgeführt, da ein Fixstern in dem Moment durch den Meridian geht, wo die Sternzeit gleich seiner Rektascension ist. Für den Fall, daß die zur Beobachtung verwendete Uhr nach mittlerer Zeit geht, muß die Sternzeit (s. d.) erst noch in mittlere Zeit verwandelt werden. Durch Beobachtungen der Sonne erhält man wahre Zeit, die durch Berücksichtigung der Zeitgleichung in die im bürgerlichen Leben gebräuchliche mittlere Son-^[folgende Seite]