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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Forster Stadtbahn - Fortbildungskurse
rechtigungen, für den Wald gleich schädlich wie
nützlich für den kleinen Bauern, namentlich bei gleich-
zeitiger Viehzucht in armen Gegenden, indem er die
Möglichkeit hat, sich so ein Stück Vieh zu halten, das
ihm Lebensmittel- und Düngerbedarf decken hilft.
Die Übersicht über die verschiedenen Arten von
F. ergiebt, daß die in einer Zeit entstandenen F.,
wo sie für die landwirtschaftliche Bevölkerung not-
wendig waren, vom Standpunkte heutiger Volks-
wirtschaftspolitik aus nicht alle mehr aufrecht zu er-
balten sind. Immer aber muß bei der Ablösung der
F. der Grundsatz gelten, daß F., deren Beseitigung
vom forsttcchnischen Standpunkts aus gefordert
wird, dann nicht der Ablösung zu unterstellen sind,
wenn die Ablösung nicht auch volkswirtschaftlich
zulässig erscheint, d. h. wenn derNabrungszustand des
Berechtigten bei Aufhebung wesentlich gefährdet
wird. So läßt sich die zwangsweise Ablösung von
Waldstreuservituten in den Fällen, wo die Waldstreu
das Lebenselement der Landwirtschaft bildet, nur
dann rechtfertigen, wenn in diesen Gegenden zuvor
entsprechende Stteusurrogate (Torfmull u. s. w.) in
Aufnahme gebrackt sind. Diefcm Grundsatze ent-
spricht es, wenn die Forstgesctze bestimmen, daß in
der Regel die Umwandlung der F. in jährliche feste
Geldleistungen oder ihre Ablösung nur durch freie
Übereinkunft foll herbeigeführt werden können. In
den meisten dcutfchen Staaten sind alle F. abgelöst.
Nur in Dessen und Bayern bestehen noch welche (in
Bayern 1890/91 noch 432308 Stcr Holz im Werte
von 1879369 M. ^ 7^ Proz. des Gcsamtholz-
crlöses jährlich). Die in Bayern 1890 mit dem
Landtage vereinbarte Novelle zum Forstgesetz vom
28. März 1852 läßt Ablösung auf einseitigen An-
trag des Verpflichteten nur unter der Bedingung
zu, daß die Entschädigung mittels Abtretung eines
vom Rechte Dritter "freien Teiles des belasteten
Waldes stattfindet. Der abzutretende Waldteil muh
nach Lage und Größe eines forstwirtschaftlichen Be-
triebes fähig sein und den Bedarf der bisherigen
Holzberechtigungcn nachhaltig decken. Das Vürgerl.
Gesetzbuch läßt die landcsrcchtlichcn Vorschriften über
Ablösung, Umwandlung oder Einschränkung von
Dienstbarkciten und Reallastcn, also auch von forst-
lichen unberührt (Einführungsgesetz, Art. 113). -
Vgl. Artikel Forstbercchtigungcn im "Wörterbuch des
deutschen Vcrwaltungsrechts", hg. von Stengel, Bd. 1
(Freib. 1890), und Artikel Forsten im "Handwörter-
buch der Staatswissenschasten", Bd. 3 (Jena 1892).
Förster Stadtbahn, dem Güterverkehr in und
bei Forst i. d. L. dienende, 14 km lange Kleinbahn
(1 m Spurweite). Sie gehört der Lokalbahn-Aktien-
Gesellschaft in München und wurde 9. Mai 1893 er-
öffnet. Berechtigungen.
Forstfervituten, Waldservituten, s. Forst-
* Fortbildungskurse. Neben den militärürzt-
lichen Fortbildungskursen (s. d., Bd. 6) giebt es
in verschiedenen Staaten und Städten noch andere,
namentlich für Lehrer, Arbeiter und Frauen zur
Wiederholung und Vertiefung oder zu eigentlicher
Weiterbildung bestimmte Unterrichtskurse. Dabei
ist übrigens zu unterscheiden zwischen den Einrich-
tungen in England und Nordamerika einerseits und
denen in Deutschland andererseits; wieder eine andere
Gestalt zeigen die sog. Volkshochschulen in den skan-
dinav. Ländern. Den Anstoß gab England, wo man
seit 1820 bemüht war, der arg vernachlässigten Volks-
bildung aufzuhelfen und ihr eine weitere Ausdeh-
nung zu geben. 186? begann James Stuart, Fellow
am Irinit^ <üo1i6F6 zu Cambridge, im nördl. Eng-
land Vorlesungen zuerst für Frauen, besonders
Lehrerinnen, dann für Arbeiter zu halten; und da
die Sache großen Erfolg hatte, nahm 1873 die Uni-
versität selbst sich des Unternehmens an, das nun als
1Iniv6l8it)?' 0Xt6N810N IU0V6IN6Nt (s. d., Bd. 16)
rasche Fortschritte machte. Das Ziel war, wissen-
schaftliche Bildung auch in denjenigen Kreisen zu ver-
breiten, welche zur Erwerbung einer solchen keine Ge-
legenheit gehabt hatten und nun das Versäumte nach-
holen wollten, oder auch denen zu dienen, die von Zeit
zu Zeit von den Fortschritten der Wissenschaft Kennt-
nis erhalten möchten. Ursprünglich hatte man vor
allem an jüngere Arbeiter und Frauen gedacht, that-
sächlich fanden sich aber vor allem Erwachfene und
unter ihnen auch Lehrer, Handeltreibende und Ge-
bildete aller Art als Teilnehmer an den Kursen ein.
Diese bestehen nicht bloß in Vorlesungen von je 12
oder 6 Stunden für ein Fach, sondern vor oder nach
denselben kommen die Teilnehmer zusammen, um
sich durch Fragen und Antworten von dem Vor-
tragenden weiter belehren zu lassen oder sich auch
gegenseitig über das Gehörte auszusprechen und es
sich so in selbständiger Verarbeitung zu eigen zu
machen. Außerdem erhalten sie einen kurzen Abriß
der vorgetragenen Disciplin (Syllabus) zum Wieder-
holen in die Hand und Bücher aus den eigens für
diesen Zweck eingerichteten (fliegenden) Bibliotheken,
und endlich werden von ihnen Aufsätze geschrieben,
die der Vortragende korrigiert und in der Klasse be-
spricht. Am Ende des Kurses finden Prüfungen statt
und denen, die sich einer solchen unterziehen (etwa
10 von 100), werden Zeugnisse oder Bescheinigungen
ausgestellt. Die Unterrichtsfächer sind im wesent-
lichen die der allgemeinen Bildung: Geschichte, Litte-
ratur, Philosophie, Religion, Naturwissenschaften,
Nationalökonomie; aber natürlich werden nicht an
allen Orten alle diese Disciplinen gelehrt, sondern
nach den lokalen Bedürfnissen werden die Programme
aufgestellt und wird die Auswahl getroffen. Die
Lehrer sind meist jüngere Universitätsdocenten, die
eine gewisse Lehrbefühigung besitzen oder sie, wie in
Amerika, an besonders dafür eingerichteten Semi-
naren vorher erwerben müssen. In England wurde
die Bewegung immer mehr centralisiert und den
Universitäten angegliedert; Orte, wo die Kurse regel-
müßig abgehalten werden und die Teilnehmer sich
zu einem dreijährigen Vollkurs verpflichten, erhalten
das Recht der Affiliation. Nach einer vorübergehen-
den Stockung in den 1.1880-85 hat sich diese Be-
wegung immer mehr verbreitet (in England wurden
allein in einem Jahre 700 Kurse mit mehr als 57000
Teilnehmern abgehalten), und die Einrichtung darf
hier als eine bewährte und dauernde betrachtet wer-
den. Das bewies auch der diesem Zweck gewidmete
internationale Kongreß zu London im Juni 1894;
eine in London erscheinende Zeitung: "HniverLit^
I5xt6n8ion "loui-nai" steht im Dienste der Bewegung.
Weist die Entstehung der Sache auch auf gewisse
Mängel des engl. Schul- und Unterrichtssystems
hin, das einer derartigen Ergänzung dringend be-
darf, so ist doch das Hauptmotiv der Bildungstrieb
auch solcher Schichten des engl. Volks, die seither
von der Wissenschaft und ihren Fortschritten ausge-
schlossen waren; die demokratische und sociale Rich-
tung unserer Zeit sucht auf diese Weise das Bildungs-
privilegium der obern Stände zu beseitigen; mit
richtigem Verständnis und anerkennenswertem Eifer
sind daher die engl. Universitäten diesem Verlangen