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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ersatzwesen
können von der persönlichen Vorstellung vor der
Obrn^saHkommission befreit werden. Auch wenn
keine persönliche Vorstellung stattfindet, immer liegt
die definitive Entscheidung bei der Oberersatzkommis-
sion. Sie kann emen fünffachen Inhalt haben:
1) Ausschluß vom Militärdienst. Ausgeschlossen
werden Personen, die mit Zuchthaus bestraft sind,
oder solche, gegen die auf dauernde Unfähigkeit zum
Dienst im deutschen.Heere und der kaiserl. Marine
erkannt ist; endlich Personen, welche noch in ihrem
fünftenMilitärpflichtjahre wegen einer gegen sie schwe-
benden Untersuchung oder wegen einer über sie ver-
hängten Strafe nicht eingestellt zu werden vermögen.
2) Ausmusterung bei Personen, welche wegen
körperlicher oder geistiger Gebrechen zum Dienst,
d. h. sowohl zum Dienst mit der Waffe als zum
Dienst ohne Waffe <z. B. Krankenwärter) dauernd
untauglich befunden werden. Sie sind von jeder
weitern Gestellung zu befreien; sie sind auch nicht
landsturmpftichtig.
3) Aushebung zum aktiven Militärdienst und
zwar a. zum Dienst mit der Waffe; die hierzu taug-
lich Befundenen werden auf die einzelnen Waffen-
gattungen nach ihrem Körpermaß und ihren beson-
dern Eigenschaften verteilt; die seemännische Bevöl-
kerung darf nur für die Marine ausgehobcn werden,
desgleichen die halbseemännische, zu welcher zu rech-
nen sind Seeleute, welche als solche auf deutschen
oder außerdeutschen Fahrzeugen mindestens zwölf
Wochen gefahren sind, und l^ee-, Küsten- und Haff-
fischer, welche die Fischerei zwar weniger als ein
Jahr, aber gewerbsmäßig, sei es als Haupt-
gewerbe (Verufssischer), sei es als Nebengewerbe
(Gelegenheitsfischer) betreiben oder betrieben haben;
d. zum Dienst ohne Wafse und zwar als Kranken-
wärter Leute, die Lust und Befähigung zur Kranken-
pflege haben, als Ökonomiehandwerker Leute, die
als Schneider, Schuhmacher oder Sattler oder zur
Bedienung der Maschinen auf Truppen- und Korps-
werkstätten zu verwenden sind, und als Pharma-
ceuten solche zum einjährig-freiwilligen Dienst Be-
rechtigte, die als Apotheker approbiert sind; c. als
Arbeitssoldaten solche, die nicht im Besitz der bürger-
lichen Ehrenrechte sind; ä. versuchsweise, wenn Mi-
litärpflichtige angeblich an Gebrechen leiden, den
Ersatzbehörden aber deren Vorhandensein nicht oder
nicht in dem behaupteten Grade nachgewiesen wer-
den konnte. Es werden von den in dem betreffenden
Aushebungsjahre militärpflichtig gewordenen und
den in den frühern Jahren zurückgestellten, nach
Ausschluß und Ausmusterung verbliebenen Perso-
nen so viel ausgehoben, als zur Deckung des Ab-
gangs bei Heer und Marine erforderlich sind. Nicht
herangezogen werden a. die wegen geringer, aber
unheilbarer körperlicher Fehlcr nur bedingt Taug-
lichen, d. die wogen zeitweiliger Dienstuntauglichkeit
und e. die wegen bürgerlicher Verhältnisse Zurück-
gestellten, sofern die Gründe der Zurückstellung auch
noch im dritten Militärpflichtjahre fortdauern. Aus
besondern Billigkcitsgrüuden kaun die Ministerial-
instanz weitere Befreiungen von der Aushebung
eintreten lassen. - Unter den übrigbleibenden ent-
scheidet über die Neihe, in welcher sie zur Einstellung
gelangen, das Los; hohe Losnummer befreit. Eine
Abweichung von der Nummernfolge oder ein Hinaus-
greifen über die den Abschluß des Bedarfs bezeich-
nende Abschlußuummer ist nur dann statthaft, wenn
die erforderliche Zahl folcher Rekruten, an welche im
Interesse einzelner Waffengattungen besondere An-
forderungen zu stellen sind, nicht zu finden ist. Auf
die infolge hoher Losnummer im ersten Jahre nicht
Eingestellten darf in den beiden folgenden Militär-
pstichtjahren zurückgegriffen werden, wenn in dem
Aushebungsbczirk der Rekrutenbedarf nicht anders
gedeckt zu werden vermag.
4) Überweisung zur Ersatzreserve (s. d.);
sie findet statt gegenüber a. den sog. überzähligen,
d. h. denjenigen, welche wegen hoher Losnummer
befreit und auch im dritten Militürpflichtjahr nicht
eingestellt werden; d. den wegen bürgerlicher Ver-
hältnisse Zurückgestellten, sofern die Gründe der Zu-
rückstellung auch im dritten Jahre noch fortdauern;
c. den nur bedingt Tauglichen; ä. den wegen zeit-
weiliger Untauglichkcit Zurückgestellten, wenn die-
selben auch im dritten Jahre noch nicht dienstfähig
sind. Innerhalb dieser vier Gruppen erfolgt die
Heranziehung zum event. Dienst, was die Über-
zähligen angeht, nach Maßgabe der Losnummer,
sonst entscheidet Abkömmlichkeit, Lebensalter, bessere
Diensttauglichkeit.
5) Überweisung zum Landsturm a. gegen-
über Personen, welche wegen körperlicher Gebrechen
weder zum Dienst im stehenden Heer noch in der Er-
satzreserve tauglich sind, im Landsturm aber irgend-
wie (z. B. auch nur zu Arbeiten, die ihrem bürger-
lichen Beruf entsprechen) verwendet werden können;
I>. gegenüber solchen wegen zeitweiliger Untauglich-
keit Zurückgestellten, die auch in ihrem dritten Mili-
tärpflichtjahre noch nicht den Anstrengungen des
Dienstes gewachsen erscheinen; c. in Berücksichtigung
bürgerlicher Verhältnisse, wenn die Gründe der Zu-
rückstellung auch im dritten Militärjahrc noch fort-
dauern (dauernde Unabkömmlichkeit)', H. hinsichtlich
der Militärpflichtigen, welche der Ersatzreserve zu
überweisen wären, für dieselbe aber nicht erforderlich
sind, nachdem der gesetzliche Bedarf hierfür gedeckt
ist. Darüber hinaus können aus besondern Billig-
keitsgründen die Ministerien Militärpflichtige statt
der Ersatzreserve dem Landsturm überweisen. Eine
Überweisung von Militärpflichtigen der seemänni-
schen und halbseemännischen Bevölkerung zumLand-
sturm ersten Aufgebots findet nicht statt.
Die zum aktiven Dienst ausgehobenen Militär-
pflichtigenheißen vondcr Aushebung anRekruten.
Sie werden vorläufig in die Heimat beurlaubt und
haben sich zu einem bestimmten Termin bei dem
Landwehrbezirkskommando behufs Überweisung an
einen Truppenteil zu stellen. Bis dahin gehören sie
dem Veurlaubtenstand an.
In Ost erreich-Ungarn genießen Vergünstigun-
gen hinsichtlich des E. 1) die Kandidaten des geist-
lichen Standes jeder anerkannten Neligionsgesell-
schaft, die ausgeweihten Priester und angestellten
Seelsorger; 2) die Unterlehrer und Lehrer sowie die
Lehramtszöglinge; 3) die Besitzer ererbter Landwirt-
schaften, wenn sie die Bewirtschaftung selbst betreiben
und das Erträgnis zur Erhaltung einer Familie von
fünf Personen ausreicht, ohne das Vierfache eines
solchen Ertrags zu überschreiten; 4) diejenigen, deren
Familienverhültnisse eine Befreiung notwendig
machen, so der einzige Sohn eines erwerbsunfähigen
Vaters oder einer verwitweten Mutter (unter ge-
wissen Voraussetzungen auch der einzige Erbe), nach
dem Tode des Vaters der einzige Enkel eines er-
werbsunfähigen Großvaters oder einer verwitweten
Großmutter, dann der einzige Bruder verwaister
Geschwister; Voraussetzung ist immer, daß von der
Befreiung die Erhaltung der Eltern, Großeltern und