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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Auersperg - Auffütterung
anschloß. Später siedelte er nach Berlin über, wo
er mit kurzer Unterbrechung seinen dauernden Wohn-
sitz behielt. Er gehört zu dem Vorstand der social-
demokratischen Partei, war Mitglied des Reichstags
für die sächs. Wahlkreise Auerbach-Reichenbach 1877
-78, Glauchau-Meerane 1880-87 und wieder seit
1890. Als tüchtiger Redner hat er innerhalb seiner
Partei hauptsächlich im Sinne einer straffen Partei-
zucht und festen Organisation gewirkt und ist auf
den Parteitagen für die Machtbefugnis des Partei-
vorstandes mit großer Energie eingetreten. Auch
für die fachliche Organisation der Arbeiter hat A.
eifrig und erfolgreich gewirkt.
* Auersperg, österr. Geschlecht. Der Vertreter
des Astes vormals zu Altschloß-Purgstall der Voll-
radischen Linie, Graf Gottfried von A., geb.
19. Dez. 1818, starb 17. April 1893 zu Baden. Ihm
folgte sein Sohn Graf Leopold von A., geb.
16. Mai 1855, k. k. Statthaltereirat in Nieder-
österreich. Zeugung.
Aufbereitung, magnetische, s. Eifener-
* Auffütterung der Kinder. Die als Ersatz
der Mutter- oder Ammenmilch für die A. verwen-
dete käufliche rohe Kuhmilch zeigt von dem nor-
malen Verhalten der Frauenmilch in zwei Punkten
wichtige Abweichungen, durch welche Gesundheits-
schädigungen des Säuglings zu stände kommen kön-
nen, einmal durch ihren Gehalt an zahlreichen Bak-
terien, unter denen sich hänfig Krankheitserreger fin-
den, zweitens durch ihre abweichende chem. Be-
schaffenheit, infolge deren sich Verdauungsstörungen
entwickeln können und wegen unvollkommenerer
Ausnutzung der in der Milch enthaltenen Nährstoffe
der allgemeine Ernährungszustand des Kindes leidet.
Von krankheitserregenden Bakterien kön-
nen in der Milch zunächst die Erreger einer Anzahl
von Infektionskrankheiten vorkommen, wie dies that-
sächlich öfters von den Erregern des Typhus, der
Diphtherie, am häusigsten aber von den Tuberkcl-
bacillen nachgewiesen ist; alle diese Keime lassen sich
leicht und sicher schon durch ein 15 Minuten dauern-
des Kochen vernichten; das in der Haushaltung ge-
wöhnlich übliche bloße Aufkochen genügt dagegen
nicht. Zweitens aber kommen in der Kuhmilch sehr
häufig, in den heißen Sommermonaten fast regel-
mäßig, Bakterien aus der Gruppe derHeubacillen
vor, die mit Heustaub, Kuhkotteilchen u. s. w. in die-
selben gelangen und die sich durch außerordentlich
widerstandsfähige Sporen auszeichnen; die Bedeu-
tung dieser sog. peptonisierenden Bakterien der Kuh-
milch ist erst neuerdings durch die eingehenden For-
schungen Flügges sin der "Zeitschrift für Hygieine
und Infektionskrankheiten", Bd. 17, Lpz. 1891,
S. 272) erkannt worden; besonders wurde festge-
stellt, daß sie höchst wahrscheinlich als Erreger der
gefürchteten und besonders in den Sommermona-
ten zahlreiche Opfer fordernden <Hoi6i-H infantiim
(s. Durchfall, Bd. 5) angesprochen werden müssen.
Diese Bakterien vermögen jedoch nur danu ihre ver-
derblichen Wirkungen zu entfalten, wenn sie in
großer Menge in den kindlichen Darm eingeführt
werden; nach den in neuester Zeit angestellten Ver-
suchen Lübberts (in der "Zeitschrift für Hygieine und
Infektionskrankheiten", Bd. 22, Lpz. 1890, S. 1)
sind schon zur Tötung eines Meerschweinchens
24 Millionen dieser Bakterien erforderlich. Dieses
merkwürdige Verhalten unterscheidet sich sckarf von
der Wirkungsweise der andern, eben besprochenen
Klasse pathogener in der Milch vorkommender Keime,
z. V. der Tuberkelbacillen, die selbst in ganz verein-
zelten Exemplaren eingeführt, im Organismus üppig
zu wuchern und ihre specififche krankheitserregende
Wirkung auszuüben vermögen; die Erreger der Olio
i6rH inlantuin hingegen schädigen den Körper nicht
durch Wucherung in demselben, sondern durch die
Wirkung prüformierter, mit den Bakterien selbst ein-
geführter Giftstoffe; nur wenn diefes Gift in einer
bestimmten Menge eingeführt wird, wozu eine vor-
angegangene bedeutende Vermehrung der peptoni-
sierenden Bakterien in der Milch erforderlich ist,
treten Krankheitserscheinungen auf. Es kommt also
alles darauf an, die wenigen Exemplare, in denen
die Erreger der Oliolora, inlantuin in "der srisch ge-
molkenen Milch stets nur vorhanden sind, an weiterer
Vermehrung zu hindern, um Gesundheitsschadi-
gungen durch dieselben mit Sicherheit zu vermeiden.
Das radikalste, scheinbar Nächstliegende Mittel, die
Abtötung der Keime durch Kochen der Milch, schlägt
nicht an, weil diese Bakterien in Form ihrer oben
erwähnten außerordentlich widerstandsfähigen Spo-
ren selbst durch mehrstündiges Kochen (wobei übri-
gens Geschmack und Aussehen der Milch vollständig
verdorben werden würden) nicht geschädigt werden.
Dank der eingehenden Forschungen Flügges über
die Lebensbedingungen dieser Bakterien ist jedoch
ein sehr einfaches Mittel, um die Vermehrung der-
selben vollkommen zu verhindern, in der bloßen
Kühlhaltung der vorher 15 Minuten lang gekochten
Milch gefunden worden; nach dem Kochen sind alle
übrigen Bakterien vernichtet und nur die wenigen
widerstandsfähigen Sporen übriggeblieben; diese
sind bei einer unter 22° 0. liegenden Temperatur,
wie sie in einfacher Weise durch Kühlung im Keller
oder mittels mehrfach erneuertem Leitungs- oder
Brunnenwassers bewirkt werden kann, zu jeder nen-
nenswerten Vermehrung unfähig, so daß die Milch
noch nach 12-21 Stunden geeignet zum Genusse
ist. Das ganze für einen Tag zur Säuglingsernäh-
rung benötigte Quantum von Milch kann daher auf
einmal, oder noch sicherer in zwei verschiedenen Por-
tionen für je einen halben Tag, abgekocht werden.
Zweckmäßig kann man sich hierzu des Soxhletschen
Milchkochers bedienen, in welchem jede einzelne dem
Kinde darzureichende Portion in einem besondern
Fläschchen sterilisiert wird; in seiner neuen Flügge-
schen Modifikation ist der Kautschukverschluß an den
Flaschen in vorteilhafter Weise durch ein ebenso sicher
wirkendes Glashütchen ersetzt; für die ärmere Bevöl-
kerung ist der ebenfalls vollkommen sicher wirkende
und dabei sehr billige von Flügge angegebene Milch-
kochtopf, welcher ein längeres Kochen ohne Gefahr
des Ubcrlaufens gestattet, vorzuziehen. Für seltene
Ausnahmsfälle, in denen längere Kühlhaltung der
Milch auf Schwierigkeiten stoßen würde und die
Milch auch nicht stets sofort nach dem Kochen ver-
braucht werden kann, wie z. V. auf Schiffen oder
bei längern Landreisen, dürfte sich der Gebrauch ab-
solut keimfreier Milch, in der auch die widerstands-
fähigsten peptonisierenden Bakterien abgetötet sind,
empfehlen; solche Milch wird von der "Natura-
Milch-Fabrik" zu Waren in Mecklenburg durch An-
wendung hochgespannten Dampfes sterilisiert und
in hermetisch verschlossenen Blechbüchsen in den
Handel gebracht; sie ist unbegrenzt haltbar, absolut
zuverlässig keimfrei, von vortrefflichem Geschmack,
aber ziemlich teuer. Ihr dauernder Gebrauch ist
auch einfach überflüssig, weil das oben beschriebene,
im Hause vorzunehmende Verfahren der partiellen