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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Baden (Großherzogtum)
d. i. eine Zunahme seit 1890 um 67 59? Personen
oder 4,08 Proz. Die Zahl der Geburten betrug 1895:
582-20, der Eheschließungen 13046, der Eterbefälle
(einschließlich Totgeburten) 39081. Über den Beruf
der Bevölkerung s. Tabelle S. 114 unten.
Einwohnerzahl der Landeskommissariats-
bezirke:
Bezirke
Ortsanwesende
Bevölkerung
1890
1895
Zunahm?
Von 1890-95
in Proz.
Konstanz .
Frei bürg .
Karlsruhe .
Mannheim.
285 459
480 664
472 06 l
487 280
281 770
469 515
445 156
461426
1,33
2,47
6,04
5,51
Großherzugtnm > 1 725 464 > 1 65? 867
4,08
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamt-
fläche (1508100 Ka) waren 1894: 560942 lia Acker-
land, 206192 Wiesen, 19 670 Nebland, 16 227
Gras- und Obstgärten, 554 Kastanienwald, 54149
ständige Weide. Geerntct wurden 1893: 380383 t
Dörner- und Külsenfrüchte (im Werte von 80,4
Mill. M.>, 434788 Stroh (14,9), 989 500 Kar-
toffeln (33,"), 450000 heu und Butter (33,4),
1 397 800 Futterhackfrüchte (14,"), 70919 Handelv-
gewächse (13,4), 16035 Kraut und Gemüse (1,2),
630550 111 Wein (13,?), 326400 t Obst (33,6), im
Gesamtwert von 244,5 Mill. M. Mit Tabak waren
1893/94:6069 Im bebaut durch 32 649 Tabakpflanzer.
Der Ertrag hatte einen Wert von 10 887 655 M.;
davon wurden 4574773 M. Steuer entrichtet. 1894
wurden 3390 t Hopfen geerntet. Die Viehzählung
1892 ergab 67 595 Pferde, 634984 Stück Rind-
vieh, 98107 Schafe, 390464 Schweine, 102682
Ziegen und 78284 Bienenstöcke.
Gewerbe, Industrie und Handel. In den einer
Aufsicht unterstehenden Gewerben fanden sich 1893:
5509 Betriebe (4090 Motorenbetriebe, 1694 mit
jugendlichen Arbeitern) mit 134231 Arbeitern (dar-
unter 44 233 weibliche und 11204 jugendlicke).
Verkehrswesen. Das Straßennetz batte 1894
eine Länge von 10414,511cm, nämlich 3093,38 km
Staats-, 1208,2i Kreisstrasien und 6112,62 Gemeinde
wcge mit einem Gesamtaufwand von 3 661979 M.
- über die Eisenbahnen s. Badische Eisenbahnen.
- Der Wasserverkehr in N. ist in bedeutendem Auf
schwunge begriffen, und zwar ganz vorzugsweise in
Mannheim (s. d.). Dementsprechend ist auch die Nee
derci B.s, das übrigens auch an der Neckar- und Mein-
flößerei sehr stark beteiligt ist, verhältnismäßig sebr
bedeutend. Im Frühjahr 1896 zählte V. an größern
in das Rheinschiffahrtsregister eingetragenen Schif-
fen 389 hölzerne und 108 eiserne Schleppkäbne mit
40979 und 111195 t Ladefähigkeit, sowie 9 Rad-
und 27 Schraubendampfer.
Finanzen. Nach den dem Landtage vorgelegten
Rechnungsnachweisungen von 1894/95 standen 1893:
60581219 M. Einnahmen 65 660147 M. Aus-
gaben gegenüber; 1894 sind die Ziffern 63 373 589
und 66 556 789 M., so daß sich der Betriebsfonds,
aus welchem die Fehlbeträge gedeckt wurden, auf
15 369 761 M. verringert hat. - Das Budget für
1895/96 zeigt in Einnahmen 129147424 M., in
Ausgaben 134 792 277 M.; der Fehlbetrag von
5644 853 M. soll mit einem überkommenen, von
l 271856 M. durch einen in der nächsten Etats-
periode zu ersetzenden Zusckuh aus der Amortisa-
tionskasse gedeckt werden.
Den Reichstagswahlkreis Donaueschingm-Villin-
gen vertritt der Abgeordnete Merz (nationalliberal).
Litteratur. Neumann, Die Volksdichte im Groß-
herzogtum B. (Stuttg. 1892); Krieger, Topogr.
Wörterbuch des Großherzogtums V. (Abteil. 1-3,
Zeidelb.1893-95); Wielandt, Das Staatsrecht des
Großberzogtums B. (Freib. i. Vr. 1895).
Geschichte. Aus den Verhandlungen des Land-
tags von 1892, der 11. Juni geschlossen wurde, sind
hervorzuheben die Annahme des Elementarunter-
richtsgesetzes, das 26. Dez. 1891 vorgelegt worden
war, und die Debatten über die Anträge auf Ein-
führung direkter Wablen und Zulassung religiöser
Orden. Das Unterrichtsgesetz wurde 28. April von
der Zweiten Kammer angenommen; danach wird das
Ortsklassensystem durch Altersklassen ersetzt, die Ge-
meinden liefern ihre Beiträge an den Staat ab,
dieser zahlt die Gehälter aus und trägt den gesamten
Mehraufwand. Der von demokratisch-freisinniger
und ultramontaner Seite eingebrachte Antrag auf
Einfübrung der direkten Wahlen für die Zweite
Kammer wurde zwar von der Regierung für ebenso
unannehmbar erklärt wie die Änderung der Organi-
sation der Ersten Kammer, aber die Kammer selbst
sprach sick-sür eine Linderung des Wahlsystems, frei-
lich in Verbindung mit einer Gesamtrevision der
Verfassung, aus und ersuchte um cine entsprechende
Vorlage. Dagegen lehnte die Kammer den Antrag
der ultramontanen Abgeordneten, daß religiöse
Orden olme Genehmigung der Regierung sollten ein-
geführt werden dürfen, ab. Die schon länger geplante
Änderung der Organisation der Ministerien trat
7. März 1893 ein. Es wurden die mit dem Präsidium
des Staatsministeriums verbundenen Geschäfte des
großherzogl. Hauses und die Erledigung der Reichs-
und auswärtigen Angelegenheiten einem besondern
Ministerium des großherzogl. Zauses und der aus-
wärtigen Angelegenheiten übertragen und diesem
auch das bisher mit dem Finanzministerium ver-
bundene Eisenbahn-, Post- und Telegraphenwesen
zugeteilt. Schon 8. März traten Turban und Ell-
stätter zurück und wurden durch Iustizminister Notk
im Präsidium und durch Buchenberger in den Fi-
nanzen ersetzt, während der bad. Gesandte in Berlin,
Brauer, das neu errichtete Ministerium erhielt. Die
Ersatzwablen zum Landtage brachten 27. Okt. 1893
nur eine kleine Verschiebung, die aber bewies, daß die
hochgradige Agitation der Oppositionsparteien kei-
nen Anklang in der Bevölkerung fand. Die Zweite
Kammer bestand nun aus 30 Nationalliberalen, 23
Ultramontanen, 5 Freisinnigen und Demokraten,
3 Socialdemokraten und 2 Konservativen.
Die Tagung von 1894 brachte außer der Etats-
beratung wieder die Verhandlung über Mönchsorden
und Wablreckt. Die 'Regierung lehnte die Antrüge
auf Zulassung der Mönchsorden und anderweitige
Vorbildung der Geistlichen ab (10. Mai) und fand
auch 13. Juni die Unterstützung der Kammer, da-
gegen wurde die Abhaltung von Missionen durch
auswärtige Ordenspriester zugestanden. In der Ver-
fafsungsfrage kam es zu keinem positiven Schluß.
Nachdem der Minister seine Geneigtheit zur Abände-
rung des indirekten Wahlverfahrens, wenn man sich
mit gleichzeitiger Sicherung der Interessenvertretun-
gen für die Proportionalwahl erkläre (21. Juni), kund-
gegeben batte, sprach sich die Zweite Kammer mit 55
gegen 8 Stimmen für die Einführung der Proportio-
nalwahl aus und im Falle der Ablehnung durch die
Erste Kammer mit 31 gegen 29 Stimmen für Ein-
8*