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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ersatzwesen
holung der Anmeldung auf bestimmte Zeit ausdrück-
lich befreit oder über das laufende Jahr hinaus
zurückgestellt wurde. Dies bezieht sich insbesondere
auf diejenigen Militärpflichtigen, welche im Besitz
des Berechtigungsscheines zum einjährig-freiwilligen
Dienst oder des Vefähigungszeugnisses zum ^ce-
steuermann sind; diese haben beim Eintritt in das
militärpflichtige Alter ihre Zurückstellung vor der
Aushebung zu beantragen und sind alsdann von
der Anmeldung zur Rekrutierungsstammrolle ent-
bunden. Die Anmeldung hat bei der Ortsbchörde
desjenigen Ortes zu erfolgen, in welchem der Wehr-
pflichtige seinen dauernden Aufenthalt hat. Besitzt
er einen solchen im Reich nicht, so ist die Anmeldung
am Geburtsorte, und liegt auch dieser außerhalb
des Reichs, an dem Ort zu bewirken, wo seine
Eltern oder sein Familienhaupt den letzten Wohnsitz
hatten. Sind die Militärpflichtigen selbst abwesend,
so haben ihre Eltern, Vormünder, Lehr-, Brot- oder
^abrikherren die Anmeldung zu bewirken. Die
Unterlassung der Anmeldung ist mit Geldstrafe bis
zu 30 M. oder Haft bis zu 3 Tagen bedroht. Verlegt
der Militärpflichtige nach Anmeldung im Laufe des
Jahres feinen dauernden Aufenthalt in einen an-
dern Aushobungsbezirk, so hat er dies sowohl der
Behörde, die ihn in die Stammrolle aufnahm, wie
derjenigen, welche an seinem neuen Aufenthaltsort
die Stammrolle führt, zu melden.
d. Die Verpflichtung, sich auf Anordnung der Er-
satzbehördcn vor denselben (jährlich höchstens zwei-
mal) cinzufinden (Gestellungspflicht). Der
Militärpflichtige ist in dem Aushebungsbezirk ge-
stellungspflichtig, in dem er sich zur Stammrolle
meldete, und zwar während der ganzen Dauer der
Militärpflicht, sofern der Pflichtige nicht von der
Gestellung ganz oder teilweise entbunden wurde.
Im Auslande wohnhafte Militärpflichtige können
sich einem ihrem Wohnort nähern Bezirke überweisen
lassen. Auch ist eine Gestellung in einem andern Be-
zirke ausnahmsweise zulässig, wenn der Gestellnngs-
pflichtige am Erscheinen im eigenen Bezirk verhin-
dert war. Wer durch Krankheit am Erscheinen im
Termin verhindert ist, hat ein ärztliches Zeugnis
einzureichen, das von der Polizei zu beglaubigen ist,
wenn es kein Amtsarzt ausgestellt hat. Die Ersatz-
kommission kann seine außcrterminlichc Musterung
bewerkstelligen. Gemütskranke, Blödsinnige, Krüp-
pel u.s.w. tonnen anf Grund eines ähnlichen Zeug-
nisses von der Gestellung überhaupt befreit werden.
Jeder Militärpflichtige wird einzeln vorgestellt; er
muß sich auf Verlangen des Arztes völlig entblößen,
auch über seine bürgerlichen Verhältnisse Auskunft
geben. Personen, welche sich nicht stellen, sind straf-
bar, und es können ihnen die Vorteile der Losung
<s. unten) entzogen werden. Ist die Versäumnis in
böslicher Absicht oder wiederholt erfolgt, so können
sie der Berücksichtigung der bürgerlichen Verhältnisse
verlustig und als unsichere Dienstpflichtige sofort in
die Armee eingereiht werden.
Die Gestellung erfolgt zunächst vor der Ersatz-
kommission (Musterung). Diese kann Zurück-
stellungen verfügen. Dieselben erfolgen in der
Regel nur für das laufende Jahr, d. h. bis zum
Termin für die Anmeldung zur Stammrolle im
nächsten Jahre. Wegen besonderer Verhältnisse kann
gleich bis zum dritten Militärpflichtjahr zurückge-
stellt werden, wegen zeitiger Ausschlicftungsgründe
und behufs ungestörter Ausbildung für den Lebens-
lauf ausnahmsweise sogar bis zum fünften; Perso-
nen, die sich dauernd im Ausland aufhalten, können
bis zum dritten Jahre zurückgestellt werden. Für die
Zeit der Zurückstellung besteht keine Melde- und Ge-
stellungspflicht. Bei Ablauf der Frist beginnt die
Pflicht wieder bei der Ersatzkommission, welche zu-
rückgestellt hat; an sie sind daher Anträge auf Über-
weisung in einen andern Bezirk zu richten. Weitere
und längere Zurückstellungen als die angegebenen
kann nur das Ministerium verfügen. Militär-
pflichtige röm.-kath. Konfession, welche sich dem
Studium der Theologie widmen, werden nach be-
sonderm Gesetz (Reichsgesetz vom 8. Febr. 1890)
in Friedenszeiten von Amts wegen während der
Dauer ihres Studiums immer bis zum 1. April
des siebenten Militärjahres zurückgestellt und, wenn
sie bis dahin die Subdiakonatsweihe empfangen
haben, der Ersatzrcserve überwiesen und vonübnngen
befreit. Bei Mobilmachung werden alle Zurück-
stellungen ungültig; doch können sie bis zum nächsten
Musterungsgeschäft wieder gewährt werden. Im
übrigen erfolgt Zurückstellung: 1) von Amts wegen
bei Personen, welche wegen einer mit Zuchthaus
oder mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte be-
drohten strafbaren Handlung oder wegen einer
strafbaren Handlung in Untersuchung sind, wegen
deren Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
mehr als sechswöchiger Dauer oder zu einer ent-
sprechenden Geldstrafe zu erwarten steht, bis zur
Beendigung der Untersuchung; ferner bei Personen,
welche zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer dahin
zu verwandelnden Geldstrafe verurteilt sind, bis zur
Abbüßung oder bis zum Erlaß der Strafe; endlich
bei Personen, welche nicht die bürgerlichen Ehren-
rechte besitzen, bis zur Wiedererlangung derselben;
im fünften Militärjahr muh jedenfalls die definitive
Entscheidung über die Dienstpflicht erfolgen; 2) eben-
falls von Amts wegen bei zeitweiliger Untauglich-
keit, insbesondere z. B. wegen noch fehlender Körper-
größe (s. Militärmaß, Bd. 11); 3) auf Antrag des
Militärpflichtigen oder seiner Angehörigen nach Er-
messen der Behörde in Berücksichtigung bürgerlicher
Verhältnisse, namentlich um einzelnen Personen die
Ernährung ihrer Angehörigen und die Fortsetzung
ihres Berufes zu ermöglichen. Einen Anspruch auf
Zurückstellung haben Seeleute, welche auf deutfchen
Handelsschiffen thatsächlich in Dienst getreten sind
oder eine deutsche Navigations- oder Schifsbauschule
besuchen; 4) als überzählige; auf diese kann jeder-
zeit zurückgegriffen werden, doch muß bis zu dem auf
ihr drittes Militärjahr folgenden 1. Febr. über ihre
Dienstpflicht endgültig entschieden sein. Soweit nicht
Zurückstellung stattfindet, macht die Ersatzkommis-
sion je nach dem Ausfall der Musterung Vorschläge
über die Behandlung des einzelnen Militärpflich-
tigen durch Anlegung sog. Vorstellungslisten.
Der Gestellung zur Musterung folgt die Ge-
stellung zur Aushebung (im engern Sinne) vorder
O bercrsatzkommission. Dieser müssen persönlich vor-
gestellt werden die von der Ersatzkommission je nach
dem Ausfall der Musterung entweder zur Ersatz-
rcserve oder zur Aushebung für das Heer oder wegen
bäuslicher Verhältnisse zur Überweisung an den
Landsturm in Vorschlag Gebrachten; ferner die von
den Truppenteilen abgcwiefenen Freiwilligen. Die
zum Ausschluß vom Dienst Vorgeschlagenen werden
nur auf besondere Anordnung vorgestellt; die zur
Ausmusterung oder wegen bedingter Tauglichkeit
oder Mindermahcs oder wegen zeitweiliger Untaug-
lichkeit zum Landsturm in Vorschlag Gebrachten