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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zinn

stein (s. d., mit 78,6 Proz. Z.) Wichtigkeit. Nach Vorkommen und Gewinnung des allgemein Zinnerz genannten Zinnsteins unterscheidet man Seifenzinnerz (Waschzinnerz, Zinnsand, Barilla) oder Bergzinnerz. Ersteres wird auf sekundären Lagerstätten (Seifen), die durch die zerstörende Wirkung elementarer Ereignisse aus Erzlagerstätten entstanden sind, gefunden und entweder direkt oder nach einem Abschlämmen beigemengter Nebenbestandteile durch Reduktion mit Kohle im Flammofen bei starker Glühhitze auf Z. verarbeitet. Das Bergzinnerz dagegen, weil meist fein eingesprengt in der begleitenden Gesteinsart und untermengt mit vielen andern Mineralien, insbesondere Erzen, bedarf vor seiner Zugutemachung auf Z. verschiedener Vorarbeiten. Die zu Tage geförderte, oft kaum 1 Proz. Zinnstein haltende Gesteinsmasse (Zinnzwitter) wird, wenn das Fördergut sehr hart ist, behufs leichterer Zerkleinerung über freiem Feuer gebrannt, dann gepocht und durch Schlämmen und Verwaschen auf Herden der specifisch sehr schwere Zinnstein von den leichtern Nebenbestandteilen gesondert. Dieser Rückstand (Schlich), noch nicht reich genug und zu sehr vermengt mit schädlichen Erzen, kommt zum Rösten, damit Schwefel und Arsen verflüchtigt und die damit verbundenen Metalle in specifisch leichtere Oxyde umgewandelt werden, die durch darauf folgendes Schlämmen oder durch Behandlung mit Salzsäure aus dem Röstgut entfernt werden können.

Bei einem Wismutgehalt der Schliche gewinnt man dieses Metall aus den sauren Laugen. Durch diese Arbeiten vermag man die Schliche sehr hoch zu konzentrieren, nicht aber von beigemengtem Wolframerz zu reinigen. Dieses Erz macht die Zinnschliche strengflüssig, und das darin enthaltene Metall, Wolfram, wirkt legiert mit Z. ungünstig auf dessen Eigenschaften. Deshalb versucht man zuerst das Wolframerz von dem Zinnzwitter durch sorgfältige Handscheidung zu trennen; da dies aber nur unvollkommen gelingen kann, so glüht man an Wolframerz zu reiche Zinnschliche mit alkalischen Zuschlägen in Flammöfen und laugt aus der geglühten halbgeschmolzenen Masse das in Wasser lösliche wolframsaure Natrium aus und trennt dadurch Wolfram von dem unlöslichen Zinnstein.

Die so vorbereiteten Zinnerze werden entweder in Flammöfen (England) oder in kleinen Schachtöfen (Sachsen, Böhmen) auf Z. verarbeitet. Bei dem Verschmelzen in Flammöfen vermengt man das Schmelzgut mit einem Reduktionsmittel (Steinkohlen, Anthracit) und den Zuschlägen, die zur Verschlackung der mit den Schlichen zum Verschmelzen gelangenden Nebenbestandteile nötig sind; bei dem Verschmelzen der Schliche im Schachtofen, wobei die Schliche mit dem Brennmaterial direkt in Berührung sind, giebt man in der Regel als Flußmittel nur Schlacken, die bei gleicher Arbeit früher entstanden sind. Die Verschmelzung, sowohl im Flamm- als Schachtofen, liefert ein unreines Z. und eine Schlacke, in der sich Kieselerde, Erden und fremde Metalloxyde des Schliches und der Zuschläge vereinigt haben. Die Schlacke enthält noch viel Z., insbesondere in Form von kleinen Körnern (Dörner, Saigerdörner, Zinnpausche), mechanisch eingeschlossen. Dies zu gewinnen, pocht und verwäscht man entweder die Schlacken, oder man verschmilzt sie über dem Schachtofen auf Z. und eine reinere Schlacke. Letztere wird teils abgesetzt, teils dem Zinnschlichtschmelzen zurückgegeben; das aus der Schlacke erschmolzene oder gewaschene Z. (Schlackenzinn) wird mit dem aus dem Erz (Erzzinn) gewonnenen, weil beide meist noch stark verunreinigt sind durch einen Gehalt an Eisen, Kupfer, Wolfram, behufs Reinigung nochmals umgeschmolzen. Das Umschmelzen und Raffinieren geschieht nach engl. Methode in eisernen Kesseln, in denen das geschmolzene Z. durch Eindrücken von frischem Holz gepolt (gegart) wird, ähnlich wie beim Raffinieren des Kupfers. Durch das Polen, Aufkochen und die damit erzielte energische Einwirkung der atmosphärischen Luft werden beigemengte fremde Metalle oxydiert und ausgestoßen. Diese oxydischen Massen (Gekrätze) schwimmen auf dem flüssigen Z. und werden entfernt. Man läßt dann das Metall bis zu einer gewissen Temperatur erkalten und schöpft es nach und nach aus. Die oberste Schicht liefert das reinste Z. (Kornzinn). Auf deutschen Werken reinigt man das Z. durch das sog. Pauschen, indem man das unreine geschmolzene Z. durch glühende Kohlen hindurchlaufen läßt, wobei an letztern eine leichter erstarrende Zinnlegierung zurückbleibt, dagegen reineres Z. abfließt.

Die Gesamtproduktion an Z. betrug 1896 etwa 70000 t im Werte von 115 Mill. M. Die Produktion von England, die höchste in Europa, früher etwa 10000 t, betrug 1896: 6000 t, während die geringe Gewinnung in Deutschland und Österreich kaum in Betracht kommt. Etwa 60000 t liefern die überseeischen Länder, und zwar Australien (hauptsächlich Neusüdwales, Queensland und Tasmanien) 8000 t, Japan 2000 t, Banka und Billiton 14000 t, den Rest von etwa 44000 t die Straits Settlements, namentlich die Halbinsel Malaka. In Deutschland wurden 1896 nur 826 t im Werte von 952068 M. gewonnen (s. auch Deutschland [und Deutsches Reich, Bergbau]. Infolgedessen wurde in demselben Jahre für 17,6 Mill. M. Rohzinn ein- und nur für 1,1 Mill. M. ausgeführt. 100 kg gewalztes Zinn kosteten im Großhandel 1897: 142 M.

Da das Z. von den schwächern Säuren nur wenig angegriffen wird, so ist es besonders für Hausgeräte wichtig und eignet sich dazu ganz besonders durch die Leichtigkeit, mit der es sich in jede Form gießen läßt, und durch seine silberähnliche Farbe. Bis Anfang des 19. Jahrh. waren aus Z. gegossene Teller, Schüsseln, Krüge u. s. w. allgemein in Gebrauch. (S. Zinngußwaren.) Mit der steigenden Billigkeit und Eleganz der Porzellan- und Steingutgeschirre sind aber derartige Hausgeräte immer seltener geworden, und die Zinngießerei (s. d.) beschränkt sich jetzt auf wenige Gegenstände. Dagegen verzinnt man noch jetzt kupferne und eiserne Geräte, um sie vor der Einwirkung von Flüssigkeiten zu schützen. Verzinntes Eisenblech heißt Weißblech. Das Verzinnen des Eisenblechs, in neuester Zeit zum Teil durch das Verzinken ersetzt, geschieht in besondern Weißblechhütten durch Eintauchen des durch Säure gereinigten Blechs in geschmolzenes Z. Verzinnte Blechgefäße werden meist aus Weißblechtafeln gefertigt. Man benutzt ferner das Z. in Gestalt ganz dünner, gewalzter und mit Hämmern fein ausgeschlagener Bleche, sog. Zinnfolie oder Stanniol (s. Blech), teils zu Verzierungen aller Art, auch in gefärbtem Zustande, teils in Form von Zinnamalgam zum Belegen der Spiegel. Zinnfoliehämmer befinden sich besonders in der Umgebung von Nürnberg und Erlangen. Mit Blei in verschiedenen Verhältnissen legiert, giebt das Z. leichtflüssige Legierungen, die zu Haushaltungsgeräten,