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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Zuckergast; Zuckergurken; Zuckerhandel

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Zuckergast - Zuckerhandel

Brechwerk (Maische) und Sirupzusatz zerkleinert und verflüssigt (gemaischt) werden muß. Eine Füllmassemaischmaschine zeigt Taf. I, Fig. 4. Der in den Centrifugen verbleibende Zucker von hell braungelber Farbe stellt die gebräuchliche Handelsware, den Rohzucker, dar; er wird auf den Zuckerboden (das Lagerhaus) geschafft, dort gesiebt und gemischt, um ein gleichmäßiges Produkt zu erzielen. Die weitere Verarbeitung des Rohzuckers ist Aufgabe der Zuckerraffinerie (s. d.).

Der von den Centrifugen ablaufende Sirup wird behufs weiterer Zuckergewinnung nochmals im Vakuum konzentriert. Da diese Zuckerlösung aber im Verhältnis zu seinem Zuckergehalt viel Nichtzuckerstoffe enthält, die die gute rasche Krystallisation hindern, so kann dieser Sirup nicht auf Korn gekocht werden; daher wird die Konzentration nur so weit getrieben, daß eine Ausscheidung von Zucker im Vakuum nicht stattfindet (Blankkochen). Diese heiß konzentrierte Sirupfüllmasse wird dann entweder in große viereckige eiserne Kasten von etwa 20 bis 30 cbm Inhalt abgelassen und daselbst der allmählich stattfindenden Krystallisation überlassen, die, je nach der Reinheit des Sirups, etwa 4-6 Wochen dauert, oder sie wird mittels Krystallisation in Bewegung in kürzerer Zeit auskrystallisiert. Die erhaltene auskrystallisierte Sirupfüllmaische (Nachproduktfüllmasse) wird ebenfalls geschleudert. Der bräunliche, geringere Nachproduktzucker ist Handelsartikel; den ablaufenden Sirup kocht man nochmals blank, läßt ihn in großen Bassins etwa 3 Monate krystallisieren und schleudert ihn dann. Der ablaufende Sirup giebt auf nochmalige Konzentration keinen Zucker mehr und bildet die Melasse (s. d.).

Die eigenartige froschlaichartige Verwandlung des Zuckerrübensaftes bei der Z., welche in kürzester Zeit große Bottiche völlig unbrauchbar machen kann, wird durch den Leuconostoc mesenterioides van Tieghem (s. Froschlaichbakterium) hervorgerufen. Indem der Leuconostoc in der Zuckerlösung wächst, wird der Rohrzucker zunächst in Glykose und Lävulose umgesetzt, dann zur Bildung der sehr bedeutenden schleimigen Gallerthüllen verbraucht, mit welchen die Zellen des Pilzes sich umgeben. Die großen schleimigen Ballen, welche bei diesem Wachstumsvorgang entstehen, sind die Zooglöahaufen des Leuconostoc. (Über die Naturgeschichte des Leuconostoc vgl. Cienkowski und van Tieghem, Die Gallertbildungen des Zuckerrübensaftes, Charkow 1878.

II. Rohrzuckergewinnung. Zur Gewinnung des eigentlichen Rohrzuckers (des Kolonialzuckers, s. d.) wird das Zuckerrohr (s. Saccharum) durch Walzenpressen ausgepreßt, das ausgepreßte Rohr vielfach dann nochmals mit Wasser befeuchtet und nachgepreßt. Der Preßrückstand, die Bagasse (s. d.), dient im getrockneten Zustand als Heizmaterial für die Dampfkessel und genügt beinahe zur Erzeugung des gesamten nötigen Dampfes. Die Zuckergewinnung durch Diffusion des Rohres hat aus dem Grunde keine Verbreitung gefunden, weil die ausgelaugten Schnitte nicht zur Kesselheizung geeignet sind. Der von den Pressen laufende Saft wird mit wenig Kalk (1/4 Proz.) in offenen Pfannen gekocht; dabei steigt der gebildete Schlamm und Schaum nach oben (Deckenscheidung) und der darunter befindliche klare Saft wird abgezogen. Letzterer wird nochmals in einem Clarificateur aufgekocht (Dekoktionsverfahren), der abscheidende Schaum abgeschöpft und der Saft dann verdampft und verkocht wie Rübensaft. Der Rohzucker aus Rohr hat nicht den unangenehmen Geschmack wie Rübenrohzucker und geht daher vielfach direkt in den Konsum.

Die Zuckergewinnung aus andern Rohmaterialien (dem Saft des Zuckerahorns und der Palme) besteht vielfach nur in einem Eindicken des ungereinigten Saftes über direktem Feuer. Der betreffende Rohzucker gelangt als etwas trockne Füllmasse in den Handel, da der Sirup nur durch Abtropfenlassen, daraus befreit wird. Der Handel damit ist unbedeutend. Diese Zuckersorten finden hauptsächlich nur an den Erzeugungsstätten Verwendung.

Litteratur. Walkhoff, Der praktische Rübenzuckerfabrikant und Raffinadeur (4. Aufl., Braunschw. 1872); Stammer, Lehrbuch der Z. (ebd. 1874; 2. Aufl., ebd. 1887; Ergänzungsband zur 1. Aufl., ebd. 1881); ders., Wegweiser in der Z. (ebd. 1876); R. von Kaufmann, Die Zuckerindustrie in ihrer wirtschaftlichen und steuerfiskalischen Bedeutung für die Staaten Europas (Berl. 1878); Stohmann, Handbuch der Z. (2. Aufl., ebd. 1885); Stammer, Der Dampf in der Zuckerfabrik (Magdeb. 1891); Frühling und Schulz, Anleitung zur Untersuchung der für die Zuckerindustrie in Betracht kommenden Rohmaterialien, Produkte u. s. w. (5. Aufl., Braunschw. 1897); Rathkes Bibliothek für Zuckerinteressenten (Magdeb. 1897 fg.). - Zeitschriften: Centralblatt für die Zuckerindustrie der Welt (Magdeb. 1893 fg.); Zabels Jahr- und Adreßbuch der Zuckerfabriken Europas (Magdeburg); Jahresbericht über die Untersuchungen und Fortschritte auf dem Gesamtgebiete der Z., begründet von Stammer, hg. von Bock (Braunschweig).

Zuckergast, Insekt, s. Silberfischchen.

Zuckergurken, s. Gurke und Einmachen.

Zuckerhandel. Obgleich mehr Rohr- als Rübenzucker erzeugt wird, so tritt im Welthandel seit 1870 der Rohrzucker gegen den Rübenzucker zurück. In der Ausfuhr nimmt Deutschland die erste Stelle ein, dann folgen Cuba (seit 1894 jedoch durch die Revolution tiefer gerückt), Österreich-Ungarn, Frankreich, Niederländisch-Ostindien, die Philippinen. Die stärkste Einfuhr weisen Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika auf. 1896/97 führten ein an Zucker aller Art Großbritannien 1469697 t, die Vereinigten Staaten 1680120 t, die Schweiz 50777 t. Auch Frankreich führte, trotz seiner Ausfuhr von 329714 t, 1896/97: 147486 t ein, während in Deutschland und Österreich die Einfuhr sehr gering war. Holland hat mit der starken Zufuhr aus seinen ind. Besitzungen eine steigende Ausfuhr in Raffinaden. Rußland deckt zur Zeit den eigenen Bedarf und erscheint auch mit stärkern Posten auf dem Weltmarkt. In den Ausfuhrländern Europas betrug die Zuckerausfuhr in Millionen Mark:

Länder 1886 1890 1894

Deutschland 144,7 219,5 259,3

Österreich-Ungarn 80,6 112,6 148,4

Frankreich 46,2 101,4 100,8

Belgien 26,0 43,3 41,7

Holland t ? 115200 124380

Die Hauptmärkte für Rohrzucker sind in überseeischen Ländern Habana, Bahia, Samarang und Neuyork; für Rohzucker in Europa London, Magdeburg, Hamburg, Prag, Paris, Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam und Kiew. Die bedeutendsten Terminmärkte (s. Termingeschäfte) sind Paris, London, Magdeburg und Hamburg.