Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Zeitungen'
den im 17. Jahrh. die noch immer verbreiteten handschriftlichen Z., deren Inhalt sich nicht überwachen ließ, verboten und unterdrückt; die gedruckten aber
hielt man durch Censurmaßregeln im Zaume und erschwerte ihr Erscheinen durch Zeitungs- und Anzeigensteuern sowie durch das Kautions- und Konzessionswesen. In
England hat sich nach Aufhebung des Licensing Act (17. April 1695) trotz der Zeitungssteuer (Gesetz vom 10. Juni 1712),
welche bis auf 4 Pence für jede Nummer stieg und erst 1855 fakultativ beseitigt wurde, das Zeitungswesen am gleichmäßigsten entwickelt und nimmt den ersten
Rang ein an Bedeutung für das innere Leben des eigenen Volks und an Einfluß auf die andern Nationen. In Frankreich, wo erst 1631 eine Zeitung
(«La Gazette») erschien, hielt der Absolutismus lange Zeit die Entwicklung der Z. nieder, so daß erst das J. 1777 ein
franz. Tageblatt sah («Le Journal de Paris»). Nach Ausbruch der Revolution wuchs indes die Zahl der polit. Blätter
plötzlich auf mehr als 1000 und hat auch nachher, wie anderwärts, gleichen Schritt gehalten mit der Freiheit oder der Gebundenheit des polit. Lebens. In
Deutschland erwarb sich vor allem Aug. Ludw. von Schlözer (s. d.) gegen Ende des 18. Jahrh. große Verdienste um die
Entwicklung einer einflußreichen Publizistik. Einen Zeitungsstempel (s. d.) giebt es innerhalb der Kulturstaaten nur noch in Österreich.
(S. auch Preßgesetzgebung.)
Regelmäßig zerfällt heutzutage der Inhalt der Z. in einen von der Redaktion ausgehenden und einen Inseratenteil. (S. Annonce,
Inserat, Reklame, Eingesandt.) Auf dem Inseratenteil, für den früher die Z. zum Teil besondere
Beilagen («Anzeigeblätter» und ähnliche) hatten, beruht vor allem das materielle Gedeihen einer Zeitung, da namentlich bei den größern Z. die Kosten der
Redaktion, der Mitarbeiter, Korrespondenten, Depeschen, des Druckes u.s.w. so bedeutend sind, daß sie die Einnahmen aus den Abonnentengeldern weit
überragen. Eine Eigenheit der politischen Z. neuerer Zeit ist, daß sie, im Widerspruch mit dem Inhalt und Charakter des Ganzen, unter dem Strich
(s. Feuilleton) nicht nur Besprechungen über die neueste Litteratur oder Plaudereien über Verhältnisse, Personen und Gegenstände der
Gegenwart, sondern auch Romane und Novellen bringen, welche die Abonnentenzahl zu erhalten und zu mehren bestimmt sind. Die Z., welche für eine große Zahl
der Menschen die hauptsächliche, ja fast einzige Lektüre ausmachen, suchen auf diese Weise auch deren Verlangen nach «Dichtung»
(fiction) zu befriedigen und so ihre Unentbehrlichkeit zu behaupten. Eine Anerkennung der hohen Bedeutung der modernen
Z. liegt auch darin, daß in neuester Zeit an der Universität Heidelberg besondere Vorlesungen zur Vorbereitung der künftigen Journalisten gehalten werden.
Der Vertrieb der Z. erfolgt teils im Abonnement, teils im Einzelverkauf. Letzterer bildet in den größern Städten des Auslandes den Hauptabsatz. Für
Subskribenten kommt bei Z. fremder Orte oder in großen Städten vor allem der sog. Postdebit in Betracht. (S. Postdebit und
Zeitungsbezug.)
Über die Z. der einzelnen Kulturstaaten s. die Einzelartikel (Zeitungswesen).
Litteratur, von Schwarzkopf, Über Z. (Frankf. a.M. 1795); ders., über polit. und gelehrte Z., Meßrelationen u.s.w. zu
Frankfurt a.M. (1802); Hatin,
Essai historique et statistique sur la naissance et les progrès de la presse périodique dans les deux mondes
↔ (in dessen «Bibliographie historique et critique de la presse périodique française», Par. 1866); Grant,
The newspaper press: its origin, progress and present position (2 Bde., Lond. 1871; deutsch von Duboc, Hannov. 1873); Prutz,
Geschichte des deutschen Journalismus (Tl. 1, Hannov. 1815); Weller, Die ersten deutschen Z., Bd. 111 der «Bibliothek des Litterarischen Vereins» (Stuttg. und
Tüb. 1872); Wuttke, Die deutschen Zeitschriften und die Entstehung der öffentlichen Meinung (3. Aufl., Lpz. 1875); von Liliencron, Mitteilungen aus dem Gebiete
der öffentlichen Meinung in Deutschland während der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. (in den «Abhandlungen» der Bayrischen Akademie, Münch. 1874 fg.); Opel, Die
Anfänge der deutschen Zeitungspresse 1609–50 (im «Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels», Bd. 3, Lpz. 1879); Winckler, Die periodische Presse
Österreichs (Wien 1875); Andrews, The history of British journalism (2Bde., Lond. 1859); H. R. Foxe Bourne,
English newspapers; chapters on the history of journalism (2 Bde., ebd. 1887); Hatin,
Histoire politique et littéraire de la presse en France (8 Bde., Par. 1859-61); Warzée,
Essai historique et critique des jouraux belges (Gent 1845); Hatin,
Les gazettes de Hollande et la presse clandestine aux 17ᵉ 18ᵉ siècles (Par. 1865): Hudson,
Journalism in the United States from 1690 to 1872 (Neuyork 1873). – Eine Zusammenstellung der wichtigsten Z. aller Länder
geben die alljährlich erscheinenden Kataloge der Annoncenexpeditionen von Haasenstein+Vogler und von Rud. Mosse.
Zeitungsbezug. Der Z. durch Vermittelung der Post ist durch ein auf dem Wiener Postkongreß 4. Juli 1891 abgeschlossenes Übereinkommen
zwischen Deutschland, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich-Ungarn, Rumänien, Schweden, der Schweiz, Ägypten und
Uruguay vom 1. Juli 1892 ab in Ausführung gekommen. Die Postanstalten jedes der genannten Länder nehmen Bestellungen des Publikums auf die in den
verschiedenen Ländern erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften an. Deutschland vermittelt für andere Zeitungsvereinsländer den Zeitungsverkehr mit
Nichtvereinsländern, insbesondere mit Frankreich, Großbritannien, Rußland, Spanien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Australien, Brasilien,
Britisch-Indien, China, der Kapkolonie, Japan und Marokko. Der Zeitungsbezugsdienst vollzieht sich durch Vermittelung von Auswechselungspostanstalten, welche
von jeder Verwaltung zu bezeichnen sind. (S. auch Leitpostanstalten für Zeitungen.)
Zeitungsstempel, Zeitungssteuer, eine heute meist außer Übung gekommene, in Deutschland seit 1874, in England seit 1855, in
Frankreich seit 1881 endgültig abgeschaffte Steuer von Zeitungen,
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 940.