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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zelle (Tierzelle)

Vakuolen, wie der Zellkern, ausschließlich durch Teilung vermehren sollen, nicht bestätigt; vielmehr konnte Pfeffer in vielen Fällen eine Neubildung von Vakuolen im Plasma nachweisen.

Eine wichtige Rolle spielt der Zellsaft für die Mechanik der Z. Da nämlich der Plasmakörper für die meisten im Zellsaft gelösten Stoffe impermeabel ist, während er Wasser leicht durchtreten läßt, so werden bei einer mit Wasser in Berührung stehenden Z. die im Zellsaft gelösten Stoffe Wasser an sich zu ziehen suchen und infolgedessen zunächst auf den Plasmakörper und sodann auch auf die Zellmembran eine dehnende Wirkung ausüben. Während nun aber der Plasmakörper seiner geringen, mehr flüssigen Konsistenz entsprechend derartigen Dehnungen nur einen äußerst geringen Widerstand entgegenzusetzen vermag, wirkt die feste Zellmembran dem hydrostatischen Drucke des Zellsaftes entgegen, und es können so bei ausreichender Wasserzufuhr sehr erhebliche Spannungen (von über 12 Atmosphären) erzeugt werden. Man bezeichnet nun diesen vom Zellsaft ausgeübten hydrostatischen Druck als Turgor, die betreffenden Pflanzenteile als turgescent. Eine Folge des Turgors ist die sog. Gewebespannung, die bei schnell wachsenden Pflanzenteilen darauf beruhen kann, daß das dünnwandige und stark turgescente Mark in seinem Ausdehnungsbestreben durch die Gefäßbündel und die specifisch mechanischen Z. gehemmt wird, so daß solche Stengel, wenn sie längsgespalten sind, sich stark krümmen, wobei das Mark natürlich auf die konvexe Seite zu liegen kommt. Diese Krümmungen verschwinden aber, sobald der Turgor aufgehoben wird, und zwar kann dies zunächst in der Weise geschehen, daß man die betreffenden Pflanzenteile (z. B. durch Erhitzen) schnell abtötet, In diesem Falle verliert der Plasmakörper seine Impermeabilität für die im Zellsaft enthaltenen Salze und es schwindet damit die Vorbedingung für den einseitigen Wasserstrom. Außerdem kann aber der Turgor auch ohne Beeinträchtigung der Lebensfähigkeit der betreffenden Z. dadurch zum Verschwinden gebracht werden, daß die Objekte statt in reines Wasser in eine unschädliche Zucker- oder Salzlösung, die eine noch größere wasseranziehende Kraft als der Zellsaft besitzt, übertragen werden. Ist der Plasmakörper für diese Stoffe ebenfalls impermeabel, so wird jetzt natürlich die wasseranziehende Kraft der Außenflüssigkeit überwiegen, und es wird nun nach dieser hin vom Zellsaft aus ein Wasserstrom eintreten müssen. Infolge hiervon wird zunächst die Zellhaut entspannt werden, bei weiterer Wasserentziehung wird sich aber der Plasmakörper von der Zellmembran zurückziehen und es kann diese Kontraktion bei genügender Konzentration der Außenflüssigkeit so weit gehen, daß der Protoplast sich vollständig zur Kugel abrundet (Fig. 1). Man bezeichnet diese Art der Turgoraufhebung als Plasmolyse. Dieselbe kann unter anderm auch dazu benutzt werden, um in solchen Fällen, in denen der Plasmakörper einen so dünnen Schlauch bildet, daß er direkt nicht beobachtet werden kann, die Existenz desselben nachzuweisen. Außerdem wurde die Plasmolyse namentlich von de Vries mit Erfolg angewandt, um die osmotischen Eigenschaften verschiedener Substanzen festzustellen.

Litteratur. Hofmeister, Lehre von der Pflanzenzelle (Lpz. 1867); Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zellteilung (ebd. 1882); Zimmermann, Morphologie und Physiologie der Pflanzenzelle (Bresl. 1887); de Vries, Eine Methode zur Analyse der Turgorkraft (in Pringsheims "Jahrbüchern für wissenschaftliche Botanik", Bd. 14, S. 427, Berl. 1883); Schimper, Untersuchungen über die Chlorophyllkörper (ebd., Bd. 16, S. 1, 1885); Guignard, Nouvelles études sur la fecundation (in den Annales des ciences naturelles, Botanique, Série VII"', Bd. 14, S. 163); Pfeffer, Zur Kenntnis der Plasmahaut und der Vakuolen (Lpz. 1890).

II. Tierzelle. Auch der gesamte tierische Körper baut sich unsern heutigen Anschauungen zufolge (eine entgegengesetzte Ansicht vertritt Heitzmann, "Über nichtcelluläre Organismen") aus Z. als kleinsten Elementarbestandteilen auf. Nachdem zuerst durch Schwann ("Mikroskopische Untersuchungen über die Übereinstimmung in der Struktur und dem Wachstum der Tiere und Pflanzen", Berl. 1839) der Nachweis von dem zelligen Aufbau des Tierkörpers geliefert war, glaubte man zunächst, die Definition der bereits genauer studierten Pflanzenzelle (s. oben) ohne weiteres auch auf die tierische anwenden zu können. In der Folge hat man dann kennengelernt, daß die tierische Z. eine viel größere Beweglichkeit und Variationsfähigkeit aufweist als die pflanzliche, und daß für dieselbe weder die äußere Membran noch das Vorhandensein eines Kernes im Innern den Wert bestimmender Merkmale besitzen (vgl. Max Schultze, "Über Muskelkörperchen und was man eine Z. zu nennen habe", im "Archiv für Anatomie und Physiologie", 1861); das einzig Wesentliche sei das übrigbleibende, das ringsum abgeschlossene Klümpchen organischer Substanz, Protoplasma, begabt mit der Fähigkeit physiol. Leistungen (Protoplasmatheorie). Besonders der Kern war bei einer größern Anzahl von Z., sowohl selbständig lebenden (sog. Moneren), als auch solchen des Tierkörpers (z. B. den roten Blutkörperchen der Säugetiere), nicht aufzufinden; solche Z. nannte Haeckel Cytoden. Doch ist jetzt bei sehr vielen der früher für kernlos gehaltenen Organismen ein Kern mit Sicherheit nachgewiesen worden, während sich andererseits gezeigt hat, daß die "kernlosen" roten Blutkörperchen des Säugetierkörpers keine eigentlichen Z., sondern Zellprodukte sind. Nur bei den Mikroorganismen (Bakterien u. s. w.) herrscht in dieser Hinsicht noch Unsicberheit. Bütschli glaubt bei einigen Formen kernartige Gebilde nachgewiesen zu haben; andere Forscher sehen den gesamten Körper der Bakterien als Kern an. Im allgemeinen liegen die Verhältnisse jetzt so, daß das wirkliche Fehlen des Kernes bei keiner Zellenart als positiv erwiesen erachtet wird, und darauf hin hat O. Hertwig denn auch die Existenz eines in das Zellprotoplasma eingeschlossenen besondern Bestandteils, des Kernes, in die Definition der Z. aufgenommen. Die Zahl der Z., die einen höher komplizierten Organismus zusammensetzen, mag sich auf viele Millionen belaufen; sie sinkt aber mit der Größe des Tiers immer mehr herab, und die letzte Grenze bilden Organismen, die nur aus einer einzigen Z. bestehen, die auch noch der Membran entbehren kann (z. B. Wurzelfüßer). Solche niederste und einfachste Organismen, die in einer Menge verschiedener Gattungen und Arten unsere Erde bevölkern und von der Wissenschaft in den Kreis der Urtiere (s. d.) zusammengefaßt werden, leben aber auch genau wie die größern und höher organisierten Tiere; d. h. sie nehmen Nahrung äuf, setzen diese in Leibessubstanz um und scheiden das nicht mehr Brauchbare aus; sie wachsen und pflan-^[folgende Seite]