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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Brassert
Der Handel scheint sich mehr zu entwickeln; 1890
betrug die Einfuhr 260,i, die Ausfuhr 317,8 Mill.
Milre'is; 1894 wurde letztere auf 601 Mill. Milre'is
geschätzt, davon 218 übcr Santos und 149 über Rio.
Vom Nov. 1894 an darf die Küsten- und Fluhschiff-
fahrt nur brasil. Flagge führen. Um die Bildung
einheimischer Gesellschaften zu erleichtern, wurden
gegen 3 Mill. Milre'is als Unterstützung bewilligt.
Verkehrswesen. 1895 waren 12048 kni Eisen-
bahnen im Betrieb, nämlich 2816 km im Besitz des
Staates, 4450 km von Einzelstaaten, 3207 km
subventionierte und 1475 km nicht subventionierte
Privatbahncn; im Bau befanden sich angeblich
6952 km, in Vorbereitung 9757 km. Die 2826
Postbureaus beförderten 1893 über 33 Mill. Briefe
und Karten, die Länge der Telegraphenlinien betrug
15903, die der Drähte 34000km bei 264Stationen,
die 1132 432 Telegramme beförderten.
Finanzen. Das Deficit, das sich mit Ausnahme
von 1891 alljährlich einstellte, ist von 50 Mill. Mil-
re'is 1892 auf 20,8 Mill. 1894 gesunken. Das Budget
für 1895 (Einnahmen 270198 000 Milre'is, Aus-
gaben 275 691000 Milre'is) reduzierte zwar das De-
ficit bis auf 5V. Mill. Milrc'is, und im Voranschlag
für 1896 steht sogar ein Überschuß von fast 5 Mill.
auf dem Papier (Einnahme 300884000, Ausgabe
296028078 Milre'l's). Dierasch wachsende Staats-
schuld betrug 1895 an äußerer Schuld 31453 500
Pfd. St., an innerer 754042 399 Milre'is, wozu
noch für 700 Mill. M. umlaufende Schatzscheine und
Bauknoten kommen.
Heerwesen. Heer und Flotte sind in dem letzten
Bürgerkriege desorganisiert worden. Das stehende
Heer wird auf 28120 Mann Friedensstärke ange-
geben. Die Flotte ist auf 24 Fahrzeuge zusammen-
geschmolzen. Das Personal soll 8400 Mann betragen.
Eine Reihe größerer Schiffe sind in Bau gegeben.
Geschichte. In V. dauerten die Aufstände und
Parteizwistigkeiten, die seit dem Sturz des Kaiser-
tums (1889) das Land beunruhigt hatten, fort; na-
mentlich in Mato Grosso und in Rio Grande oo Sul
machten sich separatistische Neigungen geltend, und es
kam dort 1893 zu einem monatelangen Bürgerkriege.
Da der General Peiroto, der im Nov. 1891 nach dem
Sturz Fonsecas als Viceprüsident die Negierung
übernommen hatte, durch zahlreiche Willkürakte das
Mißfallen des Kongresses erregte, beschloß dieser,
daß ein Vicepräsident nicht Präsident der Republik
werden dürfe, wogegen Pciroto sein Veto einlegte.
Die Folge war ein Aufstand, der sich 6. Sept. 1893
in Rio de Janeiro selbst erhob, und an dessen Spitze
die Admirale Custodio de Mello und Saldanha da
Gama standen, die über die ganze Flotte geboten,
während das Landhccr zum größten Teil Pciroto
treu blieb. Ein lange unentschiedener Kampf folgte,
während dessen die Aufständischen im September und
Oktober die Hauptstadt und ihre Forts beschossen.
Im November gelang es Mello, mit dem Panzerschiff
Aquidaban die Bai von Rio zu verlassen, um den
Aufstand in den südl. Staaten zu organisieren, wäh-
rend Saldanha da GamadcnBefehl in der Bai führte
und sich der Forts Villegaignon und Armacao be-
mächtigte. Inzwischen hatte Pciroto in den Ver-
einigten Staaten Schiffe ankaufen und ausrüsten
lassen, und als diese 13. März 1894 vor Rio de
Janeiro erschienen, unterwarfen sich die Aufstän-
dischen. Da Gama flüchtete auf ein portug. Kriegs-
schiff und fand dort Schutz, was zu längern Ver-
handlungen und einem zeitweiligen Abbruch der
diplomat. Beziehungen mit Portugal führte. Auch
de Mello, der im Süden nur geringe Erfolge er-
rungen hatte, mußte sich, als der Aquidaban bei
Desterro in Sta. Catharina in den Grund gebohrt
war, 16. April bei Vuenos-Aires den argentin. Be-
hörden ergeben. Am längsten hielt sich der Aufstand
in Rio Grande do Sul, wo er völlig erst nach dem
Tode da Gamas durch ein förmliches Abkommen zwi-
schen der Regierung und den Insurgenten im Aug.
1895 beendigt wurde, worauf ein Amncstieerlaß
erfolgte. Schon vorher, 1. März 1894, war Pru-
dente de Moraes Varros zum Praswenten der Re-
publik gewählt worden, und 15. Nov. trat er sein
Amt an. Unter seiner Regierung kam es nament-
lich in Sao Paulo im Aug. 1896 zu Zusammen-
stößen zwischen Italienern und Brasilianern und zu
Beschimpfungen der ital. Flagge, wofür der ital.
Gesandte Genugthuung forderte, die ihm von der
brasil. Regierung bereitwillig gewährt wurde. Krank-
heitshalber sah sich der Präsident Moraes Barros
im Nov. 1896 genötigt, sein Amt niederzulegen,
worauf der Vicepräsident Victorino Pereira an die
Spitze des Staates trat.
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äo8 ll3taäo8 Uniä08 äo Vraxil (Rio 1892).
Brassert, Hermann, Jurist, geb. 26. Mai 1820
in Dortmund, studierte in Berlin, .Heidelberg und
Bonn, wurde 1850 als Justitiar mit dem Charakter
als Vergrat beim Vergamt in Siegen angestellt und
1855 unter Ernennung zum Oberbergrat an das
Oberbergamt in Bonn versetzt. Seit 1864 war er
als Geh. Bergrat und vortragender Rat im preuß.
Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten thätig, wurde aber schon 21. Dez. desselben
Jahres als Verghauptmann und Direktor des Ober-
bergamtes nach Bonn zurückversetzt. 1892 trat er
in den Ruhestand. An der Abfassung des preuß.
Verggesetzes vom 24. Juni 1865 sowie des Berg-
gesetzes für Elsaß-Lothringen hat B. in hervorra-
gender Weise Anteil genommen. 1860 gründete er
mit Achenbach die "Zeitschrift für Bergrecht", die er
seit 1873 allein herausgiebt. Außer kleinern Auf-
sätzen veröffentlichte er: "Beiordnungen der preuß.
Lande" (Köln 1858), "Das Bergrecht des Allgem.
Preuß. Landrechts in seinen Materialien" (Bonn
1861), "Allgemeines Verggesetz für die preuß. Staa-
ten vom 24. Juni 1865. Mit Einführungsgefetz und
Kommentar" (ebd. 1888), "Novelle zum preuß. allge-
meinen Berggesetze vom 24. Juni 1892" (ebd. 1894).